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Audio: rbb24 Inforadio | 25.01.2023 | Christoph Reinhardt | Quelle: dpa/P.Pleul

Wahlthemen-Check

Das planen die Berliner Parteien bei der Verwaltung

Für die einen geht es um die "funktionierende Stadt", für die anderen um ein "besseres Berlin" oder einfach nur Bürokratieabbau. In einem sind sich alle einig: Die Balance zwischen dem Senat und den Bezirken muss neu austariert werden. Von Christoph Reinhardt

SPD

SPD: Verfassungsänderung ist gut, schnelle Umsetzung ist besser

Kernzitat: "Eine reine Vermittlungsinstanz ohne verbindliche Entscheidungsbefugnis wird zur Zielerreichung nicht ausreichen."

So wolkig im SPD-Wahlprogramm von 2021 ("klare Verantwortung und konstruktive Zusammenarbeit"), so detailliert ist der Reformvorschlag, auf den der SPD-Staatssekretär für Digitalisierung und Verwaltungsreform, Ralf Kleindiek, sich festgelegt hat. Wenn er nach der Wiederholungswahl noch im Amt ist, will er zweistufig vorgehen: Erst mit Koalitionsmehrheit die Zuständigkeiten von Senat und Bezirken neu ordnen und ein geregeltes Verfahren für Konfliktfälle festlegen. Um anschließend eine Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung zu organisieren – damit die Bezirksbürgermeister Richtlinienkompetenz bekommen und die Stadtratsposten nach politischer Mehrheit (und Fachkompetenz) vergeben werden, statt wie bisher nach Parteiproporz.

Kleindieks Ziel: Die Bezirksämter sollen verlässlicher werden. Und der Senat soll in allen gesamtstädtischen Angelegenheiten die Fachaufsicht beziehungsweise das letzte Wort haben. Die Frage ist, ob der SPD-Staatssekretär aus Hameln die Berliner Parteibasis in den Bezirken hinter sich hat. Und ob die Bezirke mitspielen. Dem Rat der Bürgermeister will Kleindiek jedenfalls ausdrücklich keine wichtigere Rolle zugestehen, sondern lieber dafür sorgen, dass die bisher mangelhafte Vorbereitung der Bürgermeister durch eine beratende Geschäftsstelle in der Senatskanzlei unterstützt wird.

CDU

CDU: Starke Bezirke, direkt gewählte Bürgermeister

Kernzitat: "Wo die Bezirke zuständig sind, hat der Senat künftig nicht mehr reinzureden."

Die CDU denkt die Verwaltung von den Bezirken her. Die Ursache der aktuellen Probleme ihrer Meinung nach: dass die Bezirke zu schwach sind und der Senat sich zu viel einmischt. Die Lösung: Starke Bezirke mit mehr Geld, denn "wo die Aufgabe erledigt wird, gehören auch Personal und Verantwortung hin". Die CDU hält zwar nichts vom "politischen Bezirksamt", will aber die nach Parteiproporz besetzten Stadtratsposten anders bändigen: Die Bezirksbürgermeisterinnen und -meister sollen Richtlinienkompetenz bekommen – und direkt vom Volk gewählt werden.

Dampf machen will die CDU den Behörden mit der Genehmigungsfiktion – kommt eine Entscheidung nicht in der festgelegten Frist zustande, gilt ein Antrag als genehmigt. Leistung soll sich zudem wieder lohnen: Schnelle Bezirke bekommen mehr Geld. Je weniger Regelungen, desto besser – Verordnungen und Verwaltungsvorschriften sollen auf maximal fünf Jahre befristet werden.

Die Personalfrage und die Digitalisierung sind für die CDU "wichtige Zukunftsthemen", um die sich eine eigene Senatsverwaltung kümmern soll. Wie der Personalbedarf künftig gedeckt werden soll, kann die CDU noch nicht sagen, kündigt aber schon mal ein Personalentwicklungskonzept an, "das diesen Namen auch verdient". Über die Einzelheiten der Verwaltungsreform soll ein Verfassungskonvent innerhalb eines Jahres beraten.

Linke

Linke: Viel hilft viel

Kernzitat: "Die Ämter sind für die Menschen da, und nicht umgekehrt."

An der Verwaltung zu sparen, das hieße für die Linken, an den Dienstleistungen für Bürgerinnen und Bürgern zu sparen – und das will die Linke ausdrücklich nicht. Sondern mehr Personal für den öffentlichen Dienst, mehr Geld für Hilfsprogramme, und sei es auf Kredit. Die Beschäftigten sollen besser bezahlt werden, die Verwaltung soll familienfreundlich und divers werden. Und die Zusammenarbeit zwischen Senat und Bezirken soll von klaren Strukturen geprägt sein, gleichberechtigt und kooperativ statt mit Fachaufsicht und Durchgriffsrechten.

Eine Vereinfachung der Abläufe sei aber dringend notwendig. Um den Entscheidungsstau zwischen Senat und Bezirken aufzulösen, könnten sich auch die Linken eine Genehmigungsfiktion vorstellen, die dazu führen würde, dass die Bezirke nicht länger als festgelegt auf die Genehmigung der Hauptverwaltung warten müssten.

Damit die Bezirke immer die notwendigen Mittel haben, um die übertragenen Aufgaben zu erfüllen, wollen die Linken diese Pflicht des Senats als Konnexitätsprinzip ("Wer bestellt, bezahlt") in die Verfassung aufnehmen. Die Kosten- und Leistungsrechnung soll reformiert werden, damit auch Qualitätsstandards berücksichtigt werden. Wenn es um Geld geht, sollen auch die Bürgerinnen und Bürger mitentscheiden – die Idee der Bürgerhaushalte soll von den Bezirken auf Landesebene ausprobiert werden.

Grüne

Grüne: Förster im Behördendschungel

Kernzitat: "Wir wollen das Nebeneinander zu einem Miteinander entwickeln."

Die Grünen legen mit ihrem Verwaltungs-"Update!" den mit Abstand detailliertesten Reformvorschlag vor. Die Idee sieht eine neue, systematische Gliederung vor, mit der das wild gewachsene Dickicht aus unklarer Aufgabenverteilung, Produktkatalogen und Kostenträgern nach einem neuen Schema geordnet wird. Der Senat soll möglichst nur noch steuern, die operative Arbeit erledigen die Landes- und Bezirksämter.

Einzelne "Staatliche Aufgaben" kann der Senat zwar an die Bezirke übertragen, behält aber die Verantwortung - und muss die Rechnung zahlen. "Gemeindliche Aufgaben" der Bezirke kann der Senat an sich ziehen, wenn es im gesamtstädtischen Interesse liegt. "Querschnittsaufgaben" wie Personal- oder Facilitymanagement, die in allen Behörden anfallen, werden vereinheitlicht und teilweise von zentralen Dienstleistern übernommen.

Konfliktfälle zwischen Senat und Bezirken wird es aber trotzdem geben – der grüne "Klärungsmechanismus" will Patt-Situationen zügig auflösen. Denn sollten der Rat der Bürgermeister und die Senatskanzlei sich nicht fristgemäß einigen, entscheidet das Parlament. Die elektronische Akte ist für die Grünen elementar bei der Verwaltungsreform, und die extrem starke Position der 72 Bezirksstadträte wollen die Grünen mit dem "politischen Bezirksamt" knacken, in dem die Posten nach politischen Mehrheiten – auch während der Wahlperiode – vergeben werden.

AfD

AfD: Mehr Volk, weniger Staat

Kernzitat: "Die Stärkung der direkten Demokratie ist ein Herzensanliegen der AfD."

Für die AfD ist die Berliner Verwaltung vor allem ein Kostenfaktor, der durch Verkleinerung effizienter werden kann. Weniger Senats- und Stadtratsposten, verkleinerte Bezirksverordnetenversammlungen, mehr Rechte für den Landesrechnungshof, um Steuerverschwendung schnell zu stoppen, plant sie. Die Kompetenzen von Senat und Bezirken sollen "klar geordnet" werden. Und um unabhängiger vom Senat zu werden, sollen die Bezirke eigenes Geld bekommen – 30 Prozent der Gewerbesteuereinnahmen wären ein Anreiz, die regionale Wirtschaftsstruktur zu fördern. Denn mit diesen Mitteln sollen sie dann eigene Schwerpunkte finanzieren, zum Beispiel "bei Kultur, Wirtschaft, Umwelt oder öffentlicher Ordnung".

Regierende Bürgermeister:innen und der Bezirksbürgermeister:innen will die AfD direkt vom Volk wählen lassen, und verspricht sich davon eine stärkere Richtlinienkompetenz und dadurch klarere Verwaltungsprozesse. Volksentscheide sollen ausgebaut und nicht mehr vom Abgeordnetenhaus überstimmt werden können.

Die AfD will auch einen "Volkseinwand" einführen, mit dem Ziel, "schlechte Gesetze (...) durch das Volk rückabzuwickeln." Geschlechterquoten lehnt die AfD auch in der Verwaltung ab, und "stellt sich gegen alle Versuche, 'Gender' und 'Diversity' im privaten Leben und auf öffentlicher Ebene" durchzusetzen. Bestehende Regelungen dazu sollen aufgehoben werden.

FDP

FDP: Einstufige Verwaltung, Bezirksämter abschaffen

Kernzitat: "Die Bezirksämter werden damit überflüssig."

Als einzige der sechs Parteien ist die FDP aktuell an keinem der zwölf Bezirksämter beteiligt. Diese Freiheit nutzen die Liberalen für einen radikalen Reformvorschlag: Berlin soll eine einstufige Verwaltung bekommen. Die Bezirksämter werden aufgelöst, die Beschäftigten in Landesbehörden übernommen. Die "fachlich für ihre Ressorts nicht ausgebildeten" 72 Bezirksstadträte können weg. Bezirksbürgermeisterinnen und -meister gibt es zwar weiterhin, aber nur noch zum Repräsentieren und als "Sprachrohr der Bezirksverordnetenversammlungen". Die BVV darf dem Senat immerhin Empfehlungen geben, und für rein lokale Angelegenheiten wie Jugendfreizeiteinrichtungen oder Grünflächengestaltung bekommt der Bezirk ein eigenes Budget.

Weil keine andere Partei so weit gehen würde, hat die FDP als Rückfallposition noch ein Forderungspaket für die bestehende zweistufige Verwaltung geschnürt: Bürokratieabbau, unter anderem durch Befristung von Gesetzen, Anzeige- statt Antragspflicht, verbindliche Bearbeitungszeiten mit Genehmigungsfiktion - und eine Zentralisierung der Kompetenzen etwa bei den Themen Bauen, Schule, Stadtentwicklung und Verkehr. Das Ziel der Digitalisierung ist eine papierlose digitale Verwaltung, in der per IT-Verfahren Entscheidungen automatisiert getroffen werden. Englisch soll zweite Verwaltungssprache werden.

Hinweis: Die Reihenfolge der Parteien richtet sich nach dem Ergebnis der Abgeordnetenhauswahl 2016: SPD 21,6 Prozent; CDU 17,6 Prozent; Linke 15,6 Prozent; Grüne 15,2 Prozent; AfD 14,2 Prozent; FDP 6,7 Prozent

 

Sendung: rbb24 Inforadio, 25.01.2023, 07:30 Uhr

Beitrag von Christoph Reinhardt

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