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Quelle: dpa-Zentralbild

Bundespolitiker zur Berlin-Wahl

"Nur für Farbenspiele stehen wir nicht zur Verfügung"

Nach der Berlin-Wahl haben Linke und Grüne Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung - enstprechend forsch treten auch Parteienvertreter auf Bundesebene auf. Selbstbewusst zeigt sich auch die AfD. Katerstimmung herrscht hingegen bei SPD und CDU, die historisch schlechte Ergebnisse einfuhren.

SPD

Die SPD führt ihre Stimmenverluste bei der Abgeordnetenhauswahl in Berlin auf die Debatte über die Asylpolitik zurück. Auf Landes- und Bundesebene sei in den vergangenen Jahren bei Wohnungsbau, Kitas und Arbeitsplätzen viel umgesetzt worden, sagte die Generalsekretärin der Bundespartei, Katarina Barley, am Montag in der ARD. "Geredet wird aber nur über Flüchtlinge. Und wenn das so ist, dann kommt eben so eine Protesthaltung auch stärker zur Geltung, die wir in Berlin gesehen haben." Dann müsse man sich nicht wundern, wenn es rechts und links stärker werde und nicht in der Mitte, sagte Barley dem Fernsehsender phoenix am Montag.

Einen Grund für die massiven SPD-Verluste sieht Barley auch im Anti-AfD-Kurs von Müller. "Er war sehr klar gegen Rechts und damit macht man sich nicht nur Freunde."

SPD-Bundesfraktionschef Thomas Oppermann hat die Union für das historisch schlechte Abschneiden der Sozialdemokraten bei der Berlin-Wahl mitverantwortlich gemacht. Wenn CDU und CSU permanent über die Flüchtlingspolitik stritten, sende auch die schwarz-rote Bundesregierung das Signal, "dass sie nicht weiß, wo es lang geht", sagte Oppermann im Deutschlandfunk am Montag. Leider werde auch die SPD durch diese Dauerdebatte zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer heruntergezogen.

CDU/CSU

CDU-Generalsekretär Peter Tauber setzt nach dem schlechten Abschneiden bei der Berlin-Wahl und dem monatelangen Flüchtlingsstreit auf stärkeren Zusammenhalt mit der CSU. Das schwache Ergebnis der CDU bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus in Berlin sei ein stückweit wegen des Streits zwischen CDU und CSU auf Bundesebene selbstverschuldet, räumte Tauber im Radiosender WDR 5 am Montag ein. Dies habe Mitglieder, Anhänger und Wahlkämpfer genervt. "Deswegen ist es erstmal ganz gut, dass wir schauen, wie wir Gemeinsamkeiten stärker in den Vordergrund stellen - die haben wir nämlich, das glaubt nur zur Zeit kaum einer mehr."

Die stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Julia Klöckner, sieht die künftige Arbeit der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus kritisch. "Von der AfD erwarte ich nicht viel, weil jetzt ist die Zeit, wo Butter bei die Fisch kommen muss", sagte sie am Montag vor Sitzungen der CDU-Führungsgremien in Berlin. "Die AfD ist brillant in Überschriften und Ängsteschüren." In Fragen der Detailarbeit sei von der Partei bislang aber wenig gekommen.

Über die CDU-Schlappe sagte Klöckner: "Das war kein erfreulicher Abend." Gleichzeitig betonte sie, dass das Wahlergebnis nicht mit anderen Landtagswahlen vergleichbar sei.

Für CDU-Bundesvize Thomas Strobl hat die Schlappe der Union bei der Berlin-Wahl in erster Linie landespolitische Gründe. "Das ist, wie es sich schon im Vorfeld abgezeichnet hat, für die
Berliner Parteifreundinnen und -freunde kein schönes Ergebnis", sagte der baden-württembergische CDU-Chef und Landesinnenminister am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "Wahlen in den Stadtstaaten sind oft, sind meistens etwas Spezielles. Das kommt auch beim gestrigen Ergebnis voll zum Tragen." 

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sieht nach dem Desaster ihrer Partei bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl nur begrenzte Auswirkungen auf die Bundespolitik. Vor Sitzungen der CDU-Führungsgremien in Berlin sprach das CDU-Präsidiumsmitglied am Montag von einem sehr landestypischen Ergebnis. "Es gab eine hohe Unzufriedenheit mit dieser Landesregierung." Die CDU werde die Lage nun "sehr genau analysieren und unsere Schlüsse daraus ziehen". Diese Schlüsse aus Berlin seien aber "nur begrenzt anwendbar" auf die Bundespolitik.

"Wir haben eine tektonische Verschiebung der Parteienlandschaft", bilanzierte Generalsekretär Andreas Scheuer am Montag zur Berlin-Wahl im Bayerischen Rundfunk. Union und SPD müssten dringend das Vertrauen der Bürger mit konkreten Entscheidungen zurückgewinnen. "Die Bürger haben zum wiederholten Male einen Weckruf, ein Alarmsignal ausgesendet."

Linke

Linken-Chef Bernd Riexinger sieht im Erfolg seiner Partei bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl auch ein Signal für den Bund. Die Wahl zeige, dass die Abwahl einer großen Koalition und eine Mehrheit links von der Mitte möglich sei, sagte er am Montag vor Beratungen des Linken-Vorstands der Deutschen Presse-Agentur. "Die Wahl zeigt, dass wir in der Lage sind, Wahlen zu gewinnen", sagte er. "Wir gehen nun als Sieger ins neue Jahr mit seinen wichtigen Wahlen. Das führt zu einer echten Erleichterung."

Ziele für den Bund seien die Ablösung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und eine grundlegende andere Politik. "Wir können Merkel nicht allein ablösen", räumte Riexinger ein. Die Linke habe klare inhaltliche "Haltelinien" vor einer etwaigen Regierungsbeteiligung, werde aber vor allem offensiv formulieren, was sie wolle.

"Es geht jetzt nicht darum, eine Regierung mit neuen Parteien zu bilden, die taktisch das gleiche Desaster weiterverwaltet, das vorher die Große Koalition verwaltet hat", sagte Sahra Wagenknecht, Fraktionschefin der Linken im Bundestag, am Montag rbb-Inforadio. "Nur für Farbenspiele stehen wir nicht zur Verfügung."

Die Linke habe gute Vorschläge für die Themen, bei denen es in Berlin Probleme gebe - beispielsweise steigende Mieten oder unterfinanzierte Schulen, stellte Wagenknecht fest. "Da haben wir gute Vorschläge und die werden wir jetzt natürlich sehr selbstbewusst in diese Verhandlungen einbringen." Eine Koalition mit den Sozialdemokraten in Berlin hänge auch davon ab, "ob die SPD tatsächlich bereit ist, eine sozialere Politik zu machen".

Die Politik müsse dafür sorgen, dass die Menschen durch die AfD nicht gegeneinander ausgespielt werden können, forderte Wagenknecht. Berlin werde immer mehr eine Stadt der Immobilien-Haie, es fehle oft an Elementarem bei der Versorgung der Bürger, wie z.B. bei den Bürgerämtern oder Schulen. "Gerade weil es jetzt mehr Flüchtlingskinder in der Schulen gibt, verschlechtert sich natürlich die Situation, wenn nicht mehr Lehrer eingestellt werden - und das muss sich ändern."

Die Linke werde allerdings auch untersuchen, weshalb sie wie in Wohngebieten in Ost-Berlin Stimmen verloren habe bei "Menschen, denen es nicht gut geht".

 

 

Grüne

Grünen-Chef Cem Özdemir sagte am Wahlabend auf die Frage, ob Rot-Rot-Grün beispielgebend sei für den Bund: "Das ist ein Modell für Berlin." Die Zeit der Modelle mit bundesweiter Bedeutung sei vorbei.

Für Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter ist das Ergebnis seiner Partei bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl trotz leichter Verluste ein klarer Erfolg. "Das wichtigste Ziel ist geschafft: Die große Koalition ist abgewählt", sagte er am Sonntagabend. In absoluten Stimmen sei das Ergebnis außerdem das beste, das je ein Landesverband der Grünen geholt habe. "Wir werden jetzt selbstbewusst in jedes Gespräch ziehen."

Die Grünen-Vorsitzende Simone Peter forderte nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus alle anderen Parteien auf, sich von der AfD abzugrenzen: "Wir Grünen sehen uns ganz klar als Gegenpol zur AfD", sagte Peter am Montag in Berlin. Vor allem die Parteien hätten den AfD-Zuwachs mitverursacht, die sich nicht klar abgegrenzt hätten. Das gelte für die CSU, aber auch für Teile der Linkspartei.

AfD

Der Bundesvorsitzende der AfD, Jörg Meuthen, hat nach den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus ein zweistelliges Ergebnis der AfD bei der Bundestagswahl im Visier. "Bei der Bundestagswahl muss stark mit uns gerechnet werden, das haben auch die anderen Parteien inzwischen begriffen. Vielleicht können wir gegenüber den vergangenen Landtagswahl-Ergebnissen noch eins draufsetzen", erklärte Meuthen im Fernsehsender Phoenix.

Die Union übernehme inzwischen Positionen, die seine Partei vor Monaten geäußert habe, so Meuthen. Doch klafften etwa beim bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer Wort und Tat weit auseinander. "Wir werden uns CDU und CSU nicht als Juniorpartner andienen. Das schließe ich völlig aus", so Meuthen weiter.

Die stellvertretende Parteivorsitzende und Berliner Landesvorsitzende der AfD, Beatrix von Storch, freut sich über das Wahlergebnis ihrer Partei, aber auch über das schlechte Abschneiden der CDU in Berlin. "Mit dem heutigen Tag ist der Wettstreit zwischen AfD und der CDU um die Führung im bürgerlichen Lager voll entbrannt", schrieb sie am Montagmorgen auf ihrer Facebook-Seite. Und weiter: "2017 werden wir den politischen Überlebenskampf der Angela Merkel erleben und die AfD wird zur drittstärksten Kraft in Deutschland. Mindestens."

FDP

FDP-Chef Christian Lindner sieht seine Partei auf dem besten Weg, im kommenden Jahr wieder in den Bundestag einzuziehen. "Langsam und still schleichen wir uns zurück in die politische Debatte", sagte Lindner am Montag in Berlin. "Der Einzug der FDP in den deutschen Bundestag ist wahrscheinlicher, als dass die FDP unserem Parlament in Berlin nicht angehören wird."

Unter dem Eindruck der Rückkehr der FDP in das Berliner Abgeordnetenhaus am Sonntag zog Lindner eine positive Bilanz der letzten Landtagswahlen, auch wenn die Liberalen in Mecklenburg-Vorpommern vor zwei Wochen den Einzug ins Landesparlament verpassten. Seit Anfang 2015 habe die FDP bei jeder Wahl "zum Teil deutlich zugelegt", sagte Lindner.

Der FDP-Chef kritisierte die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und machte die CDU-Vorsitzende für das schlechte Abschneiden ihrer Partei bei den jüngsten Landtagswahlen verantwortlich. Es gebe inzwischen "einen Merkel-Malus" für die CDU. "Der hat weniger mit der Angst vor Fremdheit, Ressentiments und Rassismus zu tun als mit dem Verlust an Rechtsstaatlichkeit und Kontrolle."

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