Abgeordnetenhaus wählt Müller zum Regierungschef
Deutschlands erste rot-rot-grüne Landesregierung unter SPD-Führung ist perfekt: Das Berliner Abgeordnetenhaus hat Michael Müller zum neuen Regierungschef gewählt. Am Mittag wurden die zehn neuen Senatoren vereidigt.
In Berlin ist die bundesweit erste rot-rot-grüne Landesregierung unter SPD-Führung ins Amt gewählt worden. SPD, Linke und Grüne stimmten am Donnerstag im ersten Wahlgang mit deutlicher Mehrheit für den bisherigen Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD).
Für Müller stimmten 88 der 158 anwesenden Abgeordneten. Rot-Rot-Grün hat 92 Parlamentarier, wahrscheinlich haben also vier Politiker aus Müllers Lager dem Regierungschef die Zustimmung versagt. Insgesamt umfasst das Parlament 160 Abgeordnete, zwei der Opposition fehlten am Donnerstag.
Während die Opposition von einem Fehlstart sprach, bezeichnete Müller sein Ergebnis als "gute und klare Mehrheit". Gleichzeitig versprach er einen schnellen Start in das geplante Investitionsprogramm. Als erstes werde die rot-rot-grüne Hauptstadtregierung die Flüchtlingsunterbringung und die Sanierung der maroden Schulen anpacken. Da sei "keine Zeit zu vertrödeln".
Seinen Eid auf die Landesverfassung leistete Müller anschließend mit der Gottesformel: "Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe."
Der Sozialdemokrat regiert Berlin seit Dezember 2014. Er folgte nach SPD-internem Machtkampf auf den zurückgetretenen Klaus Wowereit und führte zunächst dessen rot-schwarze Regierung weiter. Bei der Wahl des Abgeordnetenhauses am 18. September verlor die große Koalition dann aber ihre Mehrheit. Nach rund zwei Monate dauernden Verhandlungen unterzeichneten Müller und der SPD-Fraktionschef Raed Saleh am Donnerstagmorgen nun den rund 200 Seiten dicken Koalitionsvertrag mit sieben Spitzenvertretern von Linken und Grünen.
Nach der Wahl Müllers wurde die Sitzung im Abgeordnetenhaus unterbrochen, damit der neue Regierende Bürgermeister an seinem Amtssitz im Roten Rathaus den zehn neuen Senatoren ihre Ernennungsurkunden überreichen konnte. Anschließend fuhr die neue Regierungsmannschaft zurück ins Parlament, wo die Senatoren vereidigt wurden.
Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen und Bildungssenatorin Sandra Scheeres behielten ihre Posten. Die bisherige Arbeitssenatorin Dilek Kolat ist nun Gesundheitssenatorin. Der vorherige Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel wechselte in das Ressort Inneres und Sport (alle SPD). Michael Müller ist nun zusätzlich Wissenschaftssenator. Sein vorheriges Amt als Kultursenator ging an den Landesparteichef der Linken, Klaus Lederer.
Neu eingesetzt wurden Katrin Lompscher als Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnungsbau sowie Elke Breitenbach als Senatorin für Arbeit und Soziales (beide Linkspartei).
Für die Grünen übernahm Ramona Pop das Wirtschaftsressort, neuer Justizsenator ist Dirk Behrendt, Verkehrssenatorin wurde Regine Günther, die von der Umweltschutzorganisation WWF kommt.
Von den zehn Senatoren leistete nur Ramona Pop den Eid mit der Gottesformel.
Rot-Rot-Grün ist nach Einschätzung Müllers nicht 1:1 als Modell auf den Bund übertragbar. Dort spielten auch Felder wie die Außen- und Sicherheitspolitik eine Rolle, die auf lokaler Ebene naturgemäß keine Bedeutung hätten, sagte er am Morgen. "Aber wir wissen natürlich, dass wir unter Beobachtung stehen."
Linken-Chef Klaus Lederer sagte, wenn Rot-Rot-Grün die Hauptstadt voranbringe, habe das auch Ausstrahlung auf den Bund. "Ich würde mich darüber freuen."
Bei dem in Berlin geschmiedeten Bündnis handelt es sich um die bundesweit erste rot-rot-grüne Koalition unter Führung der SPD. In Thüringen regiert seit zwei Jahren Rot-Rot-Grün unter Ministerpräsident Bodo Ramelow, der der Linken angehört.
Kritik an der neu eingesetzten Landesregierung kam postwendend von der neuen Opposition. Der Generalsekretär der bisherigen Regierungspartei CDU, Stefan Evers, sagte der rbb-Welle Radioeins, der Regierende Bürgermeister Müller habe es schon nicht verstanden, eine Zweierkoalition richtig zu führen. "Dass das nun mit der komplizierten Gemengelage Rot-Rot-Grün gelingen soll, da habe ich große Zweifel." Schon die Wahl Müllers sei ein Fehlstart gewesen.
"Die Ausgabenpläne sind maßlos überzogen", sagte FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja mit Blick auf den Koalitionsvertrag. Bei einem Spielraum von 500 Millionen Euro wolle Rot-Rot-Grün zweieinhalb Milliarden Euro ausgeben.
AfD-Fraktionschef Georg Pazderski sagte, Rot-Rot-Grün werde sich "sehr schnell demaskieren". Er kritisierte, dass der neue Senat "Abschiebungen nicht mehr durchführen will oder zumindest nur noch in beschränktem Maß".
Artikel im mobilen Angebot lesen