Letzte Abgeordnetenhaussitzung mit dem alten Senat
Für die vier Senatoren der CDU ist die Abgeordnetenhaussitzung am Donnerstag die letzte auf der Regierungsbank. Für ICC, Flüchtlinge und die Rigaer Straße ist dann die neue Koalition zuständig – und damit könnte sich einiges ändern. Von Tina Friedrich
Frank Henkel, Thomas Heilmann, Mario Czaja und Cornelia Yzer nehmen am Donnerstag zum letzten Mal links und rechts des Rednerpults im Abgeordnetenhaus ihre Plätze ein. Dort sitzen die Senatorinnen und Senatoren. Ab 8. Dezember, so ist es geplant, wird von dort die neue rot-rot-grüne Regierungsmannschaft die Fragen der Abgeordneten beantworten. Bis dahin ist der alte Senat noch im Amt, auch wenn das Abgeordnetenhaus bereits in seiner neuen Konstellation tagt.
Mit den Namen der CDU-Senatoren sind drei Themen eng verknüpft: Die Rigaer Straße 94, das Lageso und die Flüchtlingsversorgung, sowie die Sanierung des ICC.
Die Rigaer Straße 94 ist untrennbar mit dem Namen Frank Henkel verbunden. Im Juli musste er sich in einer Sondersitzung des Innenausschusses dafür rechtfertigen, dass die Berliner Polizei im Januar und Juni mit mehreren hundert Mann in das teilweise besetzte Haus eindrang. Insbesondere der Polizeieinsatz im Juni ist umstritten – die Polizisten sollen eine Räumung geschützt haben, für die der Eigentümer keine Erlaubnis hatte. Die entsprechenden Verfahren laufen noch.
In der Diskussion, wie es in der Rigaer Straße weitergehen soll, war im Sommer auch ein Runder Tisch im Gespräch. Damals plädierten zunächst alle Parteien außer der CDU für Gespräche auch mit den Linksautonomen. Später rückte der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) davon ab und lehnte Verhandlungen mit den Linksautonomen ab. Im neuen Koalitionsvertrag konnte sich die SPD mit dieser Haltung durchsetzen. Dort steht unter dem Titel "Berliner Ratschlag für Demokratie": "Wer Gewalt ausübt, kann für die Politik niemals Verhandlungspartner sein. Das gilt völlig unabhängig davon, unter welchem Deckmantel einer politischen Ausrichtung - ob links, rechts oder religiös - sie ausgeübt wird."
Stattdessen sollen vor allem die Anwohner des Rigaer Kiezes stärker als bisher einbezogen werden. Es soll ein Kontaktmobil geben und einen Kiez-Rat, "in dem die Anwohner einen geschützten Raum finden", sagt der SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber. Kontaktbereichsbeamte, dort ohnehin schon im Einsatz, sollen flächendeckend die gefühlte Sicherheit erhöhen. Uneinig ist sich die Koalition in der Frage, ob das Land Berlin das Haus mit der Nummer 94 kaufen soll. Die SPD sieht das nicht als Priorität, für die Grünen ist es ausgemachte Sache. Künftig wird die SPD und höchstwahrscheinlich Andreas Geisel die Verantwortung für das Innenressort übernehmen.
Der scheidende Sozialsenator Mario Czaja war in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode vor allem mit den vielen Zwischenfällen rund um das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) beschäftigt. Überlastung, schlechte Personalplanung, Skandale um Flüchtlingsheimbetreiber, und schließlich der Rückzug des Lageso-Chefs Franz Allert brachten ihm viel Kritik ein. Als sich die Nachricht um einen vermeintlich toten syrischen Flüchtling verbreitete, forderten einige Abgeordnete Czajas Rücktritt.
In den letzten Monaten der rot-schwarzen Koalition wurde dann das neue Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) gegründet. Dessen Arbeit muss nun die neue Sozialsenatorin, voraussichtlich Elke Breitenbach (Linke), in Schwung bringen. Ihre fachpolitische Kollegin bei den Grünen, Canan Bayram, streut ihr vorab Rosen: "Ich kenne sie als leidenschaftliche und fachlich sehr versierte Kollegin."
Anders als bisher wird die Sozialverwaltung künftig auch für Integration zuständig sein. Bisher waren Gesundheit und Soziales sowie Arbeit und Integration jeweils in einem Ressort zusammengefasst. So wird das neue LAF nicht nur für die Unterbringung und finanzielle Versorgung der Flüchtlinge zuständig sein, sondern auch für ihre Integration.
SPD, Linke und Grüne wollen die Flüchtlingspolitik darüber hinaus grundsätzlich neu ausrichten. Großunterkünfte wie die Hangars in Tempelhof sollen so schnell wie möglich geschlossen werden. Die mehr als 20.000 noch in Notunterkünften lebenden Menschen sollen zügig in Wohnungen untergebracht werden. Abschiebungen sollen nur noch die "Ultima Ratio" sein. Direktabschiebungen aus Schulen soll es nicht mehr geben, Familien werden nicht mehr getrennt, so der Plan.
Das ICC reiht sich ein in die Riege jener Berliner Großprojekte, die später fertig werden als geplant und mehrere Millionen Euro mehr kosten. Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer hat sich stets für seine Sanierung stark gemacht, diskutiert wurde allerdings lange zu welchem Zweck. Eine Mischnutzung aus Hotel, Shopping Mall und Kongresszentrum war im Gespräch. Später diskutierte man, ob nicht eine neue Zentral- und Landesbibliothek im ICC Platz finden könnte. Auch über einen Abriss und Neubau wurde immer wieder laut nachgedacht, auch schon unter der vorletzten Regierung. Dann kam die Flüchtlingskrise, und aus dem ICC wurde eine Notunterkunft.
Währenddessen steigen die anvisierten Kosten für eine Sanierung stetig an. Lange waren 200 Millionen Euro dafür vorgesehen, Stadtentwicklungssenator Geisel kippte diese Berechnung im April 2016 und erhöhte die benötigte Summe auf 290 Millionen Euro. Im Mai hieß es dann, um die Hallen auf Vordermann zu bringen, würden bis zum Jahr 2030 rund 448 Millionen Euro benötigt.
Das ICC wird auch die neue Wirtschaftssenatorin Ramona Pop noch länger beschäftigen. Im Koalitionsvertrag heißt es, die neue Koalition wolle die derzeitige Nutzung des Gebäudes als Notunterkunft für Geflüchtete "schnellstmöglich beenden". Das ICC soll saniert und wieder als Veranstaltungsort genutzt werden. Genau die gleiche Forderung hatte auch Rot-Schwarz schon in ihrem Koalitionsvertrag stehen, ohne Ergebnis.
Darüber hinaus will Rot-Rot-Grün den Messestandort Berlin insgesamt stärken. Dazu soll eine neue Gesellschaft entstehen, über die die Messe – mit Zustimmung des Landes Berlin – Kredite für Investitionen aufnehmen kann.
Beitrag von Tina Friedrich
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