Spitzenkandidaten | Georg Pazderski (AfD)
Seit gut einem halben Jahr ist Georg Pazderski einer von zwei Landeschefs der Berliner AfD. Doch während Beatrix von Storch regelmäßig die Schlagzeilen bestimmt, bleibt Pazderski eher blass im Schatten seiner Amtskollegin. Das will er in den wenigen verbleibenden Wahlkampf-Wochen ändern. Von Tina Friedrich
Es ist einer der heißeren Tage in diesem Juni. Die Sonne brennt auf den staubigen Platz vor dem deutsch-russischen Volksfest in Berlin-Karlshorst. Kinder in kurzen Hosen verlangen Eis von ihren Eltern, die Attraktionen ohne Sonnenschirme stehen verlassen in der Mittagshitze.
Georg Pazderski ist gekommen, um Wahlkampf zu machen - im langärmeligen weißen Hemd, ein dunkelblaues Sakko darüber. Er verzieht keine Miene. "Schwitzen ist eine Frage der Einstellung", sagt er und fasst entschlossen an sein Revers. "Wenn Sie morgens aufstehen und es regnet, und Sie denken, das wird ein schlechter Tag, dann wird es ein schlechter Tag. Mit dem Schwitzen ist es genauso."
Die kurzen, nebenbei fallen gelassenen Sätze charakterisieren Pazderski: kontrolliert, hart, entschlossen. Der Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland in Berlin ist Berufssoldat im Ruhestand. Zuletzt war er 18 Jahre lang Oberst im Generalstab. Drei Jahre verbrachte er in Brüssel, fünf Jahre in Florida, er absolvierte Auslandseinsätze unter anderem im Kosovo und in Afghanistan. Darüber spricht er gerne und immer wieder. "Ich habe gelernt zu führen – auch eine Partei", sagt er.
Wenn man ihn allerdings auf seine Führungsrolle in Berlin anspricht, reagiert er ungehalten. Er sei keineswegs die Nummer zwei hinter der medial wesentlich präsenteren Beatrix von Storch, der anderen Berliner Landesvorsitzenden. "Das haben Sie missverstanden." Doch Pazderski trat in Berlin bisher kaum in Erscheinung: keine provokanten Reden bei Demonstrationen, keine verbalen Ausrutscher in den sozialen Netzwerken, keine unbedachten Äußerungen in Interviews. "Ich bin kein Krawallmacher", sagt er.
Bisher war er viel damit beschäftigt, Parteikollegen wie Andreas Wild zu ermahnen, wenn diese in öffentlichen Reden allzu deutlich werden - und etwa fordern, Flüchtlinge in entlegenen Regionen in Baracken unterzubringen. Im Wahlkampf wolle er auf jeden Fall stärker in Erscheinung treten, sagt Pazderski. Doch es ist bereits Wahlkampf in Berlin, und die AfD hat noch keine nennenswerten inhaltlichen Akzente gesetzt.
Bisher musste die Partei das auch nicht. Die Diskussion um die Flüchtlinge, die Provokationen und Wahlergebnisse aus anderen Bundesländern haben gereicht, um die Berliner AfD innerhalb eines Jahres in den Umfragen von 5 auf 15 Prozent zu heben. Niemand zweifelt mehr daran, dass sie ins Abgeordnetenhaus einzieht, auch Georg Pazderski nicht. Verantwortung möchte er dort aber nicht übernehmen. Er tritt an, um seine Fraktion in die Opposition zu führen. "Wir wollen die Regierungsparteien auf Probleme aufmerksam machen und natürlich auch vor uns her treiben", hatte er vor einigen Monaten dazu gesagt. Er versäumt aber auch nicht zu erwähnen, dass die anderen Parteien ja bereits alle eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen hätten.
Pazderski nennt sich selbst nationalkonservativ, aber nicht rechts. Nach der Entscheidung der Briten für den Brexit forderte er auch in Deutschland eine Volksabstimmung über den Verbleib in der Europäischen Union. In Berlin wünscht er sich eine eigene Anti-Terror-Einheit. Gegen Linksautonome will er mit harter Hand vorgehen. Häufig ergreift er die Partei der Berliner Polizei, kritisiert aber gleichzeitig, dass die Kriminalität in der Stadt unverändert hoch ist. Es sind dies Themen, die ihm vertraut sind, Außen- und Sicherheitspolitik. Innerhalb der Partei werden ihm Ambitionen auf den Bundestag nachgesagt. Ist Berlin nur ein Übergang, fühlt er sich zu Höherem berufen? Die Frage drängt sich immer wieder auf, auch wenn er sie stets verneint.
Beim Unterschriftensammeln in Karlshorst überlässt er es zunächst seinen jungen Begleitern, Flugblätter zu verteilen und die schwitzenden Passanten anzusprechen. Pazderski steht daneben und gibt einem italienischen Journalisten ein Interview, der eine Reportage über Russlanddeutsche in Berlin macht.
Beitrag von Tina Friedrich
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