Bundestagswahl | Direktmandate
Ein Triell auf Bezirksebene, Kämpfe politischer Gegensätze sowie eine Kandidatin, die in den Bundestag will und für die nächsten Olympischen Spiele trainiert. Wo in Berlin die Bundestagswahl besonders spannend werden könnte. Von Oliver Noffke
Friedrichshain-Kreuzberg wählt grün, Pankow links, und Steglitz-Zehlendorf ist CDU-Hochburg: In vielen Berliner Wahlkreisen läuft eine Bundestagswahl ab wie der Murmeltiertag. Doch einige erfolgsverwöhnte Direktkandidatinnen und -kandidaten könnten in diesem Jahr aufwachen und alles ist anders. Drei Bezirke versprechen dabei besonders spannend zu werden.
Die spannende Frage in Marzahn-Hellersdorf wird am Wahlabend sein: Wie stark ist die AfD? Mit Thomas Braun haben die Rechtspopulisten einen Kandidaten aufgestellt, der zuletzt als Stadtrat und stellvertretender Bürgermeister im Bezirk tätig war.
Innerhalb der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) befand er sich allerdings mehrfach im Zentrum von Querelen. Im Frühjahr verweigerten Linke, SPD, Grüne und CDU die Zustimmung , als Braun seine Amtszeit verlängern wollte. Er wurde am 8. September 65 Jahre alt und erreichte damit die Altersgrenze für den Posten. SPD und Linke warfen Braun Desinteresse an seiner Tätigkeit und mangelnden Gestaltungswillen vor, wie die "Berliner Woche" berichtete.
So sicher wie das Amen in der Kirche ist der Wahlkreis allerdings bisher für die Partei Die Linke gewesen. Petra Pau hat das Direktmandat seit 2002 fünfmal infolge geholt und tritt nun ein sechstes Mal an. Davor wurde der Wahlkreis ab der Wiedervereinigung durch Gregor Gysi und die PDS vertreten. Mit Mario Czaja hat die CDU hier einen Herausforderer aufgestellt, der den Berlinern gut bekannt ist. Bis Dezember 2016 war er fünf Jahre lang Senator für Gesundheit und Soziales, derzeit ist er Präsident des Deutschen Roten Kreuzes in Berlin.
Seit 2005 wird Treptow-Köpenick im Bundestag durch Gregor Gysi (Die Linke) vertreten. In der Vergangenheit haben sich seine Mitbewerber (und das waren tatsächlich fast ausschließlich Männer) an ihm stets die Zähne ausgebissen. In diesem Jahr schicken CDU, SPD und Grüne hier erstmals seit Jahren Frauen in den Ring. Besonders interessant ist die Wahl der Union: Eisschnellläuferin Claudia Pechstein, die ebenso bekannt sein dürfte wie das linke Urgestein.
Profitieren könnte Pechstein davon, dass Treptow-Köpenick zwar Gysi wählt, aber nicht unbedingt links. Bei den Zweitstimmen landete die CDU bei den vergangenen Bundestagswahlen mit deutlich schmalerem Abstand auf dem zweiten Platz. 2017 mussten beide Parteien allerdings in Richtung AfD Federn lassen.
Auf den Seiten ihres Kreisverbands stellt Pechstein ihre sportlichen Erfolge in den Vordergrund und thematisiert offen die Dopingvorwürfe der Internationalen Eislaufunion – ein Verdacht, von dem sie schlussendlich freigesprochen wurde. Auch ihre Jugend in Ost-Berlin und ihre Arbeit bei der Bundespolizei betont sie. Sowie, dass sie nicht nur in den nächsten Bundestag will, sondern im Februar auch nach Peking zu den Olympischen Spielen.
Wenn zwei sich streiten, freut sich Jan-Marco Luczak. So kann man seit 2009 die Ergebnisse der Bundestagswahlen in Tempelhof-Schöneberg zusammenfassen. Während der CDU-Mann stets das Direktmandat holte, fischten Grüne und Sozialdemokraten sich gegenseitig die Wählergründe ab, so schien es. Nun will Luczak zum vierten Mal direkt gewinnen. Mit Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) und Kevin Kühnert (SPD) treten zwei bundesweit bekannte Persönlichkeiten gegen ihn an.
Spannend ist dieser Wahlkampf aus drei Gründen: Erstens lagen Linke, AfD und FDP hier oft deutlich unterhalb der drei oben genannten. Zweitens schaut man in Tempelhof-Schöneberg offenbar auch auf die Persönlichkeit. Die direkten Kandidaten und Kandidatinnen von CDU, Grünen und SPD schnitten oftmals ein Stück weit besser ab, als ihre Parteien bei den Zweitstimmen. Und drittens reichten Luczak bei der vorherigen Bundestagswahl überschaubare 28,9 Prozent der Erststimmen, um den Wahlkreis zu gewinnen.
Beitrag von Oliver Noffke
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