Bundestagswahl | Direktmandate
Ein Wahlkreis, in dem der Amtsinhaber gleich drei Verfolger hat. Einer, in dem es ein historisches Ergebnis geben könnte. Und der Kampf ums Kanzleramt im Kleinen. Wo in Brandenburg die Bundestagswahl besonders spannend werden könnte. Von Oliver Noffke
Wie wählt Brandenburg? Die Landtagswahl 2019 schüttelte einiges durcheinander. SPD, CDU und Die Linke mussten Federn lassen, AfD und Grüne machten deutliche Zuwächse. Und nun zur Bundestagswahl? Eines ist klar: Der Wahlabend wird in Brandenburg insgesamt spannend, aber drei Kämpfe um das Direktmandat stechen besonders ins Auge.
Am Abend der Bundestagswahl werden viele in Brandenburg auf den Wahlkreis 64 schauen. In Cottbus - Spree-Neiße könnte erstmals im Land die AfD ein Direktmandat holen. Vor vier Jahren gelang das noch knapp der CDU. Bei den Zweitstimmen waren die Rechtspopulisten allerdings schon damals stärkste Kraft im Wahlkreis.
Dass der bisherige Mandatsträger Klaus-Peter Schulze nicht noch einmal für die Union antritt, macht das Rennen zusätzlich unberechenbar. Auch AfD, SPD, Grüne, Linke und FDP treten mit neuem Personal an. Dieses Rennen erscheint weit offen. Und das in einer Region, in der die großen Fragen zur Zukunft den Menschen an jeder Ecke begegnen: Klimawandel, Strukturwandel, europäisches Miteinander, Energiewende.
Diese Nummer ist bundesweit bekannt: Wahlkreis 61. Sowohl Olaf Scholz als auch Annalena Baerbock kämpfen hier um das Direktmandat. Zwei, die ins Kanzleramt wollen. Zwei, die gerne miteinander koalieren würden. Zwei, die sich auch leiden können.
Was die Umfragewerte angeht, steht die SPD-Kandidat Scholz derzeit weitaus besser da. Im jüngsten ARD-Deutschland-Trend vom vergangenen Freitag sagten 40 Prozent der Befragten, sie würden ihm ihre Stimme geben, wenn man den Kanzler oder die Kanzler direkt wählen könnte. Die Grüne Baerbock erhielt 13 Prozent der Stimmen. Damit konnte sie zwar ein wenig Boden gut machen, lag aber dennoch abgeschlagen auf Platz drei hinter Armin Laschet, einem historisch unbeliebten Kanzlerkandidaten der Union.
Auch was die Parteienwerte insgesamt angeht – bundesweit wohlgemerkt – hat sich dieses Bild verfestigt. Die SPD steht in Umfragen so gut da wie seit Jahren nicht, die Union fährt unbekannte Tiefstwerte ein, während die Grünen ihre Zustimmungswerte seit Mai geradezu halbiert haben.
[Alle Ergebnisse vom ARD-Deutschlandtrand finden Sie bei tagesschau.de]
Aber heißt das etwas für den Wahlkreis 61? Vor vier Jahren gewann hier knapp die Kandidatin der SPD, Manja Schüle. Während ihre Partei mit einigem Abstand auf dem zweiten Platz und nur knapp vor der Partei Die Linke landete. Die meisten Zweitstimmen gingen damals an die CDU. Und deren Kandidatin, Saskia Ludwig, die 2017 knapp scheiterte, tritt nun erneut an.
Annalena Baerbock tritt hier zum dritten Mal an. Bei der vergangenen Bundestagswahl erhielt sie hier nur acht Prozent der Erststimmen, 2013 erhielt sie lediglich 7,2 Prozent. Vieles hat sich seither geändert, vor allem, dass Baerbock mittlerweile keine Hinterbänklerin im Bundestag mehr ist, sondern das Gesicht der Grünen. Einer Partei, die nach vor die Emotionen der Menschen anspricht, wie kaum eine zweite - im Guten wie im Schlechten.
Mit Linda Teuteberg (FDP) und Norbert Müller (Die Linke) stehen hier zwei weitere auf dem Wahlzettel, die lange Erfahrung als Bundestagsabgeordnete haben und in ihrem Wahlkreis bekannt sind. Im Anblick dieser Politikprominenz verblassen die AfD und ihr Kandidat Tim Krause regelrecht.
Einst war dieser Wahlkreis Stammgebiet der Sozialdemokraten. Von 1990 bis 2005 holte das Direktmandat jedes Mal Markus Meckel für die SPD. Eine sechste Amtszeit verhinderte 2009 Sabine Stüber (Die Linke), die aber vier Jahre später den Kürzeren gegen Jens Koeppen von der CDU zog. Nun will Koeppen zum dritten Mal die meisten Erststimmen holen. Ob ihm das gelingt?
Eins scheint hier heute schon klar: Grüne und FDP werden es schwer haben. Mindestlohn, Wirtschaftsförderung, Rente, Pflege und Windenergie sind Themen, die die Menschen hier besonders beschäftigen. Beide Parteien haben sich hier in der Vergangenheit jedoch sehr schwer getan.
Zwischen den übrigen Kandidaten und Kandidatinnen von AfD (Hannes Gnauck), SPD (Stefan Zierke), Die Linke (Isabelle Czok-Alm) sowie eben CDU-Mann Koeppen könnte die Wahlnacht auf einen Vierkampf hinauslaufen.
Beitrag von Oliver Noffke
Artikel im mobilen Angebot lesen