Wahlpannen
Das Chaos am 26. September in Berlin hat auch die Bundestagswahl nicht verschont. Jetzt meldet der Wahlprüfungsausschuss des Bundestags 2.106 Einsprüche - so viele wie noch nie. 90 Prozent stammen aus Berlin. Von G.-S. Russew und H. Stumpf
Wahlpannen hinterließen den Eindruck eines chaotischen Wahlsonntags in Berlin. Zwar ist das Desaster schon vier Monate her. Dennoch geht es weiter mit schlechten Nachrichten. Dieses Mal kommen sie aus dem Wahlprüfungsausschusses des Bundestags [bundestag.de].
Wie die Vorsitzende Daniela Ludwig (CSU) jetzt dem ARD-Hauptstadtstudio sagte, seien mittlerweile 2.106 Einsprüche gegen die Bundestagswahl bei ihr eingetroffen. "Bei der letzten Bundestagswahl 2017 hatten wir gerade 275. Das ist schon eine enorme Steigerung." Fast 90 Prozent der Einsprüche kämen aus Berlin selbst - eine ganze Einspruchswelle, ergänzte Ludwig. Der "Buisness-Insider" berichtete zuerst.
Nach der Wahl zum Bundestag, zum Berliner Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordneten- versammlungen am 26. September hatten sich Berichte über fehlende oder falsche Stimmzettel, mögliche Auszählungs- und andere Pannen gehäuft.
Hinzu kam, dass sich den ganzen Tag über lange Schlangen vor Wahllokalen bildeten. Zum Teil gaben Wähler noch weit nach offizieller Schließung der Lokale ihre Stimmen ab. In der Folge trat die Berliner Landeswahlleiterin Claudia Michaelis von ihrem Amt zurück. Gegen die Ergebnisse bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus am 26. September in Berlin haben die Landeswahlleitung und die Innenverwaltung Einspruch beim Berliner Verfassungsgerichtshof eingelegt.
Zudem hatte Bundeswahlleiter Georg Thiel nach den Pannen selbst Einspruch gegen das Bundestagswahlergebnis in der Hauptstadt eingelegt. Nach Daniela Ludwigs Angaben sei er auch der prominenteste Vertreter. "Er hat bei sechs Berliner Wahlkreisen Einspruch eingelegt", erklärte sie.
Da sei es zum einen darum gegangen, dass die falschen Wahlunterlagen im falschen Wahllokal ausgegeben wurden, dass bei Öffnung der Wahllokale keine Wahlunterlagen zur Verfügung standen. Zudem habe er moniert, dass Wahllokale zwischendurch wieder geschlossen werden mussten, weil die Wahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden konnte. Es habe falsche Listen gegeben. "Es ist das ganz breite Spektrum, was bei einer Wahl passieren kann, aber nie passieren sollte. Und das ist ehrlicherweise schon besorgniserregend", so Ludwig.
Im Wahlprüfungsausschuss habe die CSU-Politikerin angeregt, sich mit dem Einspruch des Bundeswahlleiters separat zu beschäftigen. "Denn die Bevölkerung hat auch ein Anrecht darauf zu sehen, dass sich der Bundestag nicht nur nach Aktenlage mit diesen Einsprüchen beschäftigt, sondern das auch transparent aufarbeitet", so die 46-Jährige weiter.
Generell werden alle Einsprüche gesichtet. Es erfolge eine Priorisierung, welche Einsprüche zuerst überprüft werden müssen, "das heißt, dort, wo wir intern den Eindruck bekommen, dass der Einspruch mandatsrelevant werden könnte, wo entweder neu ausgezählt oder sogar neu gewählt werden müsste". Diese Dinge würden so schnell wie möglich bearbeitet. Als Zielrichtung gab Ludwig vor, dass alles allerspätestens bis Ende 2022 abgearbeitet sein soll. Im März soll es losgehen.
Ob stichhaltige Einsprüche mit ersthaften Konsquenzen vorliegen, dieser Prüfung möchte sie nicht vorweggreifen. "Also wenn wir dem Bundeswahlleiter folgen, geht er in der Tat davon aus, dass es mandatsrelevant werden könnte", betonte sie.
Beitrag von G.-S. Russew und H. Stumpf
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