Reaktionen auf Bundestagswahl
Knapp ist es: Union und SPD liegen derzeit quasi gleichauf mit, das Ergebnis wird aber höchst unterschiedlich aufgenommen: Im Willy-Brandt-Haus Jubel und Konrad-Adenauer-Haus raunen. Regieren wollen sie aber alle – auch die Grünen und die FDP.
Es wird ein Kopf an Kopf Rennen, aber die SPD scheint doch die Nase vorn zu haben. Die Sozialdemokraten liegt mit 25,5 Prozent der Stimmen aber nur knapp vor der Union mit 24,5 Prozent. Nicht nur deswegen könnte die Stimmung zwischen Willy-Brandt-Haus und Konrad-Adenauer-Haus nicht unterschiedlicher sein. Jubel auf der einen, bedrückte Gesichter auf der anderen - regieren möchten beide trotzdem.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat seinen Anspruch, eine künftige Bundesregierung unter Führung der Sozialdemokraten zu bilden, bekräftigt. "Ich bin froh und ich bin auch sehr dankbar für das Votum der Wählerinnen und Wähler. Denn es sind ja die Bürgerinnen und Bürger, die entschieden haben, dass die SPD hier einen Auftrag kriegt, eine Regierung zu bilden", sagte Scholz am Sonntagabend nach den ersten Hochrechnungen zur Bundestagswahl. Die Bürger hätten mit ihrer Wahl gezeigt, dass sie "wollen, dass ich versuche, eine Regierung zustande zu bringen", sagte Scholz weiter.
Er sehe für sich den Auftrag, "eine gute pragmatische Regierung für Deutschland zustandezukriegen", sagte Scholz am Sonntagabend in der "Berliner Runde" von ARD und ZDF.
CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet zeigte sich in einem ersten Statement enttäuscht: "Mit dem Ergebnis können wir nicht zufrieden sein." Trotzdem werde man alles daran setzen, eine Bundesregierung unter Führung der Union zu bilden.
An Laschets Seite diesmal Markus Söder (CSU). Der Ministerpräsident des Freistaates Bayern reiste extra nach Berlin, statt mit seinen eigenen Leuten in München den Wahlabend zu verbringen: Er wollte in diesem Moment nah dran sein an den wichtigen Gesprächen. Mit dem Kopf-an-Kopf-Rennen von Union und SPD besteht zumindest noch die Chance, dass Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet eine Regierung zu bilden versuchen kann. Bei diesem Versuch will Söder mitmischen - er wolle mit Laschet ein "Bündnis der Vernunft" aushandeln, sagte er.
CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sprach im ARD-Wahlstudio von "bitteren Verlusten", die man nicht schönreden dürfe und die aufgearbeitet werden müssten. Trotz des schwachen Abschneidens will die Union laut Ziemak aber eine unionsgeführte Regierung ausloten.
Die Grünen wollen auch in die Regierung – ohne sie wird wohl keine Bundesregierung gebildet werden. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock räumte in ihrer ersten Reaktion Fehler ein. Diese habe es in der Kampagne gegeben, aber auch bei ihr selbst. "Wir wollten mehr, das haben wir nicht erreicht", sagte sie bei der Wahlparty der Grünen. "Diesmal hat es noch nicht gereicht, aber wir haben einen Auftrag für die Zukunft", sagte Baerbock. Das Land brauche Erneuerung und Aufbruch und eine "Klimaregierung".
Grünen-Ko-Chef Robert Habeck zeigte sich sowohl für ein Ampel-Bündnis als auch für eine Jamaika-Koalition offen. Ein Bündnis mit SPD und der FDP "kann gelingen, schließt aber Jamaika-Gespräche aber auch nicht aus", sagte Habeck in der ARD.
Auch FDP-Chef Christian Lindner hielt sich nach der Bundestagswahl alle Optionen für eine Beteiligung an einer künftigen Regierungskoalition offen. "Demokratische Parteien sollten nie ausschließen zu reden", sagte Lindner im ZDF. "Die größten inhaltlichen Übereinstimmungen" sehe er aber mit der Union und nicht mit der SPD.
Ans Regieren kann Die Linke nach den Prognosen wohl nicht mehr denken. Der Co-Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, sprach im ARD-Wahlstudio von einem enttäuschenden Abend. "Es gilt daraus Schlussfolgerungen zu ziehen", fügt er hinzu. Er gehe davon aus, dass die Linke im Bundestag weiter in Fraktionsstärke vertreten sein werde. Die Partei sei nicht mehr die Interessenvertretung Ostdeutschlands, auch wenn dies ihr Anspruch sei: "Die Zahlen sprechen da eine ganz klare Sprache." Linken-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow äußerte sich enttäuscht.
Die AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel sieht sich durch das Ergebnis der Bundestagswahl in ihrem Kurs bestätigt. "Den ganzen Unkenrufen zum Trotz" sei ihre Partei diesen Sonntag nicht aus dem Bundestag herausgewählt worden, sondern habe "ein sehr solides Ergebnis eingefahren", sagte Weidel im ARD-Wahlstudio. Sie warf den Medien vor, den Wahlkampf beeinflusst zu haben. Mit-Spitzenkandidat Tino Chrupalla bezeichnete es als "sehr positiv", dass die CDU "abgestraft" worden sei.
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