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Video: rbb24 Abendschau | 24.01.2024 | F. Hoppen | Quelle: rbb

Erneuter Bundestagswahlkampf

Klinken putzen für die Wiederholungswahl

Die Vorbereitungen für die Teilwiederholung der Bundestagswahl laufen auf Hochtouren, die Parteien buhlen auf den Straßen Berlins um jede Stimme. Für die Wählerinnen und Wähler zählen mittlerweile andere Themen als vor zwei Jahren. Von Franziska Hoppen

Egal, auf welche Klingel Maximilian Schirmer drückt, die Tür zum Pankower Mehrfamilienhaus, vor dem er steht, bleibt verschlossen. "Ja?" knistert es nach sechs oder sieben Versuchen aus der Gegensprechanlage. "Schönen guten Tag", spricht Schirmer freundlich hinein: "Die Linken auf der Tour durch die Nachbarschaft. Könnten wir rein?" Schweigen am anderen Ende. "Die Linken?" "Ja", antwortet Schirmer. "Und was wollt ihr?" "Über Politik reden. Kannst du uns reinlassen?" "Nee, mache ich nicht." Aufgelegt.

Wahlkreise, Direktmandate, Listenplätze

So kann sich die Berliner Wiederholungswahl auf den Bundestag auswirken

Für die politischen Mehrheiten im Deutschen Bundestag ist die Berliner Wiederholungswahl schon rechnerisch kaum von Gewicht. Aber für einzelne Abgeordnete kann die Wahl sehr wohl einen Unterschied machen. Eine Analyse von Christoph Reinhardt.

Nicht die Anzahl der Gespräche zähle, macht sich der Co-Chef der Berliner Linken Mut, sondern dass man die Menschen wirklich erreiche. Natürlich geht es Schirmer auch um Stimmen bei der anstehenden Teilwiederholung der Bundestagswahl. In Pankow vor allem um Zweitstimmen, denn Chancen auf ein Direktmandat haben die Linken hier kaum. Aber Schirmer sagt, es gehe um noch mehr: "Es ist jetzt eine Möglichkeit, Verantwortung für die Demokratie zu übernehmen. An einem Zeitpunkt, wo antidemokratische Kräfte sich im Geheimen treffen und überlegen, wie sie an der Demokratie das Beil anlegen, müssen Demokraten zusammenstehen."

Andere Themen im Fokus

Irgendwann macht ihm dann auch jemand auf. Eine junge Frau mit Kopftuch öffnet sogar ihre Wohnungstür. Sie frage sich, wie lange sie noch geduldet werde von der Gesellschaft, sagt sie. Der Rechtsruck sei spürbar. Schirmer macht sich Notizen. Auch, als seine Partei kritisiert wird: Wofür stehe Die Linke noch, nach der Gründung des Bündnis Sahra Wagenknecht, will die junge Frau wissen. Zweieinhalb Jahre nach der verpatzten Bundestagswahl in Berlin zählen für die Wählerinnen und Wähler eben auch andere Themen als damals.

FDP muss Aufklärungsarbeit leisten

Währenddessen muss die FDP in Wilmersdorf erst noch Aufklärungsarbeit leisten. Ihren Stand mit den gelben Flyern, die der Wind immer wieder quer über den Bürgersteig weht, haben sie an der Nassauischen Straße aufgebaut. Dort darf aber nur die linke Seite neu wählen, die rechte nicht. "Da kommen dann auch so Fragen wie: Sind denn auf der einen Seite die schlaueren Wähler als auf der anderen?", berichtet Johannes Heine. Dabei haben die Fehler 2021 gar nicht die Wählenden gemacht.

Wahl-Chaos in Berlin

In diesen Wahlbezirken muss die Bundestagswahl wiederholt werden

Wegen zahlreicher Pannen bei den Wahlen 2021 in Berlin muss die Bundestagswahl am Sonntag in 455 Stimmbezirken der Hauptstadt wiederholt werden. rbb|24 zeigt in einer interaktiven Karte, welche Wahlbezirke betroffen sind.

Stimmung so schlecht wie das Wetter

Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Lars Lindemann verteilt Giveaways, dick eingepackt in seine Winterjacke. Wilmersdorf ist eine von vielen Stationen in seinem Terminkalender. Viel Aufwand dafür, dass das Berliner Wahlergebnis - mit seinen verhältnismäßig wenigen Stimmen - am Kräfteverhältnis im Bundestag nichts ändern wird. Und viel Kritik, die Lindemann, stellvertretend für die Regierungsarbeit der Ampel, von Passanten einstecken muss. "Ach, wissen Sie, die Politiker, die können sie alle in die Pfeife rauchen", schimpft ein älterer Herr. Lindemann nickt. "Alle?" "Alle!", bekräftigt der Herr: "Ich fühle mich von denen ständig verarscht." Das Argument, seine Stimme zähle auch diesmal, scheint ihn nicht zu überzeugen. Vielleicht auch, weil es schon das dritte Mal ist, dass er innerhalb von drei Jahren zur Urne muss.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die Wahl zu wiederholen, sei zu spät gekommen, sagt Lindemann. "Viele würden heute anders wählen als vor zwei Jahren." Das Wahlergebnis in Wilmersdorf von 2021 werde die FDP diesmal wohl nicht mehr erreichen, gibt der Abgeordnete zu Bedenken. "Aber ich hoffe, dass wir nah drankommen."

AfD in Französisch Buchholz unterwegs

In Französisch Buchholz meint die AfD schon Anzeichen für eine "blaue Welle" zu sehen. Laut hupend fährt ein Auto an Götz Frömming vorbei. Der Bundestagsabgeordnete - mit Leiter unter dem Arm - triumphiert: "Brandenburger Kennzeichen. Das war Zustimmung." AfD-Pressesprecher Ronald Gläser trägt die Plakate mit Frömmings Konterfei. Eigentlich lächelt der Gymnasiallehrer schon von vielen Pankower Laternen. Doch oft würden sie herunter gerissen. Auch Angriffe auf Wahlkreisbüros und gegen Mitarbeitende habe es gegeben.

Vorwürfe, dass Mitglieder seiner Partei mit Rechtsextremisten über die Deportation von hunderttausenden Menschen diskutiert haben sollen, weist Frömming zurück. Der Bundestagsabgeordnete empfindet die derzeitige Debatte über die Nähe von AfDlern zu Rechtsextremisten als Propaganda. "Ich glaube, viele Bürger durchschauen dieses Staatsschauspiel sehr gut", sagt Frömming. "Gerade hier im Ostteil der Stadt. Aber wir stellen natürlich auch klar, dass wir nach wie vor gemäß unserer Programmatik auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und zu Rechtsstaat und Demokratie stehen." Es gebe keinerlei Nähe zu "Rechtsextremismus wie er sonst immer definiert wird", so Frömming weiter.

Bundesverfassungsgericht

Bundestagswahl wird am 11. Februar in 455 Berliner Wahlbezirken wiederholt

Wegen zahlreicher Pannen muss die Bundestagswahl 2021 in Berlin teilweise wiederholt werden. Das hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag in Karlsruhe entschieden. Die Wiederholungswahl findet am 11. Februar statt.

Der Verfassungsschutz stuft die AfD in Teilen als gesichert rechtsextremistisch ein. Die Einkaufenden vor einem Supermarkt, an dem Frömming seinen Wahlkampf macht, scheint das nicht zu stören. Augenzwinkernd nimmt ein älterer Herr die Wahlwerbung entgegen. Ein anderer bleibt interessiert stehen. "Schlimm genug, was über die AfD gesagt wird, sehr negativ", findet er. "Wird wahrscheinlich so kommen, dass man wieder in diese Richtung wählt."

Frömming ist durch den Zuspruch selbstsicher. 2021 kam die AfD in Pankow nur auf 9 Prozent. Diesmal sieht der Abgeordnete sogar die Chance, die Grünen als stärkste Kraft abzulösen und ein Direktmandat zu holen. Was wirklich passiert, wird man erst am 11. Februar wissen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.01.2024, 13:00 Uhr

Beitrag von Franziska Hoppen

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