Teilwiederholung der Bundestagswahl
Die Bundestagswahl von 2021 wird in Berlin teils wiederholt. Es müsse nun für eine hohe Wahlbeteiligung geworben werden, hieß es in ersten Reaktionen. Auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner zeigt Respekt vor der Aufgabe.
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sieht der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) die angeordnete Wahlwiederholung als "große Kraftanstrengung" für Berlin. Er habe jedoch volles Vertrauen in Landeswahlleiter Stephan Bröchler, dass die teilweise Wiederholung der Bundestagswahl reibungslos ablaufen werde, erklärte der CDU-Politiker am Dienstag nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Er rufe nun alle Berlinerinnen und Berliner in den betroffenen Wahlbezirken dazu auf, zur Wahl zu gehen.
Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag muss die Bundestagswahl von 2021 wegen zahlreicher Pannen in etwas mehr als einem Fünftel der Berliner Wahlbezirke wiederholt werden. Dabei sollen sowohl Erst- als auch Zweitstimmen neu abgegeben werden. Es ging damit leicht über einen solchen Bundestagsbeschluss hinaus. Die Teilwiederholung soll am 11. Februar stattfinden.
Auch nach Einschätzung von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) ist Berlin gut auf die angeordnete teilweise Wiederholung vorbereitet: "Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts schafft Rechts- und Planungssicherheit", sagte die SPD-Politikerin am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Landeswahlleiter Bröchler habe sich bereits im Vorfeld des Urteils gemeinsam mit den Bezirken zusammengesetzt und die Planungen in die Wege geleitet.
"Eine Wiederholungswahl in der Kürze der Zeit auf die Beine zu stellen, ist eine große Herausforderung", so Spranger. Berlin habe bereits bei der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus gezeigt, "dass es ordnungsgemäße Wahlen organisieren kann".
Grüne und FDP halten es allerdings für eine schwierige Aufgabe, möglichst viele Menschen zur Teilnahme zu bewegen. "Bei einer Wiederholung der Wahl mitten in der Legislaturperiode wird es für alle Parteien eine Herausforderung, die Wahlberechtigten zum Urnengang zu mobilisieren", erklärten die Landesvorsitzenden der Grünen, Nina Stahr und Philmon Ghirmai, am Dienstag. "Aber gerade in Zeiten der sich zuspitzenden Krisen und wachsender Zustimmung für Rechtspopulismus gilt es Haltung zu zeigen und wählen zu gehen", hieß es.
"Es ist gut, dass jetzt Rechtsklarheit besteht, auch wenn die Wahlwiederholung 29 Monate nach der Bundestagswahl sicherlich zu Verzerrungen führen wird", betonte der FDP-Landesvorsitzende Christoph Meyer. Wichtig sei jetzt dennoch, dass alle politischen Akteure in Berlin für eine möglichst hohe Wahlbeteiligung am voraussichtlichen Wahltermin im Februar werben.
Auch die AfD-Landes- und -Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker bewertete das Karlsruher Urteil positiv. "In einer funktionierenden Demokratie müssen Wahlergebnisse frei von jedem Zweifel über ihr Zustandekommen sein", erklärte sie.
Da eine Wahlwiederholung spätestens 60 Tage nach dem Urteilsspruch stattfinden muss, hat Landeswahlleiter Bröchler nach dem Urteil wie erwartet den 11. Februar 2024 als Termin für die Wahlwiederholung festgelegt. Bröchler bezeichnete im Vorfeld dieses Datum gegenüber dem rbb als "nicht das günstigste", da an diesem Tag die Winterferien in Berlin zu Ende gehen. Das sei gerade mit Blick auf die Suche nach Wahlhelfenden schwierig, denn auch von denen "werden einige mit ihren Familien in den Urlaub fahren", so Bröchler.
Die SPD-Landesvorsitzende Franziska Giffey kündigte am Dienstag einen "kurzen, aber intensiven" Wahlkampf an. "Als SPD Berlin haben wir den nun anstehenden Wahlkampf in den vergangenen Wochen bereits vorbereitet", erklärte sie am Dienstag. "Das Ziel aller demokratischen Parteien muss es sein, sich für eine möglichst hohe Wahlbeteiligung einzusetzen, damit Berlin im Bundestag keine Stimmen verliert", so Giffey, die im schwarz-roten Senat Wirtschaftssenatorin ist. "Deshalb bitten wir alle Berlinerinnen und Berliner, die von der Wiederholung der Wahl betroffen sind: Nehmen Sie Ihr Wahlrecht wahr, geben Sie Ihre Stimme einer demokratischen Partei."
Vertreter aller Parteien im Bundestag begrüßten, dass nun Klarheit herrsche. Nur die AfD kommentierte: "Für uns steht fest, dass nur eine vollständige Wiederholung die massiven Mängel des Wahltags beheben kann."
Insbesondere die Linke äußerte sich erleichtert. "Mit dem Urteil ist klar, dass wir im Bundestag bleiben und unsere Aufgabe als soziale Opposition weiter wahrnehmen werden", sagte der frühere Fraktionschef Dietmar Bartsch.
Aus Sicht von SPD-Chefin Saskia Esken stärkt das Urteil das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler in die Bedeutung ihrer Stimme. Es müsse gewährleistet sein, dass so eine Wahl ohne Fehler ablaufe und richtig ausgezählt werde, sagte sie. Die Bundestagsabgeordneten Till Steffen (Grüne) und Patrick Schnieder (CDU) brachten in Karlsruhe eine Reform der Abläufe ins Gespräch. Das zweistufige Verfahren, in dem zunächst der Bundestag und erst danach das Verfassungsgericht eine Wahl prüft, dauere zu lang.
Die CDU kündigte unterdessen an, die Teilwiederholung zu einer Abstimmung über den Kurs der Koalition aus SPD, Grünen und FDP machen zu wollen. "Wir möchten der Ampel-Regierung ein Stoppschild zeigen, dass das so nicht weitergehen kann", sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Deutschland könne nicht zwei Jahre in dieser Form weiter regiert werden. "Die Berlinerinnen und Berliner haben jetzt die Chance, dieses auch deutlich zu machen."
Bei der Wahl am 26. September 2021 hatten sich vor vielen Berliner Wahllokalen lange Schlangen gebildet, weil Stimmzettel fehlten, es nur wenige Wahlkabinen gab oder das Wahllokal zwischendurch sogar geschlossen wurde. Manche Wahllokale blieben in der Folge wiederum deutlich länger als 18.00 Uhr geöffnet - und Menschen gaben ihre Stimmen ab, als schon die ersten Prognosen veröffentlicht wurden.
Berlinerinnen und Berliner wählten an dem Tag nicht nur einen neuen Bundestag, sondern auch ein neues Landesparlament - das Abgeordnetenhaus - sowie neue Bezirksverordnetenversammlungen und stimmten außerdem in einem Volksentscheid ab. Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und für die Bezirke mussten am 12. Februar 2023 komplett wiederholt werden. Die CDU löste dabei die SPD als stärkste Kraft im Land ab und führt seitdem die Landesregierung.
Sendung: rbb24 spezial, 19.12.23, 20:15 Uhr
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