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Video: Abendschau | 06.09.2017 | Boris Hermel | Quelle: picture alliance

Tegel-Serie | Juristische Voraussetzungen für Weiterbetrieb

Gutachten: BER-Eröffnung führt zwingend zu Tegel-Schließung

Auch wenn der Berliner Senat ein Verfahren zur Offenhaltung Tegels beginnen würde, könnte der Flughafen nur bis zur Eröffnung des BER weiterbetrieben werden. Diesen Schluss zieht ein neues Rechtsgutachten der Kanzlei Geulen & Klinger. Von Tina Friedrich

Nach Einschätzung des Verwaltungsrechtsexperten Reiner Geulen muss der Berliner Flughafen Tegel zwingend geschlossen werden, wenn der neue Airport BER in Betrieb geht. Ein mögliches Verfahren zur Offenhaltung des alten Flughafens könne das nicht verhindern, heißt es in einem Gutachten für die Senatsverwaltung für Justiz, das am Mittwoch im Roten Rathaus präsentiert wurde.

Reaktionen

FDP kritisiert Gutachten, Grüne loben

Die Berliner FDP-Fraktion hält trotz des neuen Gutachtens an ihrer Forderung fest, den Flughafen Tegel offen zu halten. Der Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Sebastian Czaja, sagte, das Gutachten sei nicht schlüssig. Es scheine durchaus möglich, Tegel weiter zu betreiben. Der BER werde die Luftverkehrsnachfrage in der Region nicht abdecken. Dagegen sagte der Verkehrsexperte der Grünen, Harald Moritz, das Gutachten beweise, dass die rechtlichen Hürden zu hoch seien.

Geulen: Weiterbetrieb nur theoretisch möglich

Das Gutachten ist in einer hoch umstrittenen Frage sehr klar: Der Senat könne zwar beschließen, sich für den Weiterbetrieb von Tegel einzusetzen. Doch das hätte ein neues Verwaltungsverfahren zur Folge, das Geulens Erfahrung nach drei bis acht Jahre dauern könnte. Der wesentliche Punkt ist jedoch: Dieses Verfahren hätte nach Geulens Einschätzung keine aufschiebende Wirkung für den Beschluss, Tegel mit der Inbetriebnahme des BER zu schließen.

Heißt: Wenn innerhalb der Zeit, die das Verwaltungsverfahren in Anspruch nimmt, der BER eröffnet, dann muss Tegel schließen, ganz egal, ob sich der Senat für seine Offenhaltung ausspricht oder nicht. Das sei geltendes Recht. Das bedeutet aber auch: So lange der BER noch nicht eröffnet ist, bleibt die theoretische Möglichkeit, ein Verfahren zur Offenhaltung des Flughafens abzuschließen.

Geulen argumentiert seine Einschätzung mit dem Bestandsschutz. Danach würde der Widerruf der Betriebsgenehmigung für den Flughafen Tegel, die der Senat 2004 beschlossen hat, so lange gültig bleiben, bis ein Verfahren zum Widerruf dieses Widerrufs durch alle Instanzen gegangen ist.

Download

Das Gutachten von Reiner Geulen steht auf der Seite der Senatsverwaltung für Justiz zum Download bereit [pdf, 243kB]

Drei K.O.-Kriterien gegen den Weiterbetrieb

Nach Ansicht des Juristen hätte aber ein Verfahren für einen Weiterbetrieb ohnehin keine Chance. Er nennt drei "K.O.-Kriterien".

Zunächst wären für eine Wiedereröffnung von Tegel neue langwierige Planungsverfahren notwendig. Denn mit dem Schließungsbescheid für Tegel aus dem Jahr 2004 sei der alte Flughafen aus juristischer Sicht bereits geschlossen - wollte man diesen Beschluss rückgängig machen, trete keineswegs einfach der bisherige Rechtszustand wieder ein. Sondern die Interessen aller Beteiligten, also auch der Anwohner, müssten angehört und abgewogen werden. Ein innerstädtischer Flughafen würde unter Berücksichtigung der Lärmbelastung und des Sicherheitsrisikos aber nach heutigen Maßstäben nicht genehmigt werden.  

Änderung der Landesplanung als Bedingung unumstritten

Das zweite Argument Geulens gegen einen Weiterbetrieb Tegels ist, dass dafür zunächst der gemeinsame Landesentwicklungsplan Berlin-Brandenburg geändert werden müsste. Darin steht bisher das Ziel festgeschrieben, nur einen einzigen Flughafen in der Region zu betreiben. Dass dieses Ziel in einem ersten Schritt geändert werden müsste, wird von keinem Juristen bestritten. Die gemeinsame Landesplanung muss aber von Berlin und Brandenburg gemeinsam geändert werden. Brandenburg lehnt das ab.

Darüber hinaus steht das Single-Airport-Konzept auch im Konsensbeschluss der drei Gesellschafter der Flughafengesellschaft Bund, Berlin und Brandenburg aus dem Jahr 1996. 

Flugrouten nicht für Parallelbetrieb geplant

Das dritte und bisher selten vorgebrachte Argument Geulens gegen einen Parallelbetrieb von Tegel und BER sind die Flugrouten. Diese müssten für beide Flughäfen neu berechnet werden. Denn die Flugrouten rund um den BER sind unter der Bedingung entstanden, dass es keine Flüge von Tegel gibt. Sie zu verändern würde nach Ansichts Geulens jahrelange Verfahren nach sich ziehen - und auch die Flugrouten des BER müssten dann neu genehmigt werden.

Dass BER und Tegel ohnehin sechs Monate parallel betrieben würden, ist übrigens nur eine theoretische Möglichkeit. Faktisch habe niemand vor, die beiden Flughäfen gleichzeitig zu betreiben, betonte Geulen. Nach seiner Ansicht ist also der erste Betriebstag des BER definitiv auch der letzte Betriebstag des Flughafens Tegel.

weitere Rechtsgutachten zu Tegel

Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages (2013)

Wissenschaftlicher Parlamentsdienst des Berliner Abgeordnetenhauses (2013)

Frontier Economics im Auftrag von Ryanair (2017)

Karsten Sommer im Auftrag des BUND für Umwelt und Naturschutz (2017)

mit Informationen von Holger Hansen, Thomas Rautenberg und Boris Hermel

Sendung: Abendschau, 06.09.2017, 19:30 Uhr

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