Künstliche Industriechemikalie - Hohe Konzentration von PFAS in der Spree nachgewiesen
PFAS sind wasser- und fettabweisende Chemikalien und werden daher zum Beispiel für Regenjacken oder Teflonpfannen genutzt. Doch PFAS sind auch besonders langlebig und reichern sich gefährlich an. Auch in der Spree, wie jetzt festgestellt wurde.
Die Berliner Spree ist an einigen Stellen erheblich mit der Industriechemikalie PFAS belastet. Das hat ein Recherchekollektiv von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" herausgefunden. Über 8.000 Nanogramm PFAS wurden in der Spree nachgewiesen.
In einer neuen Verordnung, die der Bundesrat kürzlich auf den Weg gebracht hat, müssen Versorger ab 2026 sicherstellen, dass in Trinkwasser der Wert von 20 PFAS-Stoffe in der Summe nicht 100 Nanogramm pro Liter überschreiten darf. Für die vier bedenklichsten PFAS ist ab 2028 sogar ein Höchstwert von 20 Nanogramm pro Liter vorgesehen. [tagesschau.de]
PFAS steht für “per- and polyfluoroalkyl substances” (per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) und wird als Sammelbegriff für eine Gruppe synthetischer Chemikalien verwendet. Sie werden zum Beispiel für wasserabweisende Textilien benötigt oder zur Herstellung von schmutz- oder wasserabweisenden Papieren. Auch in Feuerlöschschaum kommen sie vor.
Problematisch ist die Entsorgung: PFAS bauen sich nur langsam ab und werden deshalb auch "Ewigkeits-Chemikalien" genannt. Reichern sie sich zum Beispiel im Körper an, können sie gefährlich werden. Einige PFAS-Verbindungen machen nachweislich krank, bei anderen sind die Auswirkungen noch nicht bekannt [umweltbundesamt.de].
PFAS schon in Muttermilch nachgewiesen - genau Folgen noch nicht vollumfänglich klar
Ein konkrete, unmittelbare Gefahr stellt die Spree für die Berliner laut Dorothee Saar von der Deutschen Umwelthilfe vorerst nicht dar. Kaum jemand würde bisher in der Spree baden gehen oder deren Wasser trinken, sagt sie. "Aber über das Wasser gerät es auch in die Fische. Und so geraten diese Stoffe in unseren menschlichen Körper und lagern sich dann ab", sagt sie. Mittlerweile wurden PFAS selbst in Muttermilch nachgewiesen.
Die genauen Folgen sind noch nicht vollständig erforscht. Laut Dorothee Saar sehen Experten Hinweise darauf, dass PFAS mit erhöhten Cholesterinwerten und Schäden an der Leber, den Nieren oder an der Schilddrüse in Zusammenhang steht. Auch könnten PFAS möglicherweise frühzeitige Geburten auslösen.
Senat: Kläranlagen in Spreenähe eine der Ursachen
Ursache für die hohen Konzantrationen sind laut der Senatsverwaltung kommunale Kläranlagen, die Abwasser in die Spree leiten. Die Recherchen von NDR, WDR und "SZ" lassen außerdem vermuten: Es könnte an Unternehmen oder Entsorgungsbetrieben liegen, die in der Nähe der Spree mit PFAS arbeiten. Laut Dorothee Saar gibt es auch einzelne Auslöser - wenn es zum Beispiel zu Vorfällen im unmittelbaren Umfeld von Chemieunternehmen kommt. "Ansonsten erfolgt diese Anreicherung vor allem darüber, dass entweder bei der Herstellung oder bei der Entsorgung von Produkten, in denen PFAS verwendet werden, diese Stoffe freigesetzt werden und sie sich in der Atmosphäre schnell aufspalten und dann eben in Wasser und Boden niederschlagen", sagt Dorothee Saar.
Umfassende Auswertung erst Mitte des Jahres
Offiziell von den Behörden bestätigte Fälle gibt es an sechs Orten in Berlin: Neben der Spree noch bei der General-Steinhoff-Kaserne in Kladow, am Flughafen Tempelhof, in Schmöckwitz, am Teltowkanal und am Flughafen Tegel. Dort wird seit September das Grundwasser unter großem Aufwand mit einer speziellen Pumpe von den PFAS gereinigt.
Es könnte auch sein, dass das Grundwasser noch an mehr Stellen in Berlin verunreinigt ist. Eine systematische und umfassende Auswertung von PFAS im Grundwasser liegt der Senatsverwaltung für Umwelt zufolge aber erst Mitte dieses Jahres vor.
Sendung: rbb24 Abendschau, 01.04.23, 19:30 Uhr