Sanierungsstau an Berliner Hochschulen - Es tropft und bröckelt an mehreren Berliner Unis

Mi 21.06.23 | 11:30 Uhr
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Symbolbild: Hauptgebäude der Technischen Universität Berlin TU, Straße des 17. Juni, Charlottenburg. (Quelle: dpa/Schoening)
Video: rbb24 Abendschau | 20.06.2023 | N. Akbayir | Bild: dpa/Schoening

Schon wieder ein Wasserschaden an der TU: Erst musste ein Mathe-Gebäude geschlossen werden, nun lief Wasser in Chemie-Räume. Die Uni ist mit baulichen Problemen kein Einzelfall. Auch an anderen fehlt Geld zum Sanieren. Von Yasser Speck

Das Chemie-Gebäude der Technischen Universität (TU) in Berlin ist seit knapp 140 Jahren in Benutzung und seit den 1990ern nicht mehr saniert worden. Als am 19. Juni ein marodes Wasserrohr bricht, sorgt dies für einen enormen Wasserschaden. 19 Räume müssen gesperrt werden, ein Seminarraum wird komplett zerstört. Die Decke des Raums kann die Wassermenge nicht tragen und bricht ein.

Zwei Wasserschäden in nur wenigen Tagen

Es ist der zweite große Bauschaden innerhalb weniger Tage: Schon am 15. Juni meldet die TU, dass das gesamte Mathematik-Gebäude geschlossen werden muss. "Mitte April 2023 wurde mutwillig ein massiver Wasserschaden herbeigeführt", schreibt die TU in einer Pressemitteilung. Es sei zwar Vandalismus, aber die Schließung hätte verhindert werden können, sagt TU-Sprecherin Steffi Terp. "Wäre dieses Haus saniert worden, wäre der Schaden nicht so groß, wie er momentan ist."

"Unter den Studierenden hat sich schon Galgenhumor breitgemacht", sagt Gabriel Tiedje, Student an der TU und hochschulpolitischer Referent vom Asta. Sie würden darüber scherzen, welches Gebäude als nächstes einstürzt. "Unter den Studierenden wissen wir, dass hier irgendwas nicht ganz richtig ist", sagt Tiedje. Zum Beispiel würde es in manchen Hörsälen des Architektur-Gebäudes unangenehm riechen, weil die Lüftung kaputt sei. "Das darf es an einer Uni mit Exzellenzstatus nicht geben", stellt Tiedje fest.

Die Schäden stehen exemplarisch für die marode Bausubstanz an vielen Berliner Universitäten. "Seit der Wende wurde viel zu wenig Geld in die Infrastruktur der Berliner Universitäten gesteckt", klagt Lars Oeverdieck, Kanzler der TU. "Das macht sich irgendwann bemerkbar." An vielen Berliner Universitäten und Hochschulen würden sich die Sanierungsvorhaben stauen.

Ein Beispiel: Die TU würde das Mathe-Gebäude gerne von Grund auf sanieren. Das Sanierungsvorhaben meldet die Universität im Investitionsplan des Landes Berlin immer wieder an. Bislang ohne Erfolg. "Das machen wir seit sechs Jahren und hoffen, dass wir es endlich bekommen", sagt Oeverdieck.

Mehrere Milliarden Euro nötig

Die Schuld am maroden Zustand seiner Hochschule sieht Asta-Vertreter Gabriel Tiedje bei der Politik. "Das Land Berlin muss endlich mal in die Pötte kommen und die Gelder, die notwendig sind, in die Hand nehmen." Je länger der Senat mit den Sanierungen warte, desto teurer werde es, so der Student.

Dieser Forderung schließt sich auch der Kanzler der TU, Lars Oeverdieck, an. "Die Wissenschaftssenatorin muss jetzt beim Finanzsenator dafür kämpfen, dass die Hochschulen mehr Geld bekommen, um dem Sanierungsstau entgegenzuwirken." Allein die TU brauche 2,3 Milliarden Euro, um ihre Gebäude zu sanieren. Alle staatlichen Hochschulen Berlins würden zusammen über acht Milliarden Euro benötigen, um die geplanten Sanierungen durchzuführen, sagt Oeverdieck.

Die Situation an den Berliner Unis und Hochschulen ist kritisch.

Niels Helle-Meyer, Vizepräsident Finanzen der Humboldt-Universität Berlin

Auch an der Humboldt-Universität (HU) kommen Sanierungen nicht voran. So ist beispielsweise ein Gebäude an der Invalidenstraße 110 gesperrt. "Das Gebäude ist schadstoffbelastet und muss dringend saniert werden", erklärt Niels Helle-Meyer, Vizepräsident Haushalt der Humboldt-Universität. Die HU würde die Arbeiten auch gerne durchführen lassen - doch es fehlt das Geld vom Senat.

Als Vizepräsident Haushalt weiß Niels Helle-Meyer; wie viel Geld die HU benötigt, um den Sanierungsstau zu beheben. "In den nächsten zehn bis 15 Jahren braucht es ungefähr eine Milliarde Euro", sagt er. Allein das Gebäude an der Invalidenstraße würde rund 100 Millionen Euro kosten. "Wir brauchen neue Finanzierungsformen", fordert Helle-Meyer. Es würde alles zu lange dauern. "Die Situation an den Berliner Unis und Hochschulen ist kritisch."

Die Senatorin für Wissenschaft, Ina Czyborra (SPD), hat sich am Dienstag den Wasserschaden in der Technischen Uni angeschaut. "Diese Bilder geben uns zu denken, wie wir als Senat die Hochschulen durchsanieren können, damit solche Havarien nicht so oft vorkommen", räumt sie ein. Dennoch könnten die Gelder in Zeiten der Schuldenbremse nicht einfach so zur Verfügung gestellt werden. "Das sind Riesensummen. Das können wir nur schaffen, wenn Bund und Länder eine gemeinsame Anstrengung machen."

Lehrveranstaltungen müssen verlegt werden

Inzwischen werden die Lehrveranstaltungen der TU, die sonst im Mathe-Gebäude oder in den Räumen des Chemie-Gebäudes stattgefunden hätten, anderswo abgehalten. "Wir gucken, dass wir die Studierenden und Lehrveranstaltungen jetzt verteilt bekommen", sagt Oeverdieck von der TU. "Aktuell klappt das den Umständen entsprechend ganz gut." Der Student Gabriel Tiedje macht sich allerdings Sorgen um die Auswirkungen der Raumsperrungen. "Ich gehe davon aus", sagt er, "dass man auch im Wintersemester Schwierigkeiten haben wird, eine saubere Raumplanung zu haben."

Sendung: rbb|24 Abendschau, 20.06.2023, 19:30 Uhr.

22 Kommentare

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  1. 22.

    Welches Handwerk ist in Ihren Augen falsch und wird nicht benötigt und nur deshalb schlecht bezahlt?

  2. 21.

    Wowereits Quietschekurs zeigt nun auch hier dpäte Früchte.

  3. 20.

    Hallo rbb24, ich warte immer noch auf meinen Kommentar! Danke für die Aufmerksamkeit!

  4. 18.

    Die Leute flüchten nicht vor ehrlicher Arbeit, sie sehen sich die Verdienstmöglichkeiten an und entscheiden rational.
    Was verdient denn ein Tischler oder Elektriker in der Uckermark? Reich wird nur der Chef des Handwerksbetriebes und manchmal nicht mal der.

  5. 17.

    Naja es ist ja auch Kunst installiert worden. Jedes Jahr im Sommer die dramatische Ausstellung Wiese in gelb.

  6. 16.

    Genau das muss sich ändern, Das sich immer mehr vor ehrlicher Arbeit auf die Unis flüchten. Und dann zB Ärzte nicht dahin gehen, wo sie dringend gebraucht werden. NC rauf und wirklich begabte mit auskömmlichen Stipendien versorgen. Der Rest soll arbeiten gehen. Wir haben Fachkräftemangel. Studentenmangel habe ich noch nie gehört.

  7. 15.

    Wir brauchen mehr Radwege. Doppelt, parallel und 3m breit, auch auf Autobahnen und in Einkaufszentren. Und jetzt neu Langsamradwege neben den Raserradwegen (Expresstrasse)Mir tut der neue Senat leid, der dieses links/grüne Desastererbe kaum bewältigen kann. Ich vergaß, wir brauchen auch mehr Betonpoller
    Der rbb hat gestern in der Abendschau den Stop eines Radweges beklagt aber hinter quasi jedem Interviewpartner war ein leerer, existierender Radweg zu sehen.
    Ich wohne am Straußberger Platz und habe miterlebt wie der letzte Senat gegen uns Anwohner mit viel Geld nicht nur Parkplätze wegbetoniert hat, sondern auch die Fahrspuren zugunsten von Radfahrern minimiert hat obwohl geschätzt 30m breite Gehwege vorhanden sind. Das Geld wäre besser und zwar für ALLE Berliner in Kitas, Schulen und Unis geflossen.

  8. 14.

    Wer an der TUB studiert hat sowieso keinen Überblick, traurige Institution, schon vor Jahren. Da gibt es in Deutschland weitaus bessere Unis und Städte, um ein erfolgreiches und glückliches Leben zu führen!

  9. 13.

    Mit handwerklicher Ausbildung kann man aber seine Miete nicht zahlen und wird von der Seite angemotzt, weil man keine "vernünftige" Ausbildung hat und deshalb zu wenig verdient.

  10. 12.

    Stimmt völlig,leider müssen es Schüler und Studenten ausbaden. Eigentlich müssten nicht nur Schulen und Uni's sondern alle öffentlichen Gebäude klimagerecht modersiniert/ saniert werden. Nicht nur in Berlin. Diskutiert wird aber eher über Wärmepumpen. Ein sehr weites Feld.

  11. 11.

    Sehe ich genauso! Alles war vorhersehbar. Habe von 1970-74 Chemie an der HU studiert( Hessische Straße) War das schön. Es tut weh, wenn man heute das zur Kenntnis nehmen muss und alles bleibt so
    wie es war.

  12. 10.

    Landesaufgaben durch den den Bund erledigen lassen? Langsam frage ich mich, ob bei den Berliner Senaten, egal wer gerade an der Macht ist überhaupt ein Interesse besteht sich um Landesaufgaben wie Bildung u.ä zu kümmern. Berlin hat während Corona soviel Mittel in die Sondervermögen geschoben, dass es spielend diese Aufgaben lösen könnte, aber man will sich wohl bei seiner Klientel beliebt machen! Ein solches Verhalten ist ein Armutszeugnis für das Land Berlin und zeigt, dass die hiesigen Politiker keine Landespolitik können, sondern höchstens in der Kommunalliga spielen.

  13. 9.

    8 Mrd. Sanierungsstau bei den Unis, 2 Mrd. bei den Polizeigebäuden, Krankenhäuser müssen auch saniert werden.
    Es geht rapide abwärts.

  14. 8.

    Wir haben in Berlin offensichtlich für alles und jeden Geld,wenn es politisch gewollt oder unumgänglich ist.Aber nicht nur die UniGebäude gammeln seit Jahrzehnten vor sich hin,die überaus notwendige Sanierung der vielen Schulgebäude wird weiterhin auf die lange Bank geschoben. Vllt doch mal den Bund fragen,denn ausreichend Mittel für den Ausbau des Kanzleramtes sind ja wohl vorhanden.

  15. 7.

    Wieviele Millionen hat noch einmal das Stadtschloss Berlin gekostet? ...

  16. 6.

    "An vielen Berliner Universitäten und Hochschulen würden sich die Sanierungsvorhaben stauen."
    Uniplätze veringern und dafür handwerkliche Ausbildung fördern!

  17. 5.

    Danke an 20 Jahre SPD-Regierung mit falschen Prioritäten.

  18. 4.

    Wenn Frau Czyborra sagt, Bund und Länder müssten jetzt "eine gemeinsame Anstreng machen", dann bedeutet das wohl: wenn Berlin keine finanzielle Hilfe bekommt, bröckelt es endlos weiter.
    Die Politik in unserem Land ist eindeutig überfordert!

  19. 3.

    Also habe damals Realschulabschluss gemacht und technischen Beruf erlernt aber über den 2 Bildungsweg dann meinen Industriemeister nachgeholt.
    Ich empfand damals die Einrichtung auch nicht gerade zeitgemäß.
    Deshalb Bildung und die dazugehörigen Gebäude+Ausstattungen sollten in einem regelmäßigen Intervall angepasst werden.
    Denn die Zeiten ändern sich fortlaufend.
    Ich hatte noch keinen Taschenrechner in der Schule und heute?

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