Modellprojekt in Brandenburg - Klinik Oranienburg bietet anonyme Hilfe für Vergewaltigungsopfer

Mo 11.09.23 | 17:03 Uhr
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Ein Rettungswagen fährt am 13.06.2019 in der Oberhavel Klinik Oranienburg vor, um von dort Patienten zu evakuieren. (Quelle: dpa/Christoph Soeder)
Audio: Antenne Brandenburg | 11.09.2023 | Nachrichten | Bild: dpa/Christoph Soeder

Viele Vergewaltigungsopfer trauen sich nicht zum Arzt oder zur Polizei. Für sie gibt es in mehreren Brandenburger Kliniken ein spezielles Angebot, bei dem neben der medizinischen Hilfe auch Spuren gesichert werden. Nun ist eine weitere Klinik dabei.

Eine anonyme Spurensicherung für Vergewaltigungsopfer ist in Brandenburg nun auch in der Klinik Oranienburg im Landkreis Oberhavel möglich. Das teilte das Landesgesundheitsministerium am Montag mit. Damit beteiligen sich sieben Brandenburger Kliniken an dem Modellprojekt. Ziel sei es, rasche Hilfe nach Sexualstraftaten flächendeckend an Krankenhäusern anzubieten.

Betroffene können Spuren anonym gerichtsfest sichern lassen

Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) sagte: "Jedes Opfer sexualisierter Gewalt braucht medizinische Hilfe. Auch wenn keine Spurensicherung gewünscht ist, sollte immer eine Ärztin oder ein Arzt aufgesucht werden." Mit der Soforthilfe können Betroffene sich medizinisch versorgen lassen und - unabhängig von einer Anzeige - Tatspuren vertraulich und gerichtsverwertbar von geschulten Ärztinnen und Ärzten sichern lassen.

Das Landesinstitut für Rechtsmedizin leitet seit 2019 das Projekt. Institutsdirektor Knut Albrecht wies darauf hin, dass viele Opfer aus Angst und/oder Scham auf medizinische Hilfe verzichteten. Wichtige Beweise wie Tatspuren gingen verloren, wenn keine ärztliche Begutachtung und Dokumentation erfolge. "Um der erhöhten Dunkelziffer entgegenzuwirken, gibt es daher das Angebot der vertraulichen Spurensicherung", sagte er.

Kliniken vermitteln an Opferberatungsstellen

Nach Einschätzung des Vereins Opferhilfe ist das Projekt auch deswegen wichtig, weil Opfer in den Kliniken Schutz und psychosoziale Unterstützung erhalten. Die Kliniken können außerdem an Opferberatungsstellen vermitteln, die Informationen zum Strafverfahren anbieten und bei der Bewältigung der Tatfolgen unterstützen.

Das Angebot für Opfer einer Sexualstraftat gibt es schon im Carl-Thiem-Klinikum Cottbus, im Ernst von Bergmann Klinikum Potsdam, im Klinikum Frankfurt (Oder), im Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel, im Universitätsklinikum Ruppin-Brandenburg (Neuruppin) und im Alexianer St. Josefs-Krankenhaus in Potsdam.

Auch die Berliner Charité bietet mit der Gewaltschutzambulanz Opfern von häuslicher oder sexualisierter Gewalt eine rechtsmedizinische Begutachtung an. Die Klinik betont, dass dies auch ohne polizeiliche Anzeige und kostenfrei möglich sei.

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.09.2023, 14 Uhr

12 Kommentare

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  1. 12.

    Die Codierung (Anonymisierung)hat natürlich einzig Bezug (Zugehörigkeit) zur betroffenen Person X. Da sich X jedoch nun ohne Angabe des Namens, der Meldeadresse etc. untersuchen lassen kann und nur X die Codierung unmittelbar und direkt nach der Spurensicherung mitgeteilt wird, ist deren Anonymität somit gewährleistet.
    Eine personenbezogene Zuordnung ist damit einzig möglich, sollte X im Rahmen einer Anzeige selbst aktiv werden.



  2. 11.

    Danke! Volle Zustimmung!

    Leider ist es so wichtig, Beweise zu sichern, keiner soll sich "rausreden" können.
    Auch bitte Hilfe suchen und eine Anzeige stellen, auch wenn es mitunter ein hartes Procedere ist.
    Viele andere werden geschützt und kein Opfer.

  3. 10.

    Eine Gute Nachricht - Nur schlimm und erschreckend, dass wir so etwas im 21. Jahrhundert in Deutschland überhaupt benötigen!!! Wir alle nehmen die Ursachen hin und versuchen nun das Beste daraus zu machen! Wem ist damit geholfen?
    Man muss das übel bei der Wurzel packen und beseitigen!

  4. 9.

    Es ist schade, dass im Rahmen vom #MeToo und ähnlichen Aktionen immer nur Aussage gegen Aussage steht und den Opfern vorgeworfen wird, sie hätten keine belastbaren Beweise vorzuweisen. Meist liegt das meines Erachtens daran, dass Frauen verängstigt und orientierungslos sind nach einer solchen schrecklichen Tat. Soll ich Anzeige erstatten oder nicht? Dabei verstreicht wichtige Zeit zur Beweissicherung. Jetzt können Frauen diese Entscheidung aufschieben, ohne dass die Beweissicherung auf der Strecke bleibt.

    Jede Frau und jedes Mädchen sollte sich das jetzt genau merken und im Falle des Falles sofort eine dieser Kliniken aufsuchen!

  5. 8.

    Die medizinische Beweissicherung ist keine Leistung der Krankenkasse. Die Krankenhäuser können also nicht mit der Krankenkasse abrechnen. Die Berliner Gewaltschutzambulanz wird von der Senatsverwaltung für Pflege, Gesundheit und Gleichstellung finanziert. Dadurch kann die Untersuchung anonym bleiben. In Brandenburg ist es sicher ähnlich.

  6. 7.

    @6.
    So wie ich den Artikel verstanden habe, bedeutet dieser Zusammenschluss, dass die Kliniken die Kosten der "belastbaren Beweise" übernehmen.

  7. 6.

    Wenn die Krankenasse das zahlen soll, dann kann es eigentlich nicht anonym sein.

  8. 5.

    Vielen Dank für Ihre Antwort!

    Vielleicht darf ich noch einmal nachfragen:
    Mit der Codierung leuchtet mir ein, jedoch "anonym" immer noch nicht.
    Muss nicht auch eine Codierung "irgendeine Zugehörigkeit" zur Person haben?

    Schon mal: Danke im Voraus!

  9. 4.

    Gerichtsfest werden diese Ergebnisse, da sie zeitnah durch qualifiziertes Facharztpersonal festgestellt und dokumentiert werden. Anonym und vertraulich bedeutet in diesem Sinn sicherlich, dass alles ohne jegliche Frage nach dem Namen des Opfers behandelt und gespeichert wird. Eine einzig dem Opfer sofort mitgeteilte und sichere Codierung reicht völlig aus, um somit womöglich im Nachhinein erst Anzeige zu erstatten und trotzdem Zugriff auf absolut belastbare Spuren zu haben.







  10. 3.

    Bis eben noch war ich felsenfest überzeugt, daß sowas längst überall gängiger Standard ist.

  11. 2.

    Eine gute Sache - auf jeden Fall!

    Irgendwie habe ich aber scheinbar einen Denkfehler:
    "Anonym" ist doch nicht "vertraulich" oder anders: Wie soll "anonym" gerichtsfest sein?
    Beinhaltet die Untersuchung auch einen evtl. KO-Tropfen-Nachweis?

  12. 1.

    Mal echt eine Meldung die gut ist.

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