Alternative zum Abriss - Wie zwei Windräder zum Denkmal wurden

Di 07.05.24 | 19:18 Uhr | Von Jonas Wintermantel
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Windräder in Zossen. (Quelle: rbb)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 07.05.2024 | Ronja Bachofer | Bild: rbb

Zwei der ältesten Windkraftanlagen in Brandenburg stehen jetzt offiziell unter Denkmalschutz. Ein Verein setzt sich für ihren Weiterbetrieb ein. Doch damit sind längst nicht alle Anwohnenden einverstanden. Von Jonas Wintermantel

Brandenburg ist ein Land der Denkmäler – das Schloss Sanssouci, das Kloster Lehnin und natürlich: die Windenergieanlagen Typ Enercon E-33 im Zossener Ortsteil Schünow.

Die mit 38 Meter Nabenhöhe und 33 Meter Rotordurchmesser vergleichsweise kleinen Windräder gehören nun offiziell zu den brandenburgischen Denkmälern. 1992 sind sie als Teil des ersten Windparks in Brandenburg ans Netz gegangen – auf Initiative eines Mannes, dessen Nachkommen sich heute dafür einsetzen, dass die alten Anlagen stehen bleiben und bald wieder laufen können. Warum?

1992 steckte die Windenergie in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Laut einer Statistik des Bundeswirtschaftsministeriums machte die Windenergie an Land damals in Deutschland gerade einmal einen Anteil von 0,1 Prozent am Bruttostromverbrauch aus. In diesem Jahr baute Jürgen Weinrich in Zossen trotzdem den ersten Windpark Brandenburgs.

Verein will Weiterbetrieb sichern

Mit seinem Tod 2021 erbten seine Nachkommen – darunter Tochter Jeannine Weinrich – 15 Windräder. Gemeinsam mit einigen Branchenspezialisten und dem Unternehmer Christian Busse, der mit seiner Firma unter anderem Konzepte für den Weiterbetrieb von Windkraftanlagen erarbeitet, gründete sie den Verein "WindKraftArche". Der Verein will die Windräder künftig pflegen, reparieren und wieder in Betrieb nehmen.

"Wir möchten nicht einfach Schrott unter Denkmalschutz stellen", sagt Busse im Interview vor den beiden Windkraftanlagen. "Wir gehen davon aus, dass wir eine Anlage in diesem Jahr wieder ans Netz bekommen. Deswegen haben wir auch diesen Verein mit Branchenexperten gegründet, mit technischem Gutachter, mit Betriebsführern, mit langjährigen Experten, um hier wirklich auch sicherzustellen, dass die Anlagen gut betreut sind und auch wieder laufen werden."

Wenn alles nach Plan des Vereins läuft, sollen beide Anlagen noch über 50 Jahre Strom produzieren können. Doch nicht nur das: Eines Tages sollen die Windräder begehbar sein – geplant ist schon eine Kooperation mit einem Studiengang für erneuerbare Energien, sagt Busse: "Inzwischen sind die Studiengänge an den Universitäten teilweise zehn Jahre hinter dem Markt. Und auch da müssen wir immer wieder dafür sorgen, dass die Studenten wenigstens mal ein Windrad sehen, bevor sie in die Arbeitswelt entlassen werden."

Windkraft - Energie mit Ablaufdatum

Die durchschnittliche Lebensdauer einer Windkraftanlage beträgt in Deutschland typischerweise zwischen 20 und 25 Jahren. Dies ist die Zeit, für die Betreiber in der Regel eine garantierte Einspeisevergütung gemäß dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhalten. Nach Ablauf dieser Zeit können Windkraftanlagen technisch zwar noch funktionieren, oft rentieren sie sich dann jedoch nicht mehr – weil die Zuschüsse durch das EEG ausbleiben, weil die Wartung zu teuer wird oder weil die Anlage nicht mehr so effizient Strom produzieren kann wie moderne Anlagen. Laut Angaben des brandenburgischen Wirtschaftsministeriums läuft die Förderung nach dem EEG in diesem Jahr für 231 Anlagen aus, die 2005 in Betrieb genommen wurden.

Was den Betreibern nach Auslaufen der Förderung dann übrigbleibt: die Stilllegung, der Weiterbetrieb auf Grundlage eines neuen Stromliefervertrags, die Modernisierung durch sogenanntes "Repowering“ – also quasi ein Tuning der Anlage - oder aber der Verkauf. All diese Maßnahmen kamen für die Nachkommen des Windrad-Pioniers nicht infrage, und so zeichnete sich eine weitere Möglichkeit ab: Man könnte die Anlage doch auch unter Denkmalschutz stellen.

Wie wird eine Windkraftanlage zum Denkmal?

Denkmalschutz und Windkraftanlagen – diese beiden Begriffe tauchen meist eher gemeinsam auf, wenn der Bau einer neuen Windkraftanlagen durch den Denkmalschutz gebremst wird.

Laut Paragraph 2, Absatz 1 des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes (BbgDSchG) sind Denkmale "Sachen, Mehrheiten von Sachen oder Teile von Sachen, an deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, wissenschaftlichen, technischen, künstlerischen, städtebaulichen oder volkskundlichen Bedeutung ein öffentliches Interesse besteht".

"Das entscheidende Kriterium, diese Windräder unter Denkmalschutz zu stellen, war unter anderem, dass wir eben in Brandenburg noch keine Art dieser Windräder bislang unter Schutz haben", sagt Viviane Taubert vom Landesdenkmalamt Brandenburg. Sie war für die Prüfung der beiden Windkraftanlagen im Landesamt zuständig. Ein besonders schwieriger Fall sei das nicht gewesen. "Diese Windräder sind jetzt unter Schutz gestellt worden, obwohl sie im Auge des Betrachters vielleicht nicht in erster Linie schön sind. Aber sie sind eben technisch sehr bedeutend und daher eben auch relevant für die Entwicklung dieser Technik für die Menschheit."

In Schünow regt sich auch Widerstand

Den historisch-kulturellen Wert der beiden Windräder können in Schünow längst nicht alle erkennen. Schünows Ortsvorsteherin Regina Pankrath hat den Denkmalschutz für die Windräder zunächst für einen schlechten Scherz gehalten. "Den einzigen Sinn kann man darin eigentlich nur sehen, dass die Betreiber sich damit massive Rückbaukosten ersparen." Pankrath will Akteneinsicht beim Landesamt für Denkmalpflege nehmen und droht mit einer Klage dagegen, dass die alten Windräder jetzt als Denkmale für ewig stehen bleiben sollen. Mit ihrer Meinung ist sie nicht allein.

"Das ist für mich kein Denkmal. Das ist Schrott!" sagt eine Anwohnerin, "Denkmäler sind für mich altertümliche Gerätschaften oder Gebäude, wo wirklich ein paar Jahrhunderte drauf sind, aber doch nicht das hier. Die stehen tausendfach bei uns rum." Ein wenig verständnisvoller drückt es eine weitere Schünowerin aus: "Ich kann nachvollziehen, dass da eine Motivation da ist, das zu erhalten. Natürlich ist es aber auch wichtig, die Bürger von Schünow miteinzubinden. Der Abstand zum bewohnten Gebiet ist natürlich sehr nah". So nah, dass hier keine neuen Windräder gebaut werden dürften. Die alten sollten deshalb nach dem Willen vieler Schönower am besten abgerissen werden.

Windräder unter Denkmalschutz - das gibt es deutschlandweit bisher nur in Brandenburg.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 07.05.2024, 19:30

Beitrag von Jonas Wintermantel

30 Kommentare

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  1. 30.

    MDR Panorama: "Die Entsorgung auf Mülldeponien ist in Deutschland verboten, weil das Material nahezu ohne zu verrotten liegen bleiben würde. Der Glasfaserkunststoff zählt zum Sondermüll. Laut Prognosen des Umweltbundesamtes fallen künftig rund 70.000 Tonnen alter Rotorblätter pro Jahr an. Auch ein Grund: Die Lebensdauer von Rotorblättern ist begrenzt und wird von Experten auf bis zu 25 Jahre geschätzt."

  2. 28.

    Vergütungssätze für Strom aus erneuerbaren Energien nach dem Stromeinspeisungsgesetz:
    1992 für Wind / Sonne => 16,53 Pfg/kWh

  3. 27.

    Sie haben mitbekommen, dass diese Windräder zu einer Zeit aufgebaut wurden, als es noch kein EEG gab?
    Dass sie, als es das EEG gab, für eine Förderung zu alt waren?

    nein? Oder weshalb schreiben sie dann solchen Unsinn?

  4. 25.

    "weil sie für die Stromerzeugung 25 Jahre das (wischwischwisch... als Dauerbelastung aushalten mussten. "

    Also wenn ich mir das Bild auf dem obigen Video angegucke - welche Bewohner meinen Sie?!

  5. 24.

    "Windräder unter Denkmalschutz - das gibt es deutschlandweit bisher nur in Brandenburg."
    Hurra, Brandenburg ist endlich mal Erster!
    Kleiner Trost für die Anwohner: Es wurden schon andere denkmalgeschützten Gebäude abgerissen. Wobei, hier ginge es ja nur um die Interessen von Bürgern...

  6. 23.

    Meine Empathie haben die Anwohner deshalb, weil sie für die Stromerzeugung 25 Jahre das (wischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwischwisch) als Dauerbelastung aushalten mussten. Nun haben sie Ruhe verdient. Nichtbetroffene haben Geld verdient, die Rückbaukosten sind eine Kalkulationsgröße, wo ist das Geld?
    Es gibt einige Anlagen in Brandenburg, die keine nötigen Abstände eingehalten haben und wo die Behörden gesagt haben, dass ist halt so und nach 25 Jahren wird ja abgebaut... So so ist das also?

  7. 22.

    Lieber rbb, Repowering bedeutet nicht "Tuning". Sondern Komplettabbau der alten Anlage und Neuerrichtung der neuen. Inklusive des gesamten Genehmigungsprozesses. Und meistens auch an einem anderen Standort innerhalb des Windeignungsgebietes.

  8. 21.

    Wie schon im Text erwähnt sollte die Meinung der Anwohner respektiert werden.
    Es ist immer einfach vom fernen Bürohocker Entscheidungen zu treffen die einen selbst nicht betreffen.
    Meine pers. Meinung: abreißen und Bäume pflanzen, das ist gut für Natur und Menschen!

  9. 20.

    Zwischen mittlerweile über 300 m hohen Windrädern, die sich wie ein Krebsgeschwüre über die freie Landschaft ausbreiten, und klassischen, mit Flügeln vielleicht 25 m hohen Windmühlen besteht ja wohl ein bedeutender Größenunterschied, zumal Natur und Landschaft zudem durch PV-Anlagen, Industrie- und Gewerbeansiedlung, Straßenbau und Siedlungswachstum immer weiter eingeschränkt werden.

  10. 19.

    Jetzt noch die Effizienz auflisten. Glaube da schlagen die Windräder die Windmühlen um Längen. Hatte man sich damals eigentlich auch über Windmühlen aufgeregt.

  11. 18.

    Sobersparen sich die Ökosozialisten, die per EEG-Gesetz massiv von staatlichen Subventionen abgegriffen haben, die teuren Rückbaukosten. Genial.

  12. 17.

    Eine nette Idee heute in dieser schnelllebigen Zeit.
    Bereits früher wurden einige technische Errungenschaften unter Denkmalschutz gestellt, obwohl sie erst wenige Jahre alt ist waren.
    Mit dem Weiterbetrieb als funktionierendes technisches Denkmal, hat man irgendwann später einmal diesen "Oooh Effekt", und das ist einfach unbezahlbar...!

  13. 16.

    Wer zahlt denn jetzt eigentlich für den Erhalt? Das wird ja exponentiell teuerer werden, weil Ersatzteile von Hand geklöppelt werden wenn das Modell so veraltet ist.

  14. 15.

    Aehm, das sehe ich genauso. Kann da Efeu hochwachsen, ... man sollte sich auch woran beim Anblick erfreuen können. Oder? Andächtig nachdenklich....

  15. 14.

    Wäre wirklich interessant zu erfahren, wie die Eigentümer es geschafft haben, ihren abrisspflichtigen Industriemüll zum Denkmal erklären zu lassen. Das schafft sicher nicht jeder.

  16. 13.

    Also vergoldet ist da noch gar nix. Bisher wird es wohl nur Kosten verursacht haben. Es besteht aber die Möglichkeit für den Erhalt von Denkmälern, auch Industriedenkmälern, Zuschüsse zu beantragen. Selbst dann wird kein Cent aus der Region abgezogen. Unterm Strich könnten aber Einige, damit ist nicht ausschließlich der Eigentümer gemeint, von der Idee sogar ein wenig profitieren.

  17. 12.

    Jetzt haben sich die Betreiber die alten Teile auch noch vergoldet. Kann man weiter auf Kosten der Leute das Geld aus der Region ziehen. So schafft man keine Akzeptanz.

  18. 11.

    Geschickter Schachzug…Kompliment.

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