Berliner U-Bahnlinie - Die U12 ist viel mehr als eine Lückenfüllerin

Direkt von der Warschauer Straße bis nach Ruhleben: Das macht aktuell die U12 in Berlin möglich. Eine Strecke, die eine lange Historie im Netz der Berliner U-Bahn hat. Eine dauerhafte Wiederbelebung wird es aber wohl nicht geben. Von Felix Michel
Fahrgäste der BVG können sich aktuell mal wieder für die U-Bahnlinie 12 entscheiden. Weil am Bahnhof Bülowstraße gearbeitet wird, fährt die U2 nur bis Gleisdreieck. Fahrgäste müssen dann auf dem Weg nach Ruhleben in die U12 umsteigen. Die kommt von der Warschauer Straße und fährt über den Wittenbergplatz weiter bis nach Ruhleben. So ganz neu ist diese Route allerdings nicht.

Von den Anfängen der Berliner U-Bahn
Am 18. Februar 1902 wurde die östliche Stammstrecke als erste Hochbahnstrecke in Berlin vom Stralauer Thor (im 2. Weltkrieg zerstört) bis zum Potsdamer Platz eröffnet. Ab März fuhr die Bahn dann auch auf der westlichen Stammstrecke. Nach einigen Erweiterungen ging es Ende 1902 dann von der Warschauer Brücke über das Stralauer Thor und den Zoologischen Garten bis zum damaligen Knie (heute Ernst-Reuter-Platz).
Wie die U12 eine direkte Verbindung von Friedrichshain-Kreuzberg bis zum Ernst-Reuter-Platz. Mit dem Unterschied, dass die damalige Stammstrecke zwischen Gleisdreieck und dem Wittenbergplatz auf der Trasse der heutigen U2 verlief. Die U12 dagegen verläuft ab Gleisdreieck auf den Gleisen der U1.

Diese Direktverbindung löste sich mit der Erweiterung des U-Bahn-Netzes im Laufe der Jahre auf. Wie im Netzplan der Hoch- und Untergrundbahn aus dem Jahr 1913 zu sehen ist, finden sich da schon fast deckungsgleich die heutigen U-Bahnlinien von U1 und U2. Von der Warschauer Brücke zum Theodor-Heuss-Platz ging es nur mit Umstieg. Den Komfort einer Direktverbindung sollte es erst Jahrzente später geben - während der Ost-West-Teilung Berlins.
Bei der West-BVG gab es sie wieder, die Direktverbindung von Ruhleben bis Schlesisches Tor mit der Linie 1. Die Warschauer Brücke wurde nicht angefahren, die lag im anderen Teil hinter der Mauer. Die Verbindung bestand fast dreißig Jahre. Bis Berlin wieder eins wurde.

Die Bezeichnung U12 wird geboren
Mit der Wiedervereinigung und der Wiedereröffnung der Strecke zwischen Wittenbergplatz und Mohrenstraße im November 1993 (über Gleisdreieck und Potsdamer Platz) wurden die Linien im Kleinprofil neu sortiert.
Die direkte Verbindung zwischen Ruhleben und Schlesisches Tor – ab 1995 weiter bis zur Warschauer Straße – fiel weg. Zumindest tagsüber. Denn im Nachtverkehr an Wochenenden, den es seit 1990 auf den Linien U1 und U9 gab, wurde die direkte Verbindung weiter genutzt. Zur besseren Kennzeichnung dieses Nachtverkehrs wurde die Bezeichnung U12 eingeführt – unterstützt durch ein grün-rotes Liniensignal, das darauf hinweisen sollte, dass es sich um eine Kombination der Linien U1 und U2 handelt.
Erst 2003 wurde der durchgehende Nachtverkehr auf das gesamte U-Bahn-Netz (mit Ausnahme der U4) ausgeweitet. Damit kamen nachts auch die regulären Tageslinien U1 und U2 zum Einsatz – ein Umstand, der die Linie U12 überflüssig machte.

Trotzdem ist die Linie U12 gar nicht so selten im Einsatz. Sie wird immer wieder bei besonderen Anlässen wieder aktiviert, etwa als Verstärkungsangebot bei Großveranstaltungen – wie zuletzt während der Fußball-EM 2024.
Die U12 hält zudem immer wieder als Aushilfslinie bei Bauarbeiten her: 2006 ist die U12 für ganze sieben Monate im Einsatz. 2011 für etwa fünfeinhalb Monate und zwischen April und November 2015 sowie von Juni bis August 2020. Eine Retterin in der Not sozusagen.
Und aktuell?
Fahrgäste, die aus Pankow kommen und in den Westen wollen, sind genervt von der U12. Da jetzt die Weiterfahrt nur mit Umstieg am Gleisdreieck möglich ist. Und zwischen 14. Und 27. April mit Pendelverkehr zwischen Gleisdreieck und Potsdamer Platz noch etwas nerviger wird.
Schlechte Karten haben ebenso alle Fahrgäste der U3. Die geht jetzt nur von Krumme Lanke bis Nollendorfplatz. Eine Verbindung nach Kreuzberg geht nur mit Umstieg.
Des einen Leid, des anderen Freud
Was die einen ärgert, freut bekanntermaßen andere: Wer nämlich von Friedrichshain-Kreuzberg gen Westen zum Zoo oder weiter nach Ruhleben will, kann jetzt sitzenbleiben und durchfahren. So dient die U12 aktuell auch als Alternative wegen der Sperrung auf der Stadtbahnstrecke.
Klingt alles kompliziert, wird aber dieses Jahr quasi der Dauerzustand. Die BVG treibt mehrere Bauvorhaben an U-Bahn-Haltestellen, Gleisen, Tunneln und Brücken voran, um das "in Teilen über 120 Jahre alte und sehr komplexe U-Bahnnetz fit für die Zukunft zu machen".
Ein dauerhafter Einsatz der U12 sei aber nicht geplant, so die Berliner Verkehrsbetriebe auf Rückfrage. Dann bleibt sie wohl weiterhin eine Retterin in der Not.