#Wiegehtesuns | Schulleiter aus Burg (Spreewald) - "Es gibt Kollegen, die sagen, nö, die unterrichte ich nicht mehr. Kann ja auch keine Lösung sein"
Im April 2023 machten zwei Lehrer rechtsextreme Vorfälle an einer Schule in Burg öffentlich, es gab bundesweit Schlagzeilen. Inzwischen gibt es einen neuen Schulleiter. Er erzählt, wie er mit rechtsextremem Gedankengut bei Schülern umgeht.
In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Alltag gerade aussieht – persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Im April vergangenen Jahres hatten zwei Lehrkräfte an einer Schule in Burg (Spreewald) mit einem Brandbrief rassistische und rechtsextreme Vorfälle öffentlich gemacht. Es folgten Anfeindungen und Bedrohungen - bis sie die Schule verließen.
Wie die Schule heute mit solchem Gedankengut umgeht, erzählt der jetzige Schulleiter Markus Mandel. Er war selbst bis 2011 dort als Lehrer tätig.
Solange der Brief anonym war, hatte man ja den Eindruck, oh, ist das meine Schule? Nicht jeder hatte gleich an Burg gedacht. Und nun fragt man sich, wieso können so viele Schulen im ländlichen Raum mit solchem Gedankengut in Verbindung gebracht werden? Wir haben hier Höfe, da leben die Kinder noch mit ihren Eltern und Großeltern zusammen. Viele Gedanken, die dort geäußert werden, bringen die Kinder mit.
"Woher hast du denn das?", fragt man dann als Lehrer. "Na ja, meine Mutti nennt alle Ausländer ****." Oder anderes Beispiel: Wir fahren mit den Kindern jedes Jahr nach Auschwitz. "Oh ja, können sie ruhig fahren. Ist ja alles Fake", sagen manche Eltern.
Ja, was soll ich denn dann dem Kind erzählen? Wenn man jetzt hört, braunes Nest, denkt man ja, da gibt es nur Nazi-Störer, die irgendwie versuchen, den Unterricht zu sabotieren. Dem ist aber nicht so. Wir haben natürlich Jugendliche, denen man von ihrer Kleidung, von ihrer Gehabe, von ihren Aussagen her sagen muss, okay, Junge, du stehst der Demokratie nicht in dem Maße gegenüber, wie wir uns das vorstellen.
Aber wenn man die jetzt zusammenzählt, mal so Pi mal Daumen, sind das vielleicht 25, 30 Jugendliche. Sieht man die in der Gruppe, hat man so den Eindruck, na ja, da könnte es vielleicht ein, zwei Anführer geben, die sich ihre Klientel zusammensuchen.
Und hier muss es das Ziel sein, mit denen zu arbeiten, mit ihnen vernünftig zu reden. Es gibt Kollegen, die sagen, nö, die unterrichte ich nicht mehr. Kann ja auch keine Lösung sein.
Man muss ihnen einfach was zeigen. Meine Kolleginnen und Kollegen haben sehr viele Dinge vorbereitet, die wir zu Beginn des Schuljahres durchführen konnten. Hier hat ein Projekt stattgefunden, bei dem Aussteiger aus dieser Szene den Jugendlichen mal in den 10. Klassen gezeigt und erzählt haben, wie hart die heutige Szene in Dresden oder Chemnitz zum Beispiel organisiert ist, als es zu diesen Pegida-Aufständen kam oder zu den Demonstrationen in Chemnitz, wo ja sogar Ausländer mit Baseballschlägern durch die Stadt gejagt wurden.
Das zeigt, wie tief diese Gedanken in diesen Jugendlichen drin sind und wie sie an nichts anderes mehr glauben können, als richtig hasserfüllt auf andere Menschen zu sein.
Ich finde es wichtig, dass man mit allen im Gespräch bleibt. Auch mit denen, die man vielleicht nicht aufgrund ihrer Auffassung leiden kann, bei denen man irgendwelche Vorurteile hat. Ich muss trotzdem mit den Leuten reden.
Gesprächsprotokoll: Jule Kaden
Sendung: Fritz, 12.04.2024, 17:20 Uhr