Afrikanische Schweinepest in Brandenburg - Wenn Freilandhaltung plötzlich zum Risiko wird

Do 22.10.20 | 06:08 Uhr | Von Marie Asmussen
  9
Symbolbild: Freilandschweine (Quelle: dpa/Rupert Oberhäuser)
Audio: Inforadio | 22.10.2020 | Marie Asmussen | Bild: dpa/Rupert Oberhäuser

Die Angst geht um unter Brandenburgs Schweinebauern: Wenn die Afrikanische Schweinepest einen Bestand befällt, ist der komplett verloren. Deshalb wächst die Kritik an Freilandhaltern. Aber auch die stehen mit dem Rücken zur Wand. Von Marie Asmussen

Schweineställe in Brandenburg sind in den letzten Wochen zu Hochsicherheitstrakten geworden. Nur die Landwirte und ihre Mitarbeiter haben da noch Zutritt. Alle anderen sollten tunlichst draußen bleiben. Grund ist die Afrikanische Schweinepest, kurz ASP, die das Land erreicht hat.

Die Schweine von Anja Koch kann man immerhin sehen, wenn auch nur aus sicherer Entfernung. Ihre etwa hundert Tiere leben in der Nähe von Brück am Rand des Hohen Flämings unter freiem Himmel - 19 Sauen, ein Eber, der Rest Ferkel.

Zur Wühlmühle heißt der Weg, an dem die große Koppel liegt. Dieser Name ist Programm, vor allem für die Ferkel, die mit ihren Rüsseln unentwegt das Unterste nach oben befördern - und umgekehrt. Zum Schutz vor Wildschweinen sind die insgesamt 30 Hektar rundherum mit einem hohen, stabilen Elektrozaun abgesperrt. Zwischen den Metallpfosten verlaufen in dichtem Abstand zehn waagerechte Drähte. Einige Meter dahinter kommen dann noch die Koppelzäune - auch die sind zwei- und dreifach gespannt.

Die Landwirtschaftsmeisterin Anja Koch (Bild: rbb/Asmussen)
Schweinebäuerin Anja Koch | Bild: rbb/Asmussen

Stimmung gegen Freilandhaltung

Vor ASP-infizierten Wildschweinen sind ihre Tiere damit sicher, meint Anja Koch. Dass Krähen, die hier herumfliegen, mal irgendwas Ansteckendes fallen lassen, das kann die Landwirtschaftsmeisterin nicht völlig ausschließen. Viele ihrer Berufskollegen, besonders die mit den großen Zucht- und Mastbetrieben finden Freilandhaltung deshalb hochriskant. Bei einer Info-Veranstaltung zum Thema Schweinepest vor einiger Zeit hat die Vierzigjährige das deutlich gespürt - und deshalb lieber gar nicht erzählt, dass ihre Sauen und Ferkel draußen leben. "Es war schon eine extrem schlechte Stimmung gegenüber Freilandhaltung - aber auch gegen Biobetriebe mit Auslauf, also Offenstallhaltung", sagt Koch.

Wenn in der näheren Umgebung bei einem Wildschwein Afrikanische Schweinepest festgestellt werden sollte, muss Anja Koch ihre Schweine in den Stall bringen. Das Problem ist nur, dass sie gar keinen hat. Den könnte sie dann pachten, allerdings würden da auch nicht alle Tiere reinpassen. Koch versucht deshalb bereits jetzt, Sauen loszuwerden: "Ich fange an zu reduzieren und muss dann sehen, wie sich die Lage entwickelt. Es muss ja irgendwie auch wirtschaftlich bleiben und der Betrieb aufrechterhalten werden - zumindest solange noch keine Einstallung gefordert ist."

Einfach sei das nicht, sagt Koch, denn für Altsauen gebe es eigentlich keinen Markt – für die müsse sie dann mühsam einen Käufer suchen. Sollte sie den finden, würden ihr die verkauften Schweinemütter aber fehlen. Denn Geld verdient die Bäuerin hauptsächlich durch den Verkauf von Ferkeln.

"Im Stall wird das nicht gutgehen"

Noch spazieren die Outdoor-Sauen auf der Koppel herum und ahnen nicht, was ihnen womöglich blüht. Ihre Schweine werden es im Stall nicht aushalten, fürchtet Anja Koch. "Die sind das nicht gewöhnt. Die werden extremen Stress haben und das wird auch nicht gutgehen." Sie könne die Tiere dann nur einstallen und stehenlassen bis sie geschlachtet werden.

Und dann sei es vorbei, sagt Koch: "So wie ich die Stimmung im Moment einschätze, wird es auch keine Genehmigung mehr für Freilandhaltung geben." Ihre wirtschaftliche Existenz wäre damit kaputt, und das findet sie ungerecht - die Einstallung sei doch eigentlich nur dafür da, um die industrielle Schweinehaltung zu schützen: "Sobald die Seuche den Hausschweinbestand erreicht, trifft das den Export."

Für den Menschen sei das Virus nicht gefährlich, und wenn ihre Tiere krank würden sei das ihr Problem und ihr finanzielles Risiko, meint Anja Koch. "Deswegen schütze ich meine Schweine ja auch davor." So gut sie es eben kann.

Thomas Paulke vom deutschen Schweinemuseum in Ruhlsdorf findet es richtig, wegen der aktuellen Seuchengefahr Schweine jetzt in Ställe zu sperren. Zu DDR-Zeiten konnten die Tiere der LPGs noch raus an die frische Luft, erzählt der promovierte Landwirt. Im Laufe der 70-er Jahre war damit Schluss, wegen der Seuchengefahr. "Das hat man damals abgeschafft, weil man damals auch schon Probleme mit Schweinekrankheiten hatte. Damals waren das Krankheiten, die heute fast ausgerottet sind - wie Maul- und Klauenseuche und die klassische Schweinepest, die eben auch über Wildschweine übertragen wird."

Säue noch unter freiem Himmel in Brandenburg (Bild: rbb/Asmussen)
Noch sind die Outdoor-Sauen von Anja Koch im Freien. | Bild: rbb/Asmussen

Das Schwein - ein unbekanntes Wesen

Jetzt ist es eben die Afrikanische Schweinepest. Damit die Bauern hierzulande von der Seuche verschont bleiben, müsse man auf Abschottung und Hygiene setzen, meint der Schweinehistoriker. Andererseits sieht er, dass die Kluft zwischen Verbrauchern und Erzeugern immer größer wird, wenn das Schnitzel im Supermarkt quasi aus einem hermetisch verschlossenen Paralleluniversum kommt. "Heute sieht kaum noch jemand ein lebendes Schwein", sagt Paulke. "Früher hat fast jeder mal irgendwie mit Schweinen zu tun gehabt. Die Leute konnten einschätzen, was eine gute Art der Haltung ist, welches Tier gesund ist und welches krank, oder wie man ein Schwein oder Ferkel anfasst. Das weiß heute keiner mehr."

In Brandenburg konzentriert sich die Haltung weitgehend auf wenige, große Betriebe. Und denen kann die afrikanische Schweinepest richtig gefährlich werden.

Im Betrieb gibt's keine Salami aufs Brot

Hans-Christian Daniels ist Ferkelproduzent mit drei Standorten im Land. Einer davon liegt im Oder-Spree-Kreis, nicht weit von da, wo infizierte Wildschweinkadaver gefunden wurden. Der Schweinebauer ist gerade unterwegs zu diesem Hof. Weil ich aus Sicherheitsgründen sowieso nicht in den Stall dürfte, treffen wir uns an der Strecke.

Wenn sich irgendwo ein Schwein das ASP-Virus einfängt, muss der komplette Bestand gekeult werden. Für das Personal in seinen Betrieben gelten deshalb strenge Regeln, erzählt Daniels. Wer in den Stall geht muss immer vorher duschen, komplett die Kleidung wechseln, das Handy in einer UV-Licht-Schleuse desinfizieren und die Mitarbeiter dürfen keine geräucherte Salami, keinen geräucherten Schinken, kein frisches Schweinefleisch auf dem Frühstücksbrot oder für die Mittagspause mitnehmen in den Betrieb. Weil in der Wurst oder im Schinken Fleisch von infizierten Schweinen stecken könnte, und damit das gefährliche ASP-Virus.

Der Ferkelproduzent Hans Christian Daniels mit seinen Säuen (Bild: rbb/Asmussen)
Ferkelproduzent Hans-Christian Daniels. | Bild: rbb/Asmussen

Schweineexporteure wollen Freilandhaltung verbieten

Wenn diese Vorsichtsmaßnahmen konsequent eingehalten werden, dann sind die Sauen und Ferkel im Stall ziemlich sicher, meint der Sechzigjährige. Das würde ihm und seinen Kollegen allerdings wenig nützen, wenn sich Freilandschweine wie die von Anja Koch draußen auf der Koppel anstecken: Im Umkreis von mindestens zehn Kilometern dürften dann keine Schweine mehr transportiert und keine Sauen mehr künstlich besamt werden. Da ginge praktisch gar nichts mehr. Der Fleischexport würde einbrechen, wahrscheinlich für Jahre.

Deshalb sollte die Freilandhaltung in den von ASP betroffenen Landkreisen sofort verboten werden, verlangt Daniels als Vorsitzender der Interessengemeinschaft Brandenburger Schweinehalter. "So hart das klingt. Aber das Risiko, dass die Afrikanische Schweinepest in einen Hausschweinebestand eingeschleppt wird, ist sehr groß. Wenn das passiert, wird es für längere Zeit nicht möglich sein, zu exportieren." Und das, sagt Daniels, wäre für die deutschen Schweinehalter auf den Supergau Corona noch eins draufgesetzt.

Kleine Freilandhalterinnen wie Anja Koch im Fläming vermarkten ihre Schweine direkt in der Region - anders als die großen, konventionellen Betriebe.

Im letzten Jahr lief es richtig gut

Die hatten bis vor kurzem gerade wegen der afrikanischen Schweinepest gutes Geld verdient, weil sie so viel Fleisch nach China exportieren konnten. Dort war die Seuche 2018 ausgebrochen. Daraufhin soll in China die unfassbare Menge von zweihundert Millionen Tieren gekeult, also getötet und vernichtet worden sein. Das fehlende Schweinefleisch wurde anschließend importiert - auch aus Deutschland. Davon habe man hier profitiert, sagt Hans-Christian Daniels: "Das letzte Wirtschaftsjahr war für Ferkelerzeuger ein gutes Jahr, ein sehr gutes sogar."

Aber das ist nun vorbei und in Brandenburg wird es langfristig wohl weniger Sauenhalter geben, schätzt Daniels. Die Zukunft der Bauern mit Freilandschweinen sieht er dagegen positiv, wenn die afrikanische Schweinepest irgendwann durch ist. "Dann können diese Bestände ja auch wieder neu anfangen. Ich sehe dafür einen Markt, und der wird bei einem Teil der Bevölkerung vielleicht auch noch weiterwachsen."

Diese optimistische Ansage dürfte die betroffenen Biobauern allerdings kaum trösten – denn wenn die Stallpflicht kommt, ist ihr Geschäft kaputt.

Beitrag von Marie Asmussen

9 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 9.

    Na klar, früher war alles besser - der Himmel war blauer, das Wasser war nasser, und das Fleisch von Schweinen, die vor der Schlachtung Qualen ausgesetzt waren, schmeckte auch besser. Ich glaube, Sie haben die falschen Tabletten erwischt. Dann sind Sie wohl auch für die Massentierhaltung, die so gehaltenen Schweine schmecken besonders gut, denn sie haben stßndig Stress, also viel Adrenalin .

  2. 8.

    Das Fleisch hat früher besser geschmeckt, wahrscheinlich lag es am Adrenalin als die per Stromrampe gescheucht wurden. War alles besser.

  3. 7.

    Dem pflichte ich bei, eine Abschaffung ist keine Lösung, sondern nur eine Verstärkung bereits bestehender massiver Probleme. Ich hoffe sehr, dass diejenigen, die sich für Tierwohl und entsprechende Verbesserungen einsetzen und ihr Konzept unter viel Aufwand umgestellt haben, nicht im Stich gelassen werden.

  4. 6.

    "Im Laufe der 70-er Jahre war damit Schluss, wegen der Seuchengefahr. "Das hat man damals abgeschafft, weil man damals auch schon Probleme mit Schweinekrankheiten hatte. Damals waren das Krankheiten, die heute fast ausgerottet sind - wie Maul- und Klauenseuche und die klassische Schweinepest, die eben auch über Wildschweine übertragen wird.""
    Eine deutliche Reduzierung und langfristig eine Seltenheit (Zucht von Schweinen aber auch anderen Tieren), in Deutschland und einigen anderen westlichen Ländern (weltweit in den nächsten Jahrhunderten) würde dieses Problem meiner Meinung nach lösen. Heute ist es ASP, morgen ein anderer Virenstamm. Wie viel Zeit muss eigentlich noch vergehen, um zu begreifen, dass Nutztierhaltung überholt, in vielen Fällen ethisch, hygienisch und ökologisch betrachtet, fragwürdig ist?
    Tiere zum Verzehr züchten, wegen eines Virus' keulen. Landwirte die wegen finaziellen Verlusten weinen. Nicht wegen diesen toten Lebewesen. Perverse kranke Welt.

  5. 5.

    Die Züchterin sollte selbst entscheiden dürfen, ob sie ihre Schweine draußen gut sichert oder einsperrt. So wie es beschreiben ist, mit doppeltem, z.T. unter Strom stehenden Zaun, ist es doch eine gute Lösung. Falls die Schweine trotzdem erkranken, ist es ihr eigenes Risiko, aber sie kennt ihre Tiere auch und macht sich Gedanken um ihr Wohl bei Eingesperrtsein. Jetzt so schnell einen Stall zu bauen, geht auch nicht, ist zu teuer, und falls trotzdem eine Infektion passiert, war die Investition vergebens und der Verlust der Schweine kommt noch obendrauf. Solange alle aufpassen, nichts ins Gehege zu tragen, sollte sie es so belassen dürfen.

  6. 4.

    Ich finde Ihre Idee großartig. Es stimmt, jeder schreit nach staatlicher Hilfe. Aus der Landwirtschaft nicht wegzudenken. Zu warm, zu kalt, zu nass, zu trocken. Leider geht das Geld bevorzugt an die Großen. Monokulturen, Massentierhaltung. Hier könnte man gezielt den Kleinen helfen, die artgerechte Tierhaltung betreiben und Nahrungsmittel für die Region produzieren.

  7. 3.

    Soll wohl ein Witz sein? Hört sich an wie ein schlechter Vorwand, um doch schnell wieder auf Massentierhaltung und Billigfleisch umzusteigen. Bitte nicht die Afrikanische Schweinepest vorschieben.

  8. 2.

    Zuschüsse für die Freilandbauern wäre erforderlich, "
    Es gibt so gut wie kein landwirtschaftliches Problem, welches nicht mit Zuschüssen aus der Welt zu scvjaffen wäre. Zumindest vorübergehend.
    Erinnert so ein wenig an das Politikkonzept der fdp-die Älteren unter uns werden sich erinnern,das war mal eine politische Partei. Die wollen jedes denkbare Problem, von Fußpilz bis Massenverelendung, mit Steuersenkungen aus der Welt schaffen.

  9. 1.

    Ich finde es überhaupt nicht in Ordnung über eine Abschaffung von Freilandhaltung nachzudenken. Zuschüsse für die Freilandbauern wäre erforderlich, so dass lichtdurchlässige Überdachungen und Sicherungen gegen Tiere, wie beispielsweise Krähen o. a. erstellt werden können. Leute, wir haben es doch als Menschen gerade schwer genug. Bitte denkt doch alle viel mehr hilfreich. Danke denen, die mich verstehen und bleibt gesung

Nächster Artikel

Das könnte Sie auch interessieren

Symbolbild: Rost an einer Schraube an einem Stahlträger einer Brücke, aufgenommen am 28.06.2020. (Quelle: Picture Alliance/Karl-Heinz Spremberg)
Picture Alliance/Karl-Heinz Spremberg
2 min

Brandenburg an der Havel - Marode Brücken, große Sorgen

In Brandenburg an der Havel sind viele Brücken marode. Es wird immer schwieriger, durch die Stadt zu kommen, insbesondere für Lkw und schwere Fahrzeuge. Das bedeutet große Risiken für die regionale Wirtschaft. Von Claudia Baradoy und Philipp Rother