Kritik an EU-Agrarreform - Wie die Landwirtschaft umweltfreundlicher werden kann
Am Samstag protestiert das Bündnis "Wir haben es satt!" gegen Klimakrise, Tierfabriken und Höfesterben. Auch vielen Brandenburger Landwirten geht die EU-Agrarreform, die derzeit in Brüssel verhandelt wird, nicht weit genug. Von Stefanie Otto
Dürresommer, ausgelaugte Böden, Winderosion und immer wieder neue Auflagen von der Politik. Brandenburgs Landwirte haben zurzeit sicher andere Prioritäten, als sich um Umwelt- und Artenschutz, um Schmetterlinge, Kröten und Feldlerchen, zu kümmern.
Peter Kaim vom Havellandhof Ribbeck macht es trotzdem. Seit 2017 sind seine rund 1.000 Hektar Äcker und Weiden Demonstrationsflächen im Artenschutz-Projekt F.R.A.N.Z. Zehn Jahre lang kann er mit Naturschutzmaßnahmen wie Blühstreifen, Lerchenfenstern und Feuchtbiotopen experimentieren, ohne auf den Ernteertrag dieser Flächen angewiesen zu sein. Experten für Naturschutz und Landwirtschaft begleiten ihn dabei.
Nach vier Jahren im Projekt hat Peter Kaim für sich herausgefunden, dass er zehn Prozent seiner Fläche Tieren und Insekten als Lebensraum überlassen muss, um effektiven Artenschutz zu leisten. Der Landwirt, der seine Äcker nebenbei auch auf bodenschonende Bearbeitung und Dauerbegrünung umstellt, ist jetzt begeistert von der Rückkehr der Feldlerchen, Hummeln und Feldhasen. Er weiß aber auch, welches Umdenken das von den Bauern erfordert: "Es muss einem bewusst sein, dass zehn Prozent wirklich ein Kraftakt für einen Landwirt sind, wenn er sagt, er nimmt zehn Prozent als Betriebszweig Naturschutz mit auf."
EU will mehr Subventionen an Umweltmaßnahmen binden
Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU will die Landwirte nun zu diesem Kraftakt zwingen. Für die vollen Agrar-Subventionen müssen die Bauern künftig mehr Artenschutz leisten. Bisher gibt die EU Landwirten 261 Euro pro Hektar Ackerland – auch für eine Mais-Monokultur. Nur fünf Prozent der Fläche muss für Öko-Maßnahmen, das sogenannte Greening, reserviert oder stillgelegt werden. Mit der Agrar-Reform soll es zukünftig anders laufen.
Allein für die Fläche gibt es dann wohl nur noch 80 Prozent der EU-Subventionen. Erst wenn der Landwirt freiwillige Umweltschutz-Maßnahmen umsetzt, die sogenannten Eco-Schemes, gibt es die restlichen 20 Prozent. Mit Blick auf die noch laufenden Verhandlungen auf EU-Ebene fordert Peter Kaim, "dass der Landwirt auch die Möglichkeit hat, aus einem gewissen Portfolio auszuwählen, welche Maßnahme für seinen Standort, für seine Betriebskreisläufe am effektivsten ist."
Kritik an pauschaler Flächenprämie
Umwelt- und Verbraucherschützer wie auch Verbände von bäuerlicher und biologischer Landwirtschaft kritisieren die Pläne der EU jedoch: Die Anreize für Umweltmaßnahmen gingen nicht weit genug.
In einem Appel des Naturschutzbundes (Nabu), den knapp 50.000 Menschen online unterzeichnet haben, wird die Reform als "fauler Kompromiss" bezeichnet. Weder gäbe es verbindliche Klima- und Biodiversitätsziele, noch ausreichend Fördergelder für Naturschutzmaßnahmen. Stattdessen solle der Löwenanteil der Subventionen weiter pauschal nach Fläche gezahlt werden.
Dabei gäbe es mit bereits geeignete Richtlinien der EU: Diese sehen unter anderem vor, den Einsatz von Pestiziden und Antibiotika um 50 Prozent und den Einsatz von Dünger um 20 Prozent bis 2030 zu senken. Außerdem soll der Anteil an ökologisch bewirtschafteten Flächen auf ein Viertel steigen.
Das Bündnis "Wir haben es satt!" geht sogar noch einen Schritt weiter. Unterstützt von 400 Organisationen aus 12 EU-Staaten fordert es ein Ende der pauschalen Flächenprämien. Stattdessen müssten öffentliche Gelder in Zukunft vorrangig für öffentliche Leistungen, also Arten- und Klimaschutz, Tierwohl und gute Löhne und Arbeitsbedingungen eingesetzt werden.
Statt Klimaschutz nur Klimaanpassung
Nach drei Dürrejahren besteht ein breiter Konsens darüber, dass sich die Landwirtschaft an die Folgen des Klimawandels anpassen muss, um weiterhin gute Erträge zu erzielen. Doch bei der Bekämpfung der Ursachen der Erderwärmung gibt es noch kein einfaches Rezept für die Landwirte.
Erst im Dezember hat die Europäische Union ihr Klimaziel bis 2030 verschärft. Der Ausstoß von Treibhausgasen soll im Vergleich zu 1990 um mindestens 55 Prozent gesenkt werden. Alle Bereiche der Wirtschaft werden davon betroffen sein. Doch die Landwirtschaft ist noch weit davon entfernt, ihren Anteil der Emissionen zu reduzieren.
In Deutschland ist die Landwirtschaft für etwa 7,4 Prozent der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Hier entsteht zwar kein Kohlenstoffdioxid in großen Mengen. Jedoch setzen Tiere und Böden die klimaschädlichen Gase Methan und Lachgas frei. Methan kommt aus den Mägen von Wiederkäuern und aus den Lagern von Mist und Gülle. Lachgas entsteht vor allem beim Düngen der Felder. Dabei sind Methan und Lachgas 25-mal bzw. 300-mal so klimaschädlich wie Kohlendioxid.
Erster Betrieb Brandenburgs mit Klimabilanz
Sind Kühe also Klimakiller? Helge Milatz von der Agrargenossenschaft Quitzow bei Perleberg wollte genau diese Frage klären. Für seine 350 Kühe, 3.200 Schweine und 2.600 Hektar Land hat der Betrieb als erster Brandenburgs eine Klimabilanz aufstellen lassen. Denn Partnerbetriebe wie die Molkerei fragen neuerdings solche Zahlen bei ihm nach.
Zwar zeigte die Bilanz auch, wo der Betrieb schon Ressourcen effizient einsetzt. Doch der Fußabdruck von über 11.000 Tonnen CO2-Äquivalenten im Jahr 2019 war doch ernüchternd. Die Genossenschaft hat aber einen Weg gefunden, um die Bilanz zu verbessern: Sie produziert Strom und Wärme in einer eigenen Biogasanlage und hat mehrere Stalldächer mit Photovoltaik-Modulen ausgestattet. So muss Leiter Helge Milatz weniger Energie zukaufen. In der Bilanz spart er 300 Tonnen klimawirksame Gase ein – so viel wie 200 Berufspendler pro Jahr mit dem Auto ausstoßen.
Doch damit werden die Ausscheidungen der Tiere nicht weniger. Nach dem Klimaplan der Bundesregierung soll die Landwirtschaft bis 2030 weitere 14 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen. Eine Landwirtschaft völlig ohne Emissionen ist nicht möglich. Daher schlagen Experten vor, den Tierbestand zu reduzieren und die Produktion stattdessen auf pflanzliches Eiweiß umzustellen. Gülle und Mist sollen zukünftig geschlossen gelagert sowie weniger Dünger und Energie verbraucht werden.
Weniger Tiere und Dünger hieße für die Genossenschaft aber: weniger Ertrag, also weniger Einkommen oder Arbeitsplätze. Nur ein Umdenken in der Subventionspolitik könnte das ändern, bekräftigt auch Helge Milatz: "Damit jeder Landwirt sich damit beschäftigt, muss er damit irgendwo Geld verdienen. Und solange wir Milch produzieren können und zusätzlich die Umwelt schonen können, sind wir natürlich dabei."
Sendung: Brandenburg Aktuell, 08.01.2021, 19:30 Uhr