Studie sieht Berlin als geeignet - "Der Einsatz von Lufttaxis ist sehr realistisch"

So 09.07.23 | 08:27 Uhr | Von Hasan Gökkaya
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Ein Flugtaxi der Firma Volocopter hebt am Flughafen Fiumicino ab (Bild: Volocopter)
Bild: Volocopter

Von Kreuzberg in den Wedding fliegen: Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt glaubt, dass schon in den kommenden Jahren Flugtaxis in Berlin Menschen befördern könnten. Wie bitte? Ein Gespräch mit der Luftfahrt-Ingenieurin Bianca Schuchardt.

Berlin kann Flugtaxi - zumindest traut das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) es der Metropole zu, in den nächsten zehn Jahren unbemannte Luftgeräte im Verkehr einsetzen zu können. In einer Studie, die gerade vorgestellt wurde [dlr.de], wurden rund 200 Städte ausgemacht, die geeignet seien, Menschen innerhalb der Stadt in der Luft zu transportieren - fliegen statt fahren also. Was nach Science Fiction klingt, soll bereits ab 2030 möglich sein.

Zumindest halten die DLR-Forscher es für realistisch, dass dann erste Unternehmen mit ihren Lufttaxis auf den Markt drängen werden. Neben Berlin sei dies auch in Hamburg, München, Frankfurt sowie New York und Tokio denkbar. Luftfahrt-Ingenieurin Bianca Schuchardt arbeitet im DLR-Institut für Flugführung und ist Leiterin des Forschungsprojekts.

rbb|24: Frau Schuchardt, Sie sagen, in weniger als sieben Jahren könnten Flugtaxis in Berlin unterwegs sein. Meinen Sie das ernst?

Bianca Schuchardt: Auf jeden Fall! Natürlich handelt es sich hierbei um eine Prognose, die - wie immer - mit einer gewissen Unsicherheit einhergeht. Aber selbst wenn wir verschiedene Szenarien berücksichtigen, also mal mit einer größerer Nachfrage, mal mit einer kleineren, sehen wir bereits in den kommenden Jahren ein großes Potential. Der Einsatz von Lufttaxis ab 2030, spätestens bis 2050, ist sehr realistisch.

Sie haben in ihrer Untersuchung weltweit 200 Städte als geeignet für den Einsatz von Drohnen und hochautomatisierten Flugtaxis auserkoren. Darunter sind auch Berlin und Hamburg. Was macht diese Städte so besonders?

Wir haben uns auf Städte mit mehr als 500.000 Einwohnern konzentriert und dabei einige Fragen berücksichtigt. Etwa, wie groß ist die Gesamtfläche einer Stadt? Wie hoch ist das Bruttoinlandsprodukt, die Kaufkraft? Und wie sehen bereits bestehende Verkehrssysteme aus? Dabei ist herausgekommen, dass auch einige deutsche Städte geeignete Standorte für den Einsatz solcher Vehikel sein können. Es handelt sich hierbei aber um eine globale Prognose, wir haben Städte wie Berlin, Hamburg und Tokio nicht einzeln im Detail untersucht.

Neue Technologien bringen neuartige Wörter mit sich. In der DLR-Studie wird der Begriff "Vertidrom" genutzt. Was ist das?

Es handelt sich dabei um eine Art Haltestelle. Dort können Lufttaxis landen und starten. Städte müssen schon eine gewisse Dichte an Vertidromen haben, damit dieses Transportnetzwerk attraktiv sein kann.

Das klingt nach Science Fiction - oder sind wir bereits viel weiter als gedacht?

Also die Prognosen der EASA, der Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit, sehen sogar schon 2025 die ersten kommerziellen Einsätze von Lufttaxis in europäischen Städten. Dabei handelt es sich aber noch um pilotierte Lufttaxis sowie Drohnen, die kleinere Transportaufgaben übernehmen.

In den Prognosen, die am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Projekt "HorizonUAM" entstanden sind, haben wir angenommen, dass erst 2030 die Systeme genügend entwickelt sein werden, um Unternehmen ernsthaft mit unbemannten Luftgeräten in den Markt zu bringen. 2050, glauben wir, könnten Lufttaxis sich bereits weltweit in rund 200 Städten etabliert haben.

Aber mit welcher Technologie soll das möglich sein?

In unserer Untersuchung haben wir einige Entwürfe erstellt, die perspektivisch eines Tages hergestellt werden könnten oder bereits in ähnlicher Weise in Produktion sind. Da gibt es zum Beispiel den Quadrotor, das ist ein Fluggerät mit vier Rotoren. Wir kennen das bereits von kleinen Kameradrohnen, das muss man sich in größer vorstellen, so dass vier Menschen reinpassen.

Es könnten auch elektrisch betriebene Schubpropeller hinter das Vehikel gesetzt werden, um höhere Reisefluggeschwindigkeiten zu erreichen. Es gibt dann auch noch die sogenannte Tiltrotorkonfiguration. Das Luftfahrzeug sieht dann aus wie ein Flugzeug, nur hat es zusätzlich sechs schwenkbare Rotoren. Die können auch nach oben ausgerichtet werden, um vertikal starten und landen zu können.

Und potentielle Hersteller haben Lust, solche Geräte zu bauen, weil sich damit auch reichlich Geld verdienen lässt?

Die Abschätzung der Kosten ist in der Tat ein schwieriges Unterfangen. Zumindest im Moment gehen wir davon aus, dass die Nachfrage nach Lufttaxiflügen schnell ansteigen könnte, wenn der Flugpreis bei höchstens vier Euro pro Kilometer liegen würde.

Kostet der Kilometer mehr als vier Euro, würde sich möglicherweise bis 2050 keine große Nachfrage entwickeln – es bestünde also kein Zugang zum Massenmarkt. Nur Menschen mit viel Geld würden Lufttaxis nutzen, das würde am Ende auch zu weniger Vehikeln im Luftverkehr führen.

Wie lebendig ist denn die Branche?

Es tut sich gerade unglaublich viel. Viele Start-ups entwickeln Konzepte und Modelle für Drohnen und unbemannte Luftgeräte. Bisher konnten die meisten Start-ups ihre vor ein paar Jahren angekündigten Deadlines zwar nicht einhalten, aber es gibt bereits einige Unternehmen, auch deutsche, die kurz davor sind, ihre Fluggeräte zertifizieren zu lassen. Auch Automobilhersteller und etablierte Flugzeughersteller haben Interesse am Thema, es gibt auch schon erste Prototypen.

Geht es wirklich darum, in Kreuzberg einzusteigen und im Wedding auszusteigen oder eher darum, ferne Orte zu erreichen?

Es geht schon darum, attraktive Orte miteinander zu verbinden. Es gibt aber auch einfacher gedachte Anwendungsfälle. Es könnte zum Beispiel eine spezielle Route konzipiert werden, damit Reisende schnell und komfortabel zum Flughafen geflogen werden.

Außerdem kann sich der Fokus auch auf regionale Flughäfen richten, die bisher nicht ausgelastet sind. Durch Lufttaxis könnten mehr Reisende dorthin gebracht werden, wo sie dann für die Urlaubsreise in ein Passagierflugzeug einsteigen.

Ist der Einsatz von Flugtaxis nicht gefährlich?

Die Luftfahrt hat generell ein sehr hohes Sicherheitsniveau. Das wird bei Flugtaxis nicht anders sein. Ohne ein solches Sicherheitsniveau wird es keine Zertifizierung geben.

2030 - das sind keine zehn Jahre mehr. Was muss bis dahin passieren, damit Flugtaxis und Drohnen, die Transporte übernehmen, eigenständig abheben können?

Es gibt vor allem vier große Baustellen. Das Vehikel selbst ist eine davon. Es gibt schon tolle Konzepte, die müssen nun aber auch umgesetzt werden, Lufttaxis müssen also gebaut werden, damit eine Zertifizierung erfolgen kann.

Dann werden wir Vertidrome brauchen. Ohne Start- und Landeplätze wird diese Art der Transportmöglichkeit nicht attraktiv sein und auch gar nicht funktionieren. Bisher werden Flugplätze und Hubschrauberlandeplätze genutzt, denn von der Straße abheben und landen ist in Deutschland verboten.

Dann müssen wir uns um das Luftraummanagement kümmern. Das Ziel ist, sogenannte U-Space-Regularien zu verwirklichen. Angestrebt werden also Verkehrssysteme, die es ermöglichen, Drohnen und Flugtaxis ohne Fluglotsen und Sprechfunk zu leiten. Es gibt bereits Prototypen dafür, weitere Forschung ist hier aber nötig. Und letztendlich braucht die Sache natürlich auch eine gesellschaftliche und politische Akzeptanz.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Hasan Gökkaya für rbb|24.

Beitrag von Hasan Gökkaya

47 Kommentare

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  1. 47.

    Ich weiß nicht, ob sie Versuchsanlage im Emsland während der Betriebszeiten besucht haben, versichere ihnen aber, dieses Geräusch wollen sie nicht in Ihrer Umgebung haben. Dazu auch:
    https://www.spektrum.de/news/magnetschwebebahnen-laermen-unangenehmer-als-ein-intercity/714618

  2. 46.

    "Was war am Transrapid sinnlos?"
    Er war sinnlos als weiteres Verkehrsmittel neben existierenden, das wieder eine neue, teure, singuläre Infrastruktur gebraucht hätte, mit nichts anderem zu kombinieren.
    In einem Land, in dem schon ICEs fahren (und damals ja auch noch größtenteils pünktlich), war der Transrapid überflüssig. Gerade was Ihr Beispiel Berlin angeht - wo hätten denn die Transrapidstelzen in der ganzen Stadt gesetzt werden sollen? Wo hätte er mit 500 Sachen denn langrasen sollen?
    Von Gesundbrunnen oder Hauptbahnhof zum BER, über zig Kilometer eine völlig neue Transrapidtrasse durch Berlin? Das wäre ein Spaß geworden...

  3. 45.

    "genauso sinnlos wie der Transrapid seinerzeit." Was war am Transrapid sinnlos? Wenn es super als Flughafenanbindung in Shanghai funktioniert, hätte es doch in der vergleichsweisen Kleinstadt Berlin auch sinnvoll sein können.

  4. 44.

    ... und dann mit nem E-Roller vom Landeplatz weiter zum eigentlichen Ziel?
    Was für ein Quatsch. Dann doch mal gleich mit dem E-Roller entweder zum Ziel oder zum nächsten S- oder U-Bahnhof. Diese Lufttaxen sind als innerstädtische Verkehrsträger konzipiert. Das geht dann wohl selbst in Berlin auch ganz gut mit schon vorhandenen Verkehrsträgern.

  5. 43.

    "Und man muss nicht erst zu irgend einem Start- und Landeplatz."
    Das ist gar kein Problem mehr - genau dafür hat die Menschheit ja Elektroroller zum Ausleihen erfunden...

  6. 42.

    Wo starten, landen und parken die alle? Nachts um 1, morgens um 4, wenn die Leute schlafen. Ich meine die Propeller sehen mir auch nach mehr Platz als ein PKW aus.

  7. 41.

    Aber zum treten ?? Wenn ich mit nem Elektrosmart in der Luft fliegen kann, warum dann nicht auf der Straße fahren ??

  8. 40.

    >"und von autonomen Fahren sind wir noch Jahrzehnte entfernt..."
    Wie auch mit dem autonomen Fliegen wie bei diesen Lufttaxis. autonom im wahrsten Sinne des Wortes geht schon rein rechtlich nicht, weil immer eine haftbare Person oder Personengruppe (Unternehmen) die Verantwortung für alles übernehmen muss. Das Auto oder das Lufttaxi darf nie allein ohne menschlichen Eingriff und Überwachung durch die Gegend düsen. KI schön und gut, aber rechtlich haftbar ist die auch nicht.

  9. 39.

    denke ich mittlerweile auch da viele nur noch über KI „ nachdenken „oder schon ein Realitätsverlust existiert bei großen Bevölkerungsgruppen.Ein Lufttaxi ist schon wegen des CO2-Äquivalent eine Frechheit,warum wird nicht in frische bodenständige Ideen investiert,aber in Zukunftsmusik.Vor ca.zwei Jahren war ein übergroßer Vollmond zu sehen der fast den halben Horizont ausfüllte ,dies zu erforschen ist wichtig,auch weswegen Zeugen die dieses Naturereignis sahen dies vor ihrem geistigen Auge nicht wahrnehmen,als finanzielle Mittel für Lufttaxis zu verschleudern was in den Bereich der privaten Investoren gehört

  10. 38.

    Gefällt.
    Gefördert sollte das so nicht werden, da der Totalverlust nahe liegt. Wie bei Cargolifter auch.

  11. 37.

    Super, wieder was was die Menschheit nicht braucht. Der Mensch bekommt Regeln auf der Straße und auf dem Wasser nicht hin, warum dann in der Luft..... und von autonomen Fahren sind wir noch Jahrzehnte entfernt......

  12. 36.

    "Es gibt vor allem vier große Baustellen. Das Vehikel selbst... werden wir Vertidrome brauchen... müssen wir uns um das Luftraummanagement kümmern... eine gesellschaftliche und politische Akzeptanz..."
    4 große Probleme, um ein neues Verkehrssystem zwischen unsere bisher bestehenden zu implementieren. Sorry Leute, aber das ist in unseren Breiten genauso sinnlos wie der Transrapid seinerzeit. Die bestehenden Verkehrssysteme können den wenigen Bedarf an Lufttaxen auch leisten bei besserem Ausbau, sinnvoller Verknüpfung und Optimierung. Denn Taxen gibt es bereits, die überall halten und hinfahren können. Wenn die Straßen etwas leerer wären, kämen die auch fixer von A nach B. Und man muss nicht erst zu irgend einem Start- und Landeplatz. Angesichts des zu erwartenden Preises je Transport, ist das 5. große Prolem die gesellschaftliche Akzeptanz. Für Metropolen wie in China z.B. können solche Lufttaxen von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer durchaus sinnvoll sein.

  13. 35.

    Klar, man kann auch auf dem Marktplatz so eine Frage stellen. Alles erlaubt. Nur eben nicht sinnvoll, diese Frage einem Überbringer von Nachrichten zu stellen.
    Ist doch gar nicht soo schwierig, Fragen an der richtigen Stelle zu stellen.

  14. 34.

    Ich bin ehrlich gespannt wie sich das mit dem Flugbeschränkungsbereich ED-R 146 vereinbaren lässt. (5 Nautische Meilen bis zu einer Höhe von 5000 Fuss um den Reichstag). Jeder Einflug wird als Straftat verfolgt. Bei solchen Ideen a la Cargo Lifter werden vermutlich mal wieder Fördergelder verbrannt, die man besser woanders einsetzen könnte. Sinn macht höchstens nur die Anbindung des Umlandes an den Regionalverkehr, wo bisher der Bus nur ein paar am Tag fährt.

  15. 33.

    Die Flugtaxis werden die Verkehrsprobleme im Zusammenhang mit den Klimaproblemen nicht grundlegend lösen und sind pure Energieverschwendung. Das Geld, das Knowhow und die Arbeitszeit weren hier fehlinvestiert. Wir brauchen stattdessen ein modernes gut ausgebautes Bahn+Bus+Fahrradnetz.

  16. 32.

    Das Bild zeigt:
    Der Platzbedarf (!) beim Starten/Landen,
    Festkleber fernhalten ist machbar?
    Bei Wind gefährlich.
    Und nicht schnell genug...für den Aufwand.
    Trotzdem, ein Versuch ist es wert. Würde Bertha Benz sagen.

  17. 31.

    Einerseits soll man möglichst gar nicht fliegen, andererseits soll es bald Lufttaxis geben. Einen Vorteil hat das ganze, dann kann sich auf die Straße kleben, wer will, das interessiert dann niemanden mehr.

  18. 30.

    "Der rbb ist kein Auskunftsportal, sondern ein Nachrichtenportal. "
    Trotzdem darf ein anderer Leser, der hier genau die gleichen Rechte hat wie Sie, ja wohl nachfragen und damit auch Anregungen geben, was an der Geschichte fehlte und demnächst einmal untersucht werden könnte.
    Und er darf das tun, ohne hier pampig abgekanzelt zu werden.

  19. 29.

    Nachricht bedeutet, nicht nur irgendwas hinzuschreiben, was der Redakteur erwähnenswert findet.
    Man muss da schon gewichten. Und mir erscheint die Flugtaxi-Story spekulativ und unwichtig.
    Diese Spekulation hat aber auch unfreiwillig etwas Komisches, Fortschrittgläubiges an sich. Mir erscheinen dann immer die lustigen Wimmelbilder des Cartoonisten Seyfried aus den 70er Jahren vor dem inneren Auge. Ich glaube, der hatte auch Visionen von Lufttaxis über Berlin.
    Der "Tunnel über der Spree" ist aber immer noch die lustigste Vision von zukünftigen Verkehrswelten.

  20. 28.

    Wenn das kommt, habe ich nur einen Wunsch.
    Bitte lasst die Piloten besser als die Vielzahl der heutigen Taxifahrer in Berlin sein. Keine "Uber-Flieger" bitte.

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