"Bufdi"-Stellen in Brandenburg - Sozialverbände warnen vor Kürzungen bei Freiwilligendiensten
Die Bundesregierung will knapp ein Viertel der Mittel für Freiwilligendienste streichen. Sozialverbände schlagen Alarm, sie befürchten Einschnitte in ihrem Angebot. Auf Hilfe der Landesregierung können sie in Brandenburg aktuell nicht hoffen. Von Michael Schon
- Sozialverbände: Bund will 78 Millionen Euro streichen
- Soziale Träger warnen vor Einschnitten in ihren Angeboten
- Landesregierung lehnt finanzielle Unterstützung ab
Am letzten Arbeitstag gibt es eine Kugel Eis aus Sand. Amy Gennert steht im Garten der Regenbogenkita in Ludwigsfelde (Teltow-Fläming), einer Einrichtung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Um sie herum wuselt eine Gruppe Drei- und Vierjähriger, tobt sich auf Rutschautos aus oder versucht sich am Sandkasten als Eisverkäufer.
Wenn die 19-Jährige auf ihre Zeit als "Bufdi" zurückblickt, fallen ihr drei Dinge ein: Wie aufgeregt und unsicher sie am ersten Tag gewesen sei. Wie herzlich sie von den Kindern und den neuen Kolleginnen aufgenommen worden sei. Und wie viel sie in diesem Jahr Bundesfreiwilligendienst über sich selbst gelernt habe. "Ich habe gemerkt, dass ich in der kreativen Arbeit völlig aufgegangen bin. Die Räume zu gestalten, für die Kinder was zu basteln. Das war voll mein Ding", sagt Gennert. "Ich bin so viel selbstbewusster geworden und weiß jetzt, wo meine Stärken liegen."
350 Euro pro Monat
Erfahrungen fürs Leben, die eigentlich unbezahlbar sind. Vielleicht wiegen sie die Tatsache auf, dass Gennert für ihre Arbeit im Kindergarten nur ein monatliches Taschengeld von 350 Euro bekommen hat. Ihre Hilfe jedenfalls war höchst willkommen. Die Freiwilligen seien eine Bereicherung für Erzieher und Kinder, sagt Nicole Böttcher, die Leiterin der Regenbogenkita: "Sie werden schnell integriert in die Gruppen, sind zusätzlich da und unterstützen das Pädagogenteam. Und sie sind für die Kinder ein ganz zuverlässiger Ansprechpartner, weil sie wirklich das ganze Jahr über da sind."
Man könnte meinen, die Mittel für den Freiwilligendienst seien gut angelegtes Geld, ein vergleichsweise geringer Betrag für einen großen gesellschaftlichen Gewinn. Doch die Bundesregierung sieht darin offenbar einen Posten, in dem sich Millionen sparen lassen. Der Entwurf für den neuen Bundeshaushalt sieht nach Angaben von Sozialverbänden vor, die Mittel für Freiwilligendienste im kommenden Jahr um 78 Millionen Euro zu kürzen, dies seien fast 24 Prozent im Vergleich zu 2023.
"Fatal" fände es Kita-Leiterin Böttcher, wenn die Pläne umgesetzt würden. Derzeit arbeiten zwei Freiwillige in ihrer Einrichtung. Gut möglich, dass es in Zukunft nur noch einer ist. Denn nicht alle Bewerber passen zum Job. "Wenn es jetzt noch diese finanziellen Einschränkungen geben würde, würde die Auswahl noch viel geringer – und dadurch auch das Angebot in den Kitas und in anderen sozialen Einrichtungen", fürchtet Böttcher.
DRK: Bundesfreiwilligendienst ausbauen statt kürzen
Kristina Valente wird noch grundsätzlicher. Sie ist Leiterin des Teams Freiwilligendienste beim DRK-Landesverband Brandenburg, bei dem 126 der landesweit knapp 1.100 Freiwilligen arbeiten. Die geplanten Kürzungen seien das völlig falsche Zeichen für junge Menschen, die sich freiwillig ein Jahr sozial engagierten. "Es sind wieder die jungen Leute, die auch während Corona und jetzt in Zeiten der Inflation wahnsinnig viel zurückstecken mussten. Sie werden wieder einer Möglichkeit beraubt, sich persönlich weiterzuentwickeln", sagt Valente.
Auch angesichts des Fachkräftemangels sei für sie nicht nachvollziehbar, warum ein Instrument beschnitten werden solle, mit dem junge Leute für soziale Berufe begeistert werden könnten. Nicht selten sei es der Fall, dass diese dann später auch in diesen Beruf einstiegen, so Valente.
Schon seit längerem fordere das DRK daher zusammen mit anderen Trägern sozialer Dienste eine Förderung mit Landesmitteln: "Wenn der Bundeshaushalt seine angekündigte Kürzung so durchzieht, brauchen wir dringend andere Mittel, die uns in unserer wichtigen Arbeit unterstützen", lautet ihr Appell. Eigentlich müsste der Dienst nicht eingeschränkt, sondern ausgebaut werden.
Landesregierung plant keine Aufstockung der Mittel
Der Appell verhallt allerdings bisher bei der brandenburgischen Landesregierung. Das zuständige Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz teilt auf Anfrage von rbb|24 mit, Landesmittel stünden "aktuell nicht zur Verfügung und sind auch nicht geplant." Die geplanten Kürzungen will das Ministerium auf Anfrage nicht kommentieren. Es lägen noch keine Informationen zu möglichen Kürzungen und deren Auswirkungen auf Stellen im Land Brandenburg vor.
Amy Gennert fände es gut, wenn noch viel mehr junge Menschen wie sie Erfahrungen als Freiwillige sammeln könnten. Für die junge Frau war der Dienst ausschlaggebend für die Berufswahl. Direkt nach dem Abitur wollte sie Ergotherapeutin werden. Jetzt will sie Lehrerin werden, Biologie – und Kunst oder Musik, das steht noch nicht fest. Wenn ihr Studium im Oktober beginnt, weiß sie: Kindern etwas beizubringen, das erfülle sie.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.08.2023, 19:30 Uhr