Pläne in Brandenburg - Umgang mit Mooren offenbart Dilemma zwischen Klimaschutz und Landwirtschaft
Brandenburg muss für mehr Klimaschutz ein Viertel seiner trockengelegten Moore wieder vernässen. Moorschützer fordern, dass es noch mehr sein sollten. Landwirte hingegen fürchten, ihre Wiesen für Viehfutter zu verlieren. Von Stefanie Otto
- 95 Prozent der früheren Moore in Brandenburg wurden trocken gelegt
- die trockengelegten Flächen stoßen mehr CO2 aus als der gesamte Verkehr im Land
- ein Viertel der Moore sollen wiedervernässt werden
- Landwirte sorgen sich um Wiesen als Futter-Grundlage
"Viele Menschen sehen so eine Wiese und denken gar nicht, dass hier drunter ein Moor ist. Es sieht ja nicht wirklich wie ein Moor aus, sondern wie eine schöne grüne Wiese", erklärt Christina Grätz, Biologin von der Arbeitsgemeinschaft Klimamoor, während sie den Spaten in den Boden rammt.
Auf einer Weide im sogenannten Polder Netzen bei Kloster Lehnin im Landkreis Potsdam-Mittelmark untersucht sie den Zustand des Moorbodens. Unter der Grasnarbe kommt dunkelbraune, fast schwarze Erde zum Vorschein, die schmierige Klumpen bildet. "Das heißt, der Torf ist schon sehr stark zersetzt durch die Entwässerung", so Grätz.
95 Prozent der früheren Moorflächen wurden in Brandenburg zu Weiden oder gar Äckern umfunktioniert. Gräben ziehen das Wasser aus der Landschaft, Schöpfwerke pumpen es über Kanäle in die Flüsse. Allein in Brandenburg hat dieses Grabennetz eine Länge von 24.000 Kilometern. Vor allem in den 1950er und 60er Jahren sah man das als nötig an, um die Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern. Denn nur auf den trockengelegten Flächen konnte Futter für die Tiere angebaut und mit schweren Maschinen geerntet werden.
Entwässerte Moore stoßen mehr CO2 aus als der gesamte Verkehr im Land
Schon damals gab es Kritik. Doch in weiten Kreisen wurde das Problem erst mit dem wachsenden Bewusstsein für den Klimawandel bekannt, wie Lukas Landgraf berichtet. Der Landschaftsökologe ist beim Landesamt für Umwelt zuständig für den Moorschutz. Intakte Moore speichern mehr Kohlenstoff als Wald [boell.de]. Doch wenn das Wasser sinkt, zersetzt sich der Torf und bildet CO2.
In Brandenburg stoßen entwässerte Moore jährlich 7,2 Millionen Tonnen CO2 aus, mehr als der gesamte Verkehr in Brandenburg [greifswaldmoor.de/PDF]. Lukas Landgraf mahnt, keine Zeit verlieren zu dürfen: "Der Torf wird immer weiter veratmet. Und solange das Wasser tief ist, können die Mikroorganismen ihr Werk tun. Aber wir wollen den Wasserstand anheben und den Torf schützen, so dass auch die Bewirtschaftung weiter gehen kann. Sonst ist hier für die nächste Generation Schluss an der Stelle."
Je höher das Wasser, desto besser die Klimabilanz
Damit der restliche Kohlenstoff im Moorboden bleibt, müsste der Wasserstand angehoben werden. Jeder Zentimeter mehr senkt die Emissionen. Deutschland hat sich das Ziel gesetzt bis 2050 klimaneutral zu werden. Die Emissionen aus Moorböden sollen bis zum Jahr 2030 zunächst um fünf Millionen Tonnen Kohlendioxid-Äquivalente gesenkt werden. Das sind etwa zehn Prozent der aktuellen jährlichen Emissionen aus genutzten Mooren.
Für Brandenburg bedeutet das eine Reduzierung um mindestens 750.000 Tonnen CO2-Äquivalente. So lautet auch das Ziel des Moorschutzprogramms, das im März 2023 vom Land verabschiedet wurde.
Ein Viertel der Ex-Moore soll wiedervernässt werden
Dazu müssten 50.000 Hektar Moorböden wiedervernässt werden, also etwa ein Viertel der derzeit genutzten Moorflächen. Christina Grätz und die Arbeitsgemeinschaft Klimamoor wurden vom Land beauftragt, dieses Vorhaben zu begleiten und Nutzer und Eigentümer der Flächen zu beraten.
"Für den Klimaschutz wäre es vielleicht sogar sinnvoll, wenn alle Moore in Brandenburg wieder so aussehen würden wie früher", erklärt Christina Grätz. "Aber wir haben eben sehr viele Flächen, die landwirtschaftlich genutzt sind und wo auch Arbeitsplätze und Betriebe dranhängen, Herzblut dranhängt und deswegen soll die landwirtschaftliche Nutzung auf diesen Flächen beibehalten werden."
Viele Landwirte gegen die Vernässung von Mooren
Doch für die Landwirte ist immer noch nicht klar wie Bewirtschaftung und Klimaschutz im Moor zusammen gehen sollen. Landwirt Heino Tietje hält 1.200 Milchkühe. Die Flächen, auf denen er das Futter für die Tiere erntet, liegen im Uckertal, auch ein einstiges Moor. "Wir können aus diesem Gras, was sonst niemand verwerten kann, Wertschöpfung schaffen", argumentiert Tietje. "Pro Hektar Moor produzieren wir im Jahr ca. 20.000 Liter Milch. Das reicht für 60 Menschen".
Drei Viertel seines Grünlands wären von der Wiedervernässung betroffen. Viele Landwirte haben sich daran gewöhnt, dass ihre Flächen ganzjährig trocken sind und haben ihre ganze Produktion darauf ausgerichtet. Auch die Landeigentümer sind skeptisch und fürchten, dass ihre Flächen an Wert verlieren, wenn sie wieder ganzjährig nass sind. "Auf den vernässten Flächen, wachsen halt keine wertvollen Pflanzen", sorgt sich Heino Tietje. "Das Grundfutter für unsere Kühe müssen wir hier sicherstellen können. Und wenn das alles vernässt wird, dann fehlt uns das."
Auch das Befahren, Düngen und Ernten würde auf nasseren Flächen schwieriger bis unmöglich sein, meint der Landwirt und sieht erst einmal keinen gemeinsamen Nenner. Umwelt- und Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Die Grünen) jedoch schon. Beim "Zukunftsdialog" in Prenzlau im Juni erläuterte er vor Landwirten aus der Region: "Wir werden die Moore nicht CO2-frei kriegen. Sondern uns geht es darum, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Das bedeutet aber, dass wir am Ende flächendeckend 30 Zentimeter unter Flur haben. Nicht 50, nicht 70, nicht 90 Zentimeter."
Kompromiss soll Landwirtschaft und Klimaschutz ermöglichen
Eine Anhebung des Wasserstands auf mindestens 30 Zentimeter unter der Grasnarbe soll beides möglich machen. Klimagase im Boden halten und die bisherige Bewirtschaftung weiterhin zulassen. Was wie ein Kompromissvorschlag klingt, wirft bei den Landwirten jedoch neue Fragen auf. Wie soll der Wasserstand überall gleich hoch gehalten werden, wenn das Gelände uneben ist? Wie soll das Wasser reguliert werden, wenn es starke Niederschläge oder Trockenphasen gibt.
Dafür braucht es genaue hydrologische Gutachten, wasserrechtliche Genehmigungen und jemanden, der die Gräben und Stauanlagen steuert. Doch wie schnell das kommen soll, konnte auch der Minister nicht sagen: "Ich kann Ihnen hier gar keinen Zeithorizont nennen. Aber was Sie auf jeden Fall bei Ihren Planungen berücksichtigen müssen, ist, dass Sie eine intensive Tiefstentwässerung von Moorstandorten mit Sicherheit nicht mehr durchbekommen werden."
Keine Tierhaltung ist für viele Landwirte keine Option
Manche Landwirte sind bereit neue Wege zu gehen und versuchen nasse Flächen zu bewirtschaften. Die Moorvegetation, die sich dann dort durchsetzen würde, könnte zu Bauplatten, Dämmmaterial, Verpackung oder Torfersatz weiterverarbeitet werden. Zwar gibt es dafür bereits Förderprogramme vom Land, die auch gut nachgefragt werden. Doch die Weiterverarbeitung und der Markt für diese neuen Produkte stecken noch in den Kinderschuhen.
Landwirt Heino Tietje kann sich wie viele seiner Kolleg:innen nicht vorstellen, dass der Stall leer bleiben könnte und er etwas anderes als Kühe macht. Außerdem hat er gerade erst in neue Stalltechnik investiert. Die Wiedervernässung ist für ihn und seinen Betrieb eine Bedrohung. "Da ist die Frage, was man macht. Ob man dann Landtausch macht, dass wir mehr Ackerfläche dazu akquirieren können. Aber das Land ist ja verteilt. Und das wird von anderen Landwirten genutzt, die auch davon leben. Es ist eine sehr schwierige Situation. Und da bin ich gespannt, was die Zukunft bringt."
Am 21.11.2023 sendet der rbb um 20:15 Uhr die Dokumentation "Das Moor-Dilemma – Zwischen Kühen und Klimaschutz"
Sendung: rbb Fernsehen, 21.11.2023, 20:15 Uhr