Jahrelanger Streit - Brandenburger Politik und Freie Bauern einigen sich überraschend beim Moorschutz

Do 29.06.23 | 20:20 Uhr
  10
Eine Besonderheit im Land Brandenburg ist das Sumpf-Läusekraut (Pedicularis palustris), das auf einer Feuchtwiese im Naturschutzgebiet und FFH-Gebiet «Herrensee, Lange-Dammwiesen und Barnim-Hänge» wächst. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Audio: rbb24 Inforadio | 29.06.2023 | Markus Wollert | Bild: dpa/Patrick Pleul

Das Umweltministerium hat sich mit den Brandenburger Landwirten auf den Umgang mit den größtenteils vertrockneten Mooren im Land geeinigt.

Diese Einigung kam überraschend: Nach jahrelangem Streit haben sich das Brandenburger Umweltministerium und die Freien Bauern am Donnerstag auf einen Kompromiss bei der Wiedervernässung von landwirtschaftlich genutzten Moorflächen geeinigt. Demnach sollen die ehemaligen Moore zwar wiedervernässt werden, allerdings nur bis zu einem Pegel von 30 Zentimeter unter der Grasnarbe. Damit können die Landwirte weiter auf diesen Flächen arbeiten. Kostspielige Entschädigungen entfallen.

Mit diesem Kompromiss könne großflächig verhindert werden, dass in den Mooren gespeichertes klimaschädliches CO2 austritt, so Umweltminister Axel Vogel (Grüne) nach einem Treffen mit den Freien Bauern in der Nähe von Prenzlau. Gleichzeitig hätten die Bauern die Möglichkeit, die Flächen weiter wirtschaftlich zu nutzen.

Bauern wollten weiter auf ihren Moorflächen produzieren

Marco Hintze, Chef des Landesbauernbundes und stellvertretender Bundessprecher der Freien Bauern, lobte den Kompromiss. Mit ihm sei vielen Bauern die Sorge genommen, sie könnten die Flächen wegen des stehenden Wassers nicht mehr nutzen. Auch bisher angedachte Entschädigungsleistungen, die das Land in seinem Moorschutzprogramm kürzlich in Aussicht gestellt hätte, seien so nur noch dort nötig, wo Land und Landnutzer sich über eine Komplettvernässung der Flächen einig seien.

Das Geld könne nun in die Ertüchtigung von Wehren und anderen Mechanismen gesteckt werden, die helfen würden, Winter-Niederschläge im Boden zu halten, hieß es von den Freien Bauern. "Wir wollen keine Entschädigungen, sondern wollen weiter auf unseren Moorflächen produzieren", betonte Hintze.

Umweltminister Vogel kritisierte die Vernachlässigung des Bewässerungs-Managements in den Jahren nach der Wende. "Wir benötigen eine Ertüchtigung der Gewässerinfrastruktur, insbesondere Instandsetzung und Neubau von Stauanlagen, sowie ein regional gesteuertes Wassermanagement, das über die Vegetationsperiode gleichbleibende möglichst hohe Wasserstände von im Regelfall 30 Zentimeter unter Geländeniveau realisiert."

Der Bauernverband, die größte Interessenvertretung der Bauern im Land, zeigte sich in einer ersten Reaktion für den Kompromissvorschlag offen. Er gleiche Vorschlägen, die der Verband bereits länger gemacht habe. Wichtig sei, dass der gefundene Kompromiss nun Eingang in alle Strategiepapiere des Landes finden würde, auch in den Klimaplan. Der Entwurf zum Klimaplan enthalte bislang strengere Vorgaben für die Wiedervernässung der Moorflächen. Nur mit einer verlässlichen Vorgabe könne gemeinsamer Klimaschutz gelingen, so der Vorsitzende Henrik Wendorff.

Umweltminister Vogel muss ursprünglichen Plan verwerfen

Im März hatte die Landesregierung angekündigt, bis 2030 insgesamt 260.000 Hektar Moor wiedervernässen zu wollen, um den Ausstoß von CO2 in Brandenburg zu verringern. Ausgetrocknete Moore sind nach dem Gutachten zum Brandenburger Klimaplan einer der größten Verursacher des klimaschädlichen Gases in Brandenburg, sie liegen noch weit vor dem Verkehrssektor. 95 Prozent der Moore in Brandenburg seien mittlerweile ausgetrocknet, heißt es vom Umweltministerium.

Ein Großteil dieser Fläche liegt allerdings auf Ländereien von Landwirten, die sich bevormundet fühlten von diesen Plänen. Umweltminister Vogel hatte deshalb rund eine Milliarde Euro für Kompensationszahlungen eingeplant, der Bauernverband ging allerdings von vier Milliarden Euro aus.

Die Idee, mit wiedervernässten Mooren sogar eine Senkung von CO2-Emissionen in der Luft zu realisieren, hält Umweltminister Vogel nicht für realistisch. Zum einen habe man in Brandenburg nicht genug Wasser. Zum anderen könne man solch einen Prozess auch finanziell nicht gegen den Willen der Nutzer durchsetzen.

Moore helfen weniger als gehofft im Klimaplan

Die Strategie der Wiedervernässung war allerdings bislang eine der wesentlichen Maßnahmen des Landes um bis 2045 klimaneutral sein. Bei voller Ausführung hätten die wiedervernässten Moorflächen nicht nur das CO2 in der Erde halten sollen, was in ihnen schlummert, sondern zusätzlich weiteres aus der Luft holen können. Durch den nun vereinbarten Kompromiss wird nur das CO2 in der Erde gehalten, was noch dort ist. Im Herbst will die Landesregierung den Klimaplan ins Parlament einbringen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 29.06.2023, 20:00 Uhr

10 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 10.

    Der Flächeverbrauch durch Versiegelung ist in den letzten Jahren enorm angestiegen. Die damit beschäftigten Behörden und Träger öffentlicher Belange haben da viel zu tun. Besonders durch den EFH Bau. Aber vielleicht regeln dass ja künftig die Preise für Grundstücke und Material.

  2. 9.

    Er hätte die wirklichen Profis auch gleich fragen können"
    z.B. den Wossi, den Experten für alles und jedes.

  3. 8.

    Nun ist aber wirklich nicht jede Fläche, die mit Kataloghütten und Wackersteingärten zugepflastert wird, für landwirtschaftliche Nutzung auch geeignet. Die Nähe zur oftmals bereits vorhandenen Bebauung ist auch ein Problem. Das geneigte Stadtkind hat meist was gegen das Krähen von Hähnen, das zufriedene Grunzen von freilebenden (!) Schweinen, dem Geblöke von Schafen u.v.m. Auch die Staubentwicklung bei der Getreideernte ist z.B. ein Problem - die hochglanzpolierte Familienkutsche könnte an Glanz verlieren usw. Nee, so einfach ist das nicht.

  4. 7.

    Das ist natürlich die Frage, ob eine solche Wiese extensiv genutzt wird. Wenn ja, dann sicher besser als Intensivlandwirtschaft, Photovoltaik, Windkraft oder gar Totalversiegelung. Andererseits wäre ein Moor ökologisch noch erheblich wertvoller.

  5. 6.

    Das erste mal das ich hier lese, dass Herr Vogel was bauen und instandsetzen will. Da kann man gespannt sein, bei seiner sonst geäußerten „Du musst das oder gar nichts machen“- Ideologie. Das Wasserzuteilen als Traumjob hat er noch nicht aufgegeben. Aber es gibt den Verdacht der (Moor)Politik nach Kassenlage: Der Bund zahlt, Herr Vogel reicht das Geld weiter. Der Bund macht dies aber nur über 10 Jahre... Da passt der Bauernkompromiss doch ganz gut rein. Er hätte die wirklichen Profis auch gleich fragen können. Vielleicht beim nächsten mal?

  6. 5.

    Eine Feuchtwiese eignet sich schlecht für Getreideanbau. Selbst als Tierweide sind sie kaum zu gebrauchen. Die dort wachsenden Pflanzen eignen dazu nur sehr bedingt. Man kann aber eine Streuwiese draus machen. Diese wird meist im Spätsommer oder Herbst gemäht. Durch diese Pflege wird eine Verbuschung vermieden und die Wiese dient bis dahin als Refugium div. Tiere. Zudem ist sie ein Rückzugsort für seltene Grassorten und Blumen, was z.B. Schmetterlinge lieben. Nach der Maht dient das Mähgut z.B. als Einstreu (deshalb Streuwiese) in Ställen, was durch die Spaltböden (in den Ställen) immer seltener wird, oder für die Erzeugung von Biogas. Soweit ein paar unwesentliche Ausführungen zum bekrittelten Naturschutz.
    Ich finde es erfreulich, das sich der Baumkuschler (Grüne) bewegt hat.

  7. 4.

    Zitat: "Damit können die Landwirte weiter auf diesen Flächen arbeiten."
    Also ein fauler Kompromiss!

    Es gibt genug Flächen für die Landwirtschaft, wenn nicht ständig mehr Flächen für (Luxus-)Wohnungsbau entfallen und versiegelt werden.

  8. 3.

    Dann muss jetzt halt woanders mehr CO2 eingespart werden.
    Hat da jemand eine Idee? Aus der Landesregierung?
    Nee?
    Keiner?
    Dachte ich mir.

  9. 2.

    Na, ja, berücksichtigt man die erfolgte Sackung, die allerdings auf der Fläche nicht gleichmäßig sein wird, können sich schon Bereiche bilden, in denen dann das Wasser oberflächig ansteht, sog. Wasserlöcher - aber dann bitte nicht schreien: Wir brauchen Melioration!
    Leider kennt man die Zusammenhänge nicht, das wäre schon interessant. Trotzdem, ohne etwas überzubewerten, erstaunlich.
    Aber vielleicht greift Herr Vogel da nach dem Spatz, besser so, als gar nichts. Insofern ist "Entwarnung" noch nicht geboten. Er sollte es eigentlich wissen, denkt man.
    Aber man sollte auch klug verhandeln, und die Fördermittel gibt es erst dann, wenn die Artengarnitur regelmäßig wieder "auftaucht".
    Denn eine vernünftige(!)Nutzung lässt sie wieder erstehen, ist ja früher auch gegangen. D.h., keine Düngemittel, das Geld kann man sich wirklich sparen.

  10. 1.

    Bei einem Grundwasserstand von -30cm ist das im besten Falle eine Feuchtwiese. Naturschutz ist für die Grünen aber anscheinend uninteressant.

Nächster Artikel