Mooratlas 2023 - Nur noch 2,5 Prozent der Brandenburger Moorflächen sind intakt
Brandenburg gehört nach wie vor zu den moorreichsten Gebieten Deutschlands, doch nur die wenigsten von ihnen können noch ihre klimaschützende Funktion erfüllen. Die Autoren des "Mooratlas 2023" liefern beunruhigende Zahlen.
- Nur 6.000 Hektar Moorfläche in Brandenburg noch intakt
- Trockengelegte Moore verursachen starke Treibhausgas-Emissionen
- Seit Jahrhunderten werden in Brandenburg Moore trockengelegt
- "Mooratlas"-Autoren fordern internationales Abkommen
Nur noch etwa 2,5 Prozent der Moorflächen in Brandenburg befinden sich in ihrem ursprünglichen Zustand und bilden noch Torf. Das geht aus dem "Mooratlas 2023" hervor, der am Dienstag in Berlin vorgestellt worden ist.
Von insgesamt 243.432 Hektar Moorfläche in Brandenburg sind demnach nur noch 6.000 intakt, geht aus den Daten hervor, die von der Heinrich-Böll-Stiftung, der Umweltschutzorganisation BUND und der Michael Succow-Stiftung zusammengetragen und im Mooratlas [boell.de] zusammengefasst worden sind.
243.432 Hektar entsprechen der Größe des Saarlands. Moore bedecken etwa neun Prozent der Brandenburger Landesfläche und machen etwa 14 Prozent der bundesweiten Moorflächen aus, heißt es in dem Bericht weiter. Damit ist Brandenburg hinter Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern das moorreichste Bundesland.
Starke Treibhausemissionen durch trockene Moore
Gleichzeitig ist hier der Anteil der noch intakten Moorflächen mit 6.000 Hektar besonders klein und der damit einhergehende Ausstoß von umweltschädlichem Kohlendioxid besonders groß, besagt der Mooratlas. Und das führe zu drastischen Auswirkungen.
Werden Moore trockengelegt, kann das Torf im Moor keine Kohlenstoffe mehr binden und damit seine für das Klima so wichtige Aufgabe nicht mehr erfüllen. Vielmehr stoßen entwässerte Moore massenhaft Schadstoffe aus. In Brandenburg werden laut Mooratlas pro Jahr 7,2 Millionen Tonnen Treibhausgase (CO2, Lachgas, Methan) aus trockengelegten Mooren ausgestoßen. Die meisten Emissionen entstehen in Brandenburg auf zu Grünland umfunktionierten Mooren (Anteil 70 Prozent) vor Ackerflächen (24 Prozent).
Bundesweit würden durch trockengelegte Moore 53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen, immerhin sieben Prozent der Gesamtemissionen, heißt es im Mooratlas.
Trockenlegungen begannen mit König Friedrich II.
Seit vielen Jahrhunderten ist Brandenburg für seine ausgedehnten großen Moorflächen im Norden und Westen bekannt. Das Havelländische Luch gehört mit seinen 40.000 Hektar zu den größten deutschen Niedermoorgebieten. Noch vor 300 Jahren waren Sümpfe und Moore überall im Land unüberwindliche Naturhindernisse. Nach Angaben des BUND Brandenburg sind derzeit nur noch zehn Prozent der hiesigen Moore in einem naturnahen Zustand.
Seit Jahrhunderten werden die einst als unproduktiv und öde geltenden Moore auch in Brandenburg trockengelegt, um auf deren Flächen Menschen anzusiedeln und Agrarflächen zu errichten sowie den lukrativen Torf abzubauen. Der Mooratlas 2023 verweist in diesem Zusammenhang auf die Trockenlegung des brandenburgischen Oderbruchs unter dem preußischen König Friedrich II.: "Das Großprojekt siedelte hunderttausende Menschen an und brachte neue landwirtschaftliche Praktiken in die Region. Lange wurde dies als Triumph der menschlichen Vernunft über die widerspenstige Natur gefeiert", heißt es in dem Bericht.
Entwässert wurde in Brandenburg auch noch im späten 20. Jahrhundert. Die DDR wollte die Moore später auch maschinell bewirtschaften, um Viehfutter zu ernten. Damit LKW und Traktoren nicht im Moor versackten, wurde den Böden noch mehr Wasser abgegraben, "Komplexmelioration" genannt.
Moore müssen "wiedervernässt" werden
Um die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erfüllen, müssten in Brandenburg jährlich 6.500 Hektar der trockengelegten Moorflächen wiederbewässert werden, schreiben die Autoren des Mooratlas 2023 weiter. Deutschlandweit sei die Wiedervernässung auf 50.000 Hektar pro Jahr nötig, was der Größe des Bodensees entspricht. Nur wenn dies gelinge, könne das Moor wieder ein funktionierender Speicher von Wasser und Kohlenstoff werden. Das mildere auch Auswirkungen der Klimakrise ab, da das Moor wie ein Schwamm Starkregen abpuffere und wie eine natürliche Kühlung für die Luft wirke.
In Brandenburg laufen schon seit Jahren Renaturierungsmaßnahmen und Wiedervernässung, bislang konnten laut Mooratlas 20.000 Hektar teilweise oder vollständig bewässert werden. Ein ehrgeiziges Projekt wird vom Greifswald Moor Centrum (GMC) bei Angermünde (Uckermark) in der Sernitzer Niederung betreut. Mit dem Projekt "toMOORow" soll im Nordosten Brandenburgs ein Musterbeispiel geschaffen werden, wie sich mit der Wiedervernässung eine wirtschaftliche Nutzung schaffen lässt, etwa mit Wasserbüffeln oder der Herstellung von Dämmmaterialien aus Biomasse.
Ein ähnliches Konzept verfolgt auch das Land Brandenburg selbst. Das Agrarministerium investiert 15 Millionen Euro in ein ganzes Bündel von Projekten unter dem Titel "Klimamoor". 20 große Moorflächen sollen bis 2026 nicht nur renaturiert werden. Sie sollen auch für eine landwirtschaftliche Nutzung erschlossen werden, die an hohe Wasserstände angepasst ist.
Mooratlas-Autoren fordern internationales Abkommen
Auch die Autoren des Mooratlas empfehlen ausdrücklich die Anwendung der Paludikultur ("Paludus" = Sumpf; Moor), so wie sie in Angermünde angewendet wird. Mit ihr werden die Moore bewässert, es entstehen Torf und Paludikultur-Pflanzen wie Schilf, Torfmoose, Rohrkolben, Erle, Seggen und andere Gräser. Deren Biomasse lässt sich wirtschaftlich nutzen, beispielsweise als Baustoffe, Dämmstoffe, Werkstoffe und auch Pappe sowie Papier.
Allerdings genüge es natürlich nicht, solche Maßnahmen auf einzelne Bundesländer oder auf Deutschland zu konzentrieren. "Aus unserer Sicht ist es wichtig, ein verbindliches internationales Abkommen zum Schutz von intakten Mooren und der Wiederherstellung von entwässerten Mooren zu treffen", betonte Imme Scholz vom Vorstand der den Grünen nahe stehenden Böll-Stiftung am Dienstag bei der Vorstellung des Mooratlas. Der Schutz der Moore weltweit sei unverzichtbar und müsse politisch noch entschiedener angegangen werden.
"Moorgebiete werden auch heute noch in allen Teilen der Welt zerstört. Bei uns in Mitteleuropa sind weit über 90 Prozent der Moore betroffen", so Scholz. Welch gravierende Auswirkungen hat, veranschaulicht der Mooratlas abschließend mit nackten Zahlen: "Ein Auto könnte 280 Milliarden Kilometer fahren und würde dadurch trotzdem nicht mehr CO2 emittieren als entwässerte Moore in Deutschland – jedes Jahr."
Sendung: rbb24, 10.01.2023, 13:00 Uhr