Interview | Passagierin von KLM-Flug - "Was haben vier Tonnen Schweine in einem Passagierflugzeug zu suchen?"
Schwein gehabt und trotzdem Pech: Ein Flugzeug nach Mexiko-Stadt musste auf den Bermuda-Inseln zwischenlanden, weil es im Cockpit gestunken hat. Grund dafür waren Schweine im Frachtraum. Eine Berlinerin flog mit und erzählt nun von ihrer Reise.
Ein Flugzeug auf dem Weg nach Mexiko-Stadt musste auf den Bermuda-Inseln zwischenlanden, weil es im Cockpit stark gestunken hat. Grund dafür waren zahlreiche lebende Schweine, die im Frachtraum transportiert wurden, wie die Fluggesellschaft KLM rbb|24 bestätigte. Gleich 100 Tiere seien mitgeflogen, berichtete die Zeitung "De Telegraaf" unter Verweis auf die Flügbehörden auf den Bermudas. Carolina Amézquita Pino war mit an Bord und verbrachte 30 Stunden mehr als geplant auf der Reise nach Mexiko.
rbb|24: Wie ging es Ihnen beim Start der Reise?
Amézquita Pino: Ich war froh wieder nach Mexiko zu reisen, meine Freunde und Familie zu sehen. Letztes Jahr bin ich mit einem Flug mit zwei Zwischenstopps nach Mexiko gereist. Das war sehr anstrengend. Dieses Mal wollte ich nicht den gleichen Fehler machen. Deshalb habe ich den direkten Flug von Amsterdam nach Mexiko gebucht. Ich hatte vor dem Flug nicht viel geschlafen, vielleicht eine Stunde, aber ich dachte, das macht nichts. Ich hatte mir vorgenommen, während des Flugs zu schlafen.
Wann hätten Sie ursprünglich ankommen sollen?
Ich hätte am Freitagabend um 19:30 Uhr in Mexiko landen sollen. Letzten Endes bin ich Sonntag um 2 Uhr morgens angekommen – 30 Stunden später.
Wussten Sie beim Start, dass unten im Flugzeugbauch 100 Schweine mitfliegen?
Nein, das wusste ich nicht. Beim Start schien alles normal zu sein.
Wann haben Sie gemerkt, dass etwas nicht stimmt?
Etwa sechs Stunden nach dem Start hat der Pilot eine Durchsage gemacht, dass wir notlanden müssen. Völlig aus dem Nichts sprach er von Schweinen im Flieger. Ich dachte erst, er macht Witze. Aber er sagte, man müsse notlanden, weil der Gestank von den Schweinen im Flugzeugbauch die Piloten beeinträchtige. Sie hätte davon bereits Kopfschmerzen und könnten so nicht weiterfliegen.
Bis zu dieser Durchsage haben Sie nichts Außergewöhnliches bemerkt?
Nein, alles verlief meines Erachtens komplett normal. Alle Passagiere waren überrumpelt, niemand hat mit so etwas gerechnet. Was haben bitteschön vier Tonnen Schweine in einem Passagierflugzeug zu suchen? Ich habe versucht, erstmal ruhig zu bleiben und gedacht, dass sich dafür schon eine Lösung finden wird.
Das Flugzeug ist auf den Bermuda-Inseln zwischengelandet. Was ist dort nach der Landung passiert?
Wir saßen dort im Flugzeug und niemand hat uns gesagt, wie es weitergeht. Vier Stunden saßen wir dort, ohne dass uns jemand etwas gesagt hat. Auch das Bordpersonal wusste nichts, sie waren genauso überrascht davon, dass Schweine im Flugzeug waren, wie wir. Aus dem Fenster konnten wir sehen, wie die Schweine in Holzkisten aus dem Flugzeug gebracht wurden.
Wie war die Stimmung im Flugzeug?
Viele waren sehr angespannt, einige sogar richtig verzweifelt. Es gab auch einige Babys im Flugzeug. Gerochen haben wir aber nach wie vor nichts. Es war sehr schwierig auszuhalten, nicht zu wissen, was als nächstes passiert. In den vier, fünf Stunden, die wir da im Flieger saßen, hätten wir auch in Mexiko ankommen können.
Sie sind dann aber erstmal nicht weitergeflogen und auf den Bermudas geblieben ...
Genau. Irgendwann kam die Durchsage, dass die Piloten ihr Zeitlimit erreicht hätten und nicht mehr weiterfliegen könnten. Bis ich im Hotel war, verlief alles sehr chaotisch. Der Flughafen auf den Bermudas ist nicht für so viele Passagiere auf einmal ausgelegt. Ich habe in dem Flughafen keine Mitarbeiter von KLM mehr gesehen, niemand war für uns verantwortlich. Es hat nochmal mehrere Stunden gedauert, bis ich in einem Hotel angekommen bin. Mein Gepäck aus dem Flugzeug durfte ich nicht mitnehmen. Das war besonders schwierig für die Menschen mit Babys oder die Medikamente nehmen mussten.
Wie ging es am nächsten Morgen weiter?
Der Weiterflug sollte am Nachmittag gehen, also habe ich mit einigen anderen Passagieren beim Frühstück überlegt, ob wir eine kleine Tour über die Insel machen. Durch Zufall habe ich an der Rezeption erfahren, dass schon in einer Stunde jemand kommen würde, um uns zum Flughafen zu bringen.
Mussten Sie das Hotel und Essen erstmal selbst bezahlen?
Das Hotel habe ich nicht bezahlt, aber das Frühstück schon und die Bermudas sind richtig teuer. 38 Dollar habe ich für mein Frühstück gezahlt. Das ist viel Geld für jemanden mit einem mexikanischen Gehalt.
Ist der Flug dann wenigsten doch früher weitergeflogen?
Nein, im Gegenteil. Wir kamen am Vormittag am Flughafen an, auf der Tafel stand aber, dass der Flug erst um 21:30 Uhr weitergehen würde. Das war der nächste Schock. Wieder war kein Mitarbeiter von KLM vor Ort und wieder war der Flughafen auf so viele Menschen nicht eingestellt. Wir sollten in einem Bereich des Flughafens warten, in dem es keine Stühle gab und nur ein Restaurant, das wir selbst zahlen mussten. Man hat uns verboten, den Flughafen wieder zu verlassen.
Es war fast ein Gefühl von Gefangennahme. Wieso durften wir den Flughafen nicht mehr verlassen, wir hatten noch zehn Stunden Wartezeit vor uns? Niemand hat das verstanden.
Wie verlief dann der Weiterflug?
Man merkte den Menschen die Erschöpfung und die Anspannung an. Es war noch das gleiche Personal wie am Vortag und die haben schon gemerkt, wie unzufrieden wir alle mit der Behandlung der KLM waren. Wir haben ein Beschwerdedokument aufgesetzt und Unterschriften dafür gesammelt. Das hat sie gestört. Das Personal wurde während der Zwischenlandung gut behandelt, die wurden sofort untergebracht, wir Passagiere nicht.
Hatten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt Angst?
Während der Reise ist mir das nicht aufgefallen, aber am Morgen nach meiner Ankunft in Mexiko war ich richtig krank. Und da ist mir die Frage eingefallen: Ging eigentlich ein Krankheitsrisiko von diesen Schweinen für die Passagiere aus? Ich weiß es nicht.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bei diesem Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung des Interviews mit Frau Amézquita Pino. Die Fragen stellte Anna Bordel.