Berliner Shopping-Center in der Krise - Der große Reanima(ll)tions-Versuch
Shopping-Center nach altem Stil, in denen sich Laden an Laden reiht, ziehen teils nur noch wenig Kundschaft an. Nun werden viele Malls in Berlin umgebaut: Kultur, Arztpraxen oder Erlebnis-Center sollen mit einziehen. Kann das klappen? Von Vanessa Klüber
Schon der Fußweg von der S-Bahn zum "Park-Center" in Treptow macht keinen Spaß: Im Feierabendverkehr führt der Weg durch die Elsenstraße an einer hupenden Blechlawine vorbei und an meterweise Baustellen-Baken.
Das "Park-Center" im Jahrtausendewende-Charme selbst erwartet Besucher dann mit einer fleckigen Fassade, eine der Drehtüren ist kaputt und innen hat jemand teils die Verkleidung des ehemaligen Sparkassen-Centers auseinandergenommen. Schläuche und Dämm-Material hängen heraus "Wasserschaden", murmelt eine Frau im Vorbeigehen.
Park-Center in Treptow: Jahrtausendwende-Chic in Bildern
Schwächen hat die Mall aber nicht nur bei der äußeren Erscheinung: Wie in anderen Malls in Berlin gibt es drinnen viel Leerstand. Ein paar Läden haben sich im Erdgeschoss noch gehalten, das Tchibo-Outlet, Mc Paper, eine Änderungsschneiderei, ein Schlüsseldienst, ein Bekleidungsgeschäft. Drei wohnzimmergroße Weihnachtsbäume stehen in halber Pracht in den Gängen. Es gibt eine Kunstausstellung. Das Venezia-Eiscafé ist zu, Priceless Things steht leer, etliche andere Ladenzeilen - vor allem im ersten Obergeschoss - sind abgedeckt.
"Park-Center Treptow" soll mehrere Jahre lang umgebaut werden
Das "Park-Center" in Treptow soll nicht so bleiben. Pläne für Teilabriss und Neubau wurden allerdings vom Eigentümer verworfen. Ende 2022 hatte das Bezirksamt Treptow-Köpenick einen positiven Bauvorbescheid zum Abriss von Parkgarage, Büro, Einkaufszentrum und Neubau von acht Gebäuden erteilt. Nun soll stattdessen umgebaut werden. "Wir wollen weg vom reinen Einzelhandel hin zu einem Service- und Nachbarschaftscenter", sagt Andreas Ziehmann von der Immobilienberater-Firma Kintyre - er managt das Center. Man stehe am Anfang einer Transformation, betont Ziehmann gegenüber rbb|24. "Es ist dabei der 'mixed Use'-Gedanke, dass man verschiedene Segmente zusammenbringt, die früher nie zusammen waren."
Die jetzigen Mieter sollen demnach bleiben - und man sei mit verschiedenen möglichen neuen Mietern im Gespräch. Man habe "interessante Anfragen" für die bestehenden Büroetagen weiter oben, das gleiche von Ärzten für Praxisräume. Wer und was genau ins Gebäude kommt, wird bisher nur bei Edeka öffentlich kommuniziert: Die Supermarkt-Kette soll Ende 2025 im Erdgeschoss einziehen. Der Zeitplan für weitere Umbauten betrage zwei bis drei Jahre, sagt Center-Manager Ziehmann.
Verschiedene Krisen für die Malls - Zwang der Neuerfindung
Wie die Treptower Mall müssen oder mussten sich auch andere Shopping-Center in Berlin etwas Neues einfallen lassen. Der Boom des Online-Shoppings noch vor Corona, dann Corona, danach Russlands Krieg gegen die Ukraine und damit gestiegene Energie-Kosten und hohe Inflation, weiterhin Fachkräftemangel, so dass Ladeninhaber teils keine Nachfolger finden – das alles hat auch den Einzelhändlern in den Malls und damit den Betreibern geschadet.
Können Umbau und "mixed Use"-Konzepte, also eine Mischnutzung, die Malls reanimieren - wenn in die oft gigantischen Gebäude statt viel Einzelhandel auch Kultur-Stätten, Arztpraxen, Erlebnis-Stätten, Stadtteil-Zentren, Gastronomie, Fitness und anderes einzieht?
Für Umbau im oder am Center gibt es bereits einige Beispiele in Berlin:
Die "Potsdamer Platz Arkaden" wurden vor rund zweieinhalb Jahren umgebaut zu "The Playce", das Konzept hier ist eine Mischung aus Shopping, Gastronomie und Erlebnis-Stätten. Der Betreiber zeigte sich im Frühjahr im rbb sehr zufrieden: Es laufe nach Plan, 96 Prozent der Flächen seien belegt.
Beim "Ring-Center 1" an der Frankfurter Allee wird derzeit noch umgebaut, vom Stil grauer Klotz zu geöffneter Fassade. In die oberen Etagen sollen hier nicht nur Büros, sondern auch Arztpraxen und Einrichtungen der sozialen Versorgung einziehen, auch hier ist Kintyre die beratende Immobilienfirma.
Malls in Berlin wurden umgebaut oder sind im Umbau
Das größte Shopping-Center was die Gesamtfläche angeht, die "Mall of Berlin", will weiter überwiegend Einzelhandel betreiben, wechselt aber einige Mieter: Harald Huth, Inhaber der HGHI Holding GmbH, teilte rbb|24 auf Anfrage mit, dass bis spätestens Sommer 2025 neue Mieter eingezogen sein sollen: "Die neuen Mieter sind weitestgehend aus dem internationalen Einzelhandel und werden mit ihren Konzepten die Mall of Berlin noch interessanter machen." Dafür würden Ladenflächen aktuell umgebaut. Man sei beim Weihnachtsgeschäft in der "Mall of Berlin" sehr zufrieden, "die Frequenz ist weiterhin überragend", so Huth.
In der Schloßstraße in Steglitz gibt es gleich vier Malls. Das "Schloss-Straßen-Center" ist insolvent, Ende Februar wurde das Insolvenzverfahren beim Amtsgericht Charlottenburg eröffnet. Das "Forum Steglitz" wurde bis 2022 umgebaut und ist nun ein gemischtes Geschäfts- und Bürohaus. Und das "Boulevard Berlin" (Bob) dort ist ebenfalls im Umbau, Stichwort Mischnutzung: "Das BoB-Revitalisierungsprojekt sieht vor, das Einzelhandelsangebot in den unteren Etagen zu verbessern und die oberen Etagen in neue Büro- oder Gastronomieflächen umzuwandeln, die Platz für 3.000 neue Arbeitsplätze bieten", heißt es auf der Website.
Schlechte Lage von Shopping-Centern und insgesamt zu viele?
Ricarda Pätzold vom Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin stellt fest, es gebe in Berlin insgesamt zu viele Malls, die sich teilweise gegenseitig kannibalisierten. Im "Shopping-Center Report 2024" des EHI Retail-Institute liegt Berlin auf Platz drei, was die Zahl der Shopping Center pro 1.000 Einwohner im bundesweiten Vergleich angeht. 44 Shopping-Center hat Berlin demnach. Brandenburg folgt Platz 4 mit 29 solcher Center. "Lasst uns zumindest nicht noch mehr genehmigen", fordert Städteforscherin Pätzold mit Blick auf die Verkaufsfläche pro Einwohner in Berlin.
Bei den Shopping-Centern, die jetzt in eine große Krise kämen, "bei denen ist ja meistens irgendwas schief." Entweder habe Konkurrenz nebenan gebaut. "Oder die Mikro-Lage war nicht so toll." Das "Park-Center" in Treptow habe beispielsweise "ein bisschen Laufweg bis zur S-Bahn und ist ja eh nicht direkt ins Quartier eingebunden", sagt Pätzold. "Wenn ein Shopping-Center den erforderlichen Publikumsverkehr bisher nicht selbst erzeugen konnten, glaube ich, ist es schon völlig in Ordnung, dass man es diversifiziert und dass man was anderes, was Neues macht."
Center-Manager Ziehmann dagegen sieht die Lage des Park-Centers von der positiven Seite: Die S-Bahn sei in der Nähe, "es entsteht eine Auffahrt der Autobahn, wir haben direkt Haltepunkte der BVG vor unserem Haus". Es sei ein "dynamischer Standort", an dem viel passiere.
Präsidentin der Architektenkammer rät zu Minimal-Eingriffen
Theresa Keilhacker, Präsidentin der Berliner Architektenkammer, will auch an Shopping-Center glauben, wenn sie sich wandeln - und Umwandeln ist ja auch Keilhackers Job als Architektin. "Diejenigen, die es nutzen, haben alles an einem Ort. Das ist einfach ein unschlagbarer Vorteil - das hat man auch beim Online-Shopping nicht", sagt sie.
Das Treptower "Park-Center" wurde 1999 gebaut, entsprechend aus der Zeit gefallen ist der Look. Ein größerer Umbau wäre aber entsprechend teuer - und davon rät Keilhacker allgemein bei den Shopping-Centern ab: "Ich plädiere dafür, immer Minimal-Eingriffe zu tätigen, auch baulicher Art. Mit relativ geringem Aufwand lässt sich viel erreichen."
An der Fassade müsse man aber ohnehin meistens was machen, weil es neue Energie-Effizienz-Vorschriften gebe, sagt Keilhacker. "Der Hauptkostenpunkt liegt aber in der Konstruktion, die ist meistens aus Beton, und da sollte man nicht allzu viel dran herumsägen. Das ist dann richtig teuer und auch meistens ineffizient", sagt sie. Davon abgesehen sei es eine unnötige Vernichtung von "grauer Energie" und Ressourcen.
Ein Umbau kostet die Eigentümer so oder so – und mit einer Mischnutzung fallen gegebenenfalls vorher zahlungskräftige Mieter aus dem Einzelhandel weg. Zusätzliche Einnahmen könnten über Werbeflächen oder Events in den Malls generiert werden, aber Stadteilzentren, Kultur oder soziale Einrichtungen als sogenannte Ankermieter können in der Regel weniger zahlen als große Ketten. "Wir brauchen mehr gemeinwohlorientierte Investoren, die sich mit drei bis vier Prozent Rendite zufriedengeben und tatsächlich auch was für die Bürger tun möchten", schließt Architektenkammer-Präsidentin Keilhacker daraus.
Initiative fordert komplett anderen Ansatz zur Nutzung der Fläche
Park-Center-Manager Ziehmann stimmt zu, dass man hier auf höhere Rendite verzichten müsste. "Aber das ist ja auch nicht schlimm, weil wir dadurch auch wieder mehr Bürgerkontakt haben", sagt er rbb|24. Es gebe verschiedene Quellen – Einzelhandel, Ärzte, Parkhausbetreiber – durch die der Investor seine Rendite bekommt, "und da kann man auch ein bisschen ein Zugeständnis machen", sagt er. Doch bleibt dem Investor überhaupt eine andere Wahl?
Die Idee, Menschen mit neuen Angeboten ins Center zu locken, damit sie dann am Ende doch etwas dort kaufen, kommt auch nicht überall gut an. Die Initiative "Sorge ins Park-Center" fordert für das Treptower Park-Center zwar eine Nutzung durch Stadtteilzentren, Gesundheitsservice und Fürsorge für die Nachbarschaft - aber organisiert als Commons Public Partnership. Also: in Zusammenarbeit von organisierter Zivilgesellschaft und öffentlicher Hand.
Es geht der Initiative, in der sich auch die Linken-Fraktionsabgeordnete Katalin Gennburg engagiert, darum, die Flächen von Shopping-Centern komplett gemeinwohlorientiert und ohne Profite für private Unternehmen zu nutzen. Gemeinsam mit der öffentlichen Hand soll dafür eine Basisfinanzierung ermöglicht werden. Die öffentliche Hand jedoch nimmt jedoch derzeit in Berlin gewaltige Einsparungen vor.
Noch im Juni dieses Jahres legte die Senatsverwaltung für Wirtschaft den Fokus auf die Shopping-Malls und veröffentlichte eine Liste mit zwölf Einkaufsstraßen und Malls, die mit bestehenden Fördergeldern besser unterstützt werden sollen. Darunter das "Park-Center" in Treptow. Eine bestehende "Taskforce Warenhäuser" sollte um eine "Taskforce Center" erweitert werden. Bis Dienstagnachmittag antwortete die Senatsverwaltung nicht auf eine Anfrage nach dem Stand und den Details.
Die kaputte Drehtür im "Park-Center", der Wasserschaden am ehemaligen Sparkassen-Center drinnen - das alles soll erstmal "zeitnah" repariert werden. Für den Frühling verspricht "Park-Center"-Manager Ziehmann, dass sich ein Rundgang durch das Gebäude lohnen werde.
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