Kabinettsentscheidung in Brandenburg - Moorschutzprogramm sorgt für Unmut bei Landwirten und Landbesitzern
Ein Moorschutzprogramm soll in Brandenburg zur Verringerung von Kohlendioxidemissionen beitragen. Es ist am Dienstag vom Kabinett beschlossen worden. Landwirte sind weniger begeistert hiervon.Von K. Neumann und A.B. Hewel
- 260.000 Hektar Moor sollen in Brandenburg wieder vernässt werden
- Konflikt: ein Großteil davon befindet sich auf landwirtschaftlich genutzten Privatflächen
- Umweltministerium setzt bei Moorschutzprogramm auf Freiwilligkeit der Flächeneigentümer und -nutzer, spricht aber nicht mit ihnen
Brandenburgs Umweltminister Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen) steht an einem Pult aus Moor-Biomasse, während er auf einer Pressekonferenz sein gerade verabschiedetes Moorschutzprogramm erklärt. Bis 2030 sollen laut Klimaplan mit der Wiedervernässung von Mooren 750.000 Tonnen weniger Kohlendioxid ausgestoßen werden. 260.000 Hektar Moor müssen dafür wiedervernässt werden, vor allem durch Beseitigung von Abwassergräben. Das Problem: Die meisten Flächen werden als Acker oder Weiden privatwirtschaftlich genutzt. Der Weg zu nassen Mooren, die Kohlenstoff speichern und nicht abgeben, führt über die Landwirte.
Landwirte kritisieren: "Einseitige Verfügung über Privateigentum"
Die fühlen sich bevormundet. In Vogels Vorstellung stellen Brandenburgs Landwirte, deren Betriebe und Flächen auf jetzt trockenen Mooren wirtschaften, ihre Produktion auf moorfähige Wertschöpfungsketten um. Dafür stünden Fördergelder zur Verfügung. Der Bauernverband kritisiert, dass man sie vor vollendete Tatsachen stellen würde und keine gemeinsame Diskussion stattgefunden hätte. Henrik Wendorff, Präsident des Landesbauernverbandes, spricht von einer "einseitigen Verfügung über Privateigentum". Währenddessen betont Minister Vogel an seinem Moor-Pult, dass keine "Projekte gegen den Willen der Flächennutzer gestartet werden", er setze auf Freiwilligkeit und Überzeugung. Der Flächenaufkauf durch das Land solle nur in Einzelfällen passieren, sagt Vogel am Dienstag.
Die unbedingte Notwendigkeit von funktionierenden Mooren sehen Brandenburgs Bauern ein. Beim Umsetzungsprozess, der am Ende auf ihren Schultern bzw. Weiden und Äckern lastet, blieben sie bislang außen vor. "Es ist versäumt worden, mit den Verbänden und vor allem mit den Eigentümern zu sprechen", beschwert sich Wendorff. Außerdem sei das, "was derzeit im Moorschutzprogramm aufgelegt wird, ungefähr so wie Elektroautofahren ohne Ladesäule. Wir brauchen mehr Antworten auf unsere Fragen." Zum Beispiel: "Klare Aussagen, welche Flächen man wieder vernässen will, welche sich hierzu überhaupt eignen“, zählt Wendorff auf.
Brandenburgs Oppositionspartei Die Linke findet das Moorschutzprogramm richtig, schließt sich aber den Forderungen der Landwirte an. "Nicht einfach irgendwelche Flächen und Zahlen festlegen, sondern mit den Menschen reden und sagen, wo ist es möglich", das fände Fraktionsvorsitzender Sebastian Walter den richtigen Weg.
Das Marktpotenzial von Moor
Dass Moore wirtschaftlich genutzt werden können, steht außer Frage: Grünlandwirtschaft mit Wasserbüffeln, Schilfanbau für Reetdächer oder die Gewinnung von Moor-Biomasse für Bauplatten, aus denen zum Beispiel des Ministers heutiges Redepult in der Staatskanzlei besteht. Auch die Nutzung von wiedervernässten Mooren als Photovoltaik-Standort und damit Stromverkauf, rechnet Vogel als Nutzungsoption vor.
Das Marktpotenzial der Moorprodukte ist dagegen noch schwer zu beziffern. Mögliche Verluste durch Umstellung und beim Absatz der Produkte müssten "den Landnutzern ausgeglichen werden", wendet CDU-Fraktionsvorsitzender Jan Redmann ein. Und weil für Vogel "Freiwilligkeit gleich Geld" bedeutet, ist für Kompensationszahlungen an Landwirte, die auf Moorwirtschaft umstellen, eine Milliarde Euro bis 2030 eingeplant. Der Landesbauernverband spricht von einem Bedarf von mindestens vier Milliarden Euro.
Moore sind Klimaschützer, eigentlich!
Moore speichern mehr Kohlenstoff als Wälder, aber nur dann, wenn sie richtig nass sind. Die Speicherleistung in der Torfschicht nimmt dramatisch ab, je trockener ein Moor ist. Bis zu dem Punkt, an dem das Moor den gespeicherten Kohlenstoff als Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre abgibt. Weil in Brandenburg fast 95 Prozent aller Moore trockengelegt wurden, gehören sie hierzulande nach Kohle und Industrie zu den zweitgrößten CO2-Emittenten. Selbst im Verkehr wird weniger Kohlendioxid ausgestoßen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 14.03.2023, 19:30 Uhr