1. Fußball-Bundesliga - rbb|24-Union-Awards 2024: Vom Durchstarter bis zur Enttäuschung des Jahres
Nicht nur die Trainer lösten beim 1. FC Union im Jahr 2024 einige Diskussionen aus. Auch auf dem Rasen hat der ein oder andere Akteur auf sich aufmerksam gemacht - ob positiv oder negativ. Lukas Witte vergibt für rbb|24 die Preise.
Hinter dem Fußball-Bundesligisten 1. FC Union Berlin liegt ein herausforderndes Jahr 2024. Insgesamt drei Trainer begaben sich in Köpenick an der Seitenlinie auf die Suche nach Stabilität, doch die Eisernen befanden sich meist im sportlichen Tiefflug.
Nach einer Negativserie zum Ende der Rückrunde gelang den Köpenickern erst am letzten Spieltag der vergangenen Saison der Klassenerhalt. Unter dem im Sommer verpflichteten neuen Chefcoach Bo Svensson sah es nach der Sommerpause zunächst gut aus, doch auch der Däne musste nach einer Sieglosserie kurz vor dem Jahreswechsel wieder die Koffer packen. Sein Nachfolger ist noch offen.
Doch nicht nur auf der Trainerposition war es bei Union in diesem Jahr ein Auf und Ab – auch die individuellen Geschichten und Entwicklungen im Kader spiegeln die schwierige Situation der Eisernen wider. Eine Auswahl.
Die Entdeckung: Aljoscha Kemlein
Das Jahr 2024 wird für Aljoscha Kemlein wohl als Zeitpunkt seines Durchbruchs in die persönliche Biografie eingehen. Natürlich war das Eigengewächs vielen Unionern schon längst ein Begriff, schließlich spielt der gebürtige Berliner seit der D-Jugend in Köpenick. Doch erst die vergangenen Monate zeigten, wie viel Potenzial tatsächlich in ihm steckt.
Entscheidend für den Entwicklungssprung war wohl seine Leihe in die zweite Liga Anfang des Jahres. Beim FC St. Pauli sammelte Kemlein in der Rückrunde nicht nur ordentlich Spielzeit, sondern wusste auch sportlich zu überzeugen - und stieg mit den Hamburgern gar in die Bundesliga auf.
Zurück bei Union ist der 20-Jährige nun auf dem besten Weg, die Sehnsucht vieler Fans zu erfüllen und sich als erstes Köpenicker Eigengewächs seit Jahren fest im Team zu etablieren. Beim überraschenden 2:1 gegen Borussia Dortmund feierte er am sechsten Spieltag sein Startelf-Debüt, kurz darauf gab es beim 2:0 bei Holstein Kiel das erste Bundesliga-Tor seiner Karriere und seit November ist er U21-Nationalspieler. Dabei tritt Kemlein im defensiven Mittelfeld bereits jetzt mit großer Souveränität auf. Auch wenn er zuletzt wieder von der Bank kam, könnte ihm bei den Eisernen eine große Zukunft bevorstehen.
Die Konstante: Frederik Rönnow
Der grobe Fehlpass von Torhüter Frederik Rönnow, der vor wenigen Wochen zur bitteren 2:3-Niederlage in Stuttgart führte, war so bemerkenswert, weil es die absolute Ausnahme war. Denn auf den Schlussmann war 2024 sonst wie immer Verlass. Seit mehr als 100 Pflichtspielen ist der Däne die Konstante im Köpenicker Kasten und stellte seine starken Leistungen auf der Linie auch in diesem Jahr wieder ein ums andere Mal unter Beweis.
Für sein Team – und vor allem für die neuerdings schwächelnde Defensive – war Rönnow oft die letzte Rettung und gehört mit seinen Statistiken (er pariert 71,2 Prozent der Schüsse auf sein Tor, spielte vier Mal zu Null und kassierte nur 15 Gegentore) zu den Top-Torhütern der Liga. Kein Wunder also, dass die Fans ihn im September zum zweiten Mal in Folge zu Unions Spieler des Jahres kürten.
Die Hoffnung: Kevin Volland
In den vergangenen Wochen und Monaten haben sich die Fans der Eisernen wohl nichts dringlicher gewünscht als einen torgefährlichen Stürmer. Erst 14 Treffer hat Union in dieser Saison erzielt. Bo Svensson versuchte vergeblich, den Torfluch mit unterschiedlichem Personal zu brechen. Nur einer hat dabei noch nicht wirklich eine Chance bekommen: Kevin Volland.
Der ehemalige Nationalspieler war nach einer Knie-Operation im Sommer lange ausgefallen und hatte sich Stück für Stück zurückgekämpft. Erst am zwölften Spieltag beim 1:2 gegen Leverkusen sammelte der 32 Jahre alte Routinier seine ersten Bundesliga-Minuten der Saison, fehlte zuletzt aber wieder angeschlagen.
Sollte Volland nach der Winterpause wieder richtig fit sein, könnte er die letzte verbliebene Hoffnung für die desaströse Unioner Offensive sein: vielleicht als derjenige, der die Torflaute beendet - vielleicht aber auch als derjenige, der einem potenziell neuem Mittelstürmer die Bälle auflegt. In der vergangenen Spielzeit kam er in 26 Ligaspielen immerhin auf acht Scorerpunkte (drei Tore, fünf Vorlagen).
Die Wundertüte: Benedict Hollerbach
Wie wichtig Benedict Hollerbach für den 1. FC Union sein kann, das hat er schon oft unter Beweis gestellt. Sei es durch seinen Führungstreffer im entscheidenden Spiel um den Klassenerhalt in der vorigen Saison gegen Freiburg, oder durch Traumtore wie seinen 1:0-Volley-Siegtreffer gegen St. Pauli. Der 23-Jährige ist derzeit Unions gefährlichster Offensivmann. Dazu braucht es allerdings auch nur drei Tore und zwei Vorlagen, was die Ausmaße der aktuellen Angriffsschwäche der Berliner noch einmal verdeutlicht.
Trotzdem: Wenn es bei Union gefährlich wird, ist Hollerbach oft beteiligt. Mutig und mit viel Tempo sucht er immer wieder das Eins-gegen-eins und ist in der Lage, fast jeden Gegenspieler stehen zu lassen. Zumindest theoretisch, denn praktisch zeigt er genau das noch zu selten. So hoch die individuelle Klasse des Stürmers auch sein mag, es fehlt an Konstanz. Mal zaubert der gebürtige Starnberger, mal ist er völlig blass, kommt nicht ins Dribbling und vom Genie am Ball ist plötzlich nichts mehr zu sehen. Immerhin sorgt er immer mal wieder für ein Überraschungsmoment, in der sonst so berechenbaren Unioner Offensive.
Die Enttäuschung: Robin Gosens
Er war der Königstransfer der vergangenen Saison: 13 Millionen Euro blätterten die Eisernen für Nationalspieler Robin Gosens hin, um sich Qualität für die Champions League in den Kader zu holen, während sich der Flügelspieler mit starken Leistungen in der Bundesliga seinen Platz im DFB-Team für die Heim-EM sichern wollte. Doch 2024 endete der vielbeachtete Ausflug Gosens nach Köpenick nach nur einem Jahr mit einer herben Enttäuschung für beide Seiten.
Denn der große sportliche Impact des mittlerweile 30 Jahre alten Linksaußen blieb aus. Sieben Treffer und vier Vorlagen verzeichnete er zwar in Berlin, gerade in der herausfordernden Rückrunde war er aber zu selten ein entscheidender Faktor auf dem Platz. Am Ende bewegte sich nicht nur Union gefährlich nahe am Abstieg, sondern auch Gosens' Traum von der Heim-EM platzte.
Besonders ärgerlich für den Verein fiel dann auch sein Last-Minute-Abschied im Sommer aus. Noch am Tag des Bundesliga-Spiels gegen St. Pauli war Gosens für die Startelf eingeplant, wenige Stunden später entschied er sich für einen Wechsel nach Florenz. Und der war für die Köpenicker wohl auch noch ein Verlustgeschäft: Spekuliert wird über eine Leihe mit anschließender Kaufpflicht, die bei ungefähr 7,5 Millionen Euro liegen soll. Immerhin für Gosens hat sich der Wechsel gelohnt. In Florenz ist er unumstrittener Stammspieler - und schaffte auch die Rückkehr in den Kreis der deutschen Nationalmannschaft.
Der Durchstarter: Tom Rothe
Eine gute Sache hatte der kurzfristige Wechsel Gosens im Sommer jedoch auch für Union: Ein anderer Spieler sollte die Chance bekommen sich zu beweisen. Und das tat Tom Rothe eindrucksvoll. Der Jungstar war für fünf Millionen Euro aus Dortmund an die Spree gewechselt und hatte bereits in der vergangenen Saison bei seiner Leihe an Bundesliga-Aufsteiger Holstein Kiel in der zweiten Liga bewiesen, dass er einige Qualität und Talent mitbringt.
In der Bundesliga setzte Rothe seine Entwicklung bei Union nahtlos fort und spielte sich auf der linken Außenbahn nach dem Abgang von Gosens sofort in die Startelf. Der 20-Jährige überzeugt dabei durch sein variables Spiel und das schnörkellose, zumeist fehlerfreie Auftreten. Am vierten Spieltag erzielte er beim 2:1 gegen Hoffenheim seinen ersten Treffer, der ihn zum jüngsten Torschützen der Köpenicker Bundesliga-Geschichte aufsteigen ließ.
Nach einer Verletzungspause war der U21-Nationalspieler zuletzt wieder fester Bestandteil der ersten Elf und bekam von Vereinspräsident Dirk Zingler bereits eine große Zukunft vorausgesagt: "Wenn er sich weiterentwickelt, wird er auch von unseren Nationaltrainern gesehen werden. So viel gute linke Außenverteidiger haben wir nicht."
Sendung: Antenne Brandenburg, 30.12.2024