Berliner Leibniz-Institut - Neue Erkenntnisse zum massenhaften Fischsterben in der Oder 2022

Do 10.04.25 | 12:54 Uhr
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Archivbild: Zwei große tote Fische von etwa 50 Zentimetern Länge treiben an der Wasseroberfläche im Winterhafen - einem Nebenarm des deutsch-polnischen Grenzflusses Oder. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Audio: Antenne Brandenburg | 10.04.2025 | Fred Pilarski | Bild: dpa/Patrick Pleul

Mehrere hundert Tonnen toter Fische wurden entlang der Oder vor drei Jahren binnen mehrerer Wochen geborgen. Ein Grund dafür war die Goldalge, die tödliche Gifte produzierte. Ein Berliner Forscherteam hat jetzt eine Erklärung dafür.

Das Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei hat neue Erkenntnisse zu möglichen Ursachen des massenhaften Fischsterbens in der Oder 2022 gewonnen. Ein Forscherteam hat eine Theorie entwickelt, warum die Goldalge "Prymnesium Parvum" damals das für Fische tödliche Gift produziert hatte.

"Wir vermuten jetzt, dass die Alge, - entweder wenn sie zu wenig Stickstoff oder zu wenig Phosphor hat - anfängt, die Giftstoffe zu produzieren", sagte die Biologin Karla Münzner vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei dem rbb.

Die Alge könne sich ihre Energie durch die Photosynthese holen oder Nährstoffe dadurch aufnehmen, dass sie andere Organismen fresse, so Münzner: "Dafür bildet sie die Giftstoffe und sondert die ab. Damit kann sie die Zellwände von den Bakterien und den Algen auflösen und sie dann aufschlürfen, so wie einen Proteinshake."

Laichbestände erholen sich

Um den aktuellen Fischbestand der Oder zu untersuchen, haben Wissenschaftler vom Leibnitz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei am Mittwoch eine stichprobenartige Fischinventur durchgeführt. Diese Datensammeltouren, bei denen Flussbewohner mit einem kleinen Schleppnetz aus der Strommitte gefischt und dann vermessen und gewogen werden, finden drei mal im Jahr statt.

Nach den letzten Befischungen sähe es so aus, als hätte das Oder-Hochwasser vom Herbst einen Einfluss auf eine Veränderung der Fischbestände gehabt, sagte Forschungsgruppenleiter Christian Wolter dem rbb. "Wir haben dieses Jahr einen starken Laicherbestand beim Blei und auch bei der Güster, den wir im Moment nicht so erwartet haben, wo wir uns aber natürlich darüber freuen." Außerdem habe man einen guten Zährtenlaichbestand gemessen.

Salzgehalt in der Oder weiterhin zu hoch

Dennoch stehe das Ökosystem der Oder weiter unter Stress. Bei der Umweltkatastrophe 2022 seien nicht nur Fische gestorben, sondern auch Großmuscheln, so Wolter. Diese Muscheln als effektives Filtersystem hätten sich noch lange nicht erholt, sodass Algen aller Arten auch weniger Fressfeinde hätten.

Sorgen mache ihnen auch der hohe Salzgehalt. Er ist in der Oder mit 1.800 Mikrosiemens pro Zentimeter drei mal so hoch, wie es Wissenschaftler für verträglich halten. Die hohe Salz- und Nährstoffbelastung könne auch in diesem Sommer wieder zu Massenentwicklungen von Algen führen, sagte Wolter: "Darum ist aus meiner Sicht natürlich die wichtigste Vorsorge überhaupt die Massenentwicklung dieser Brackwasseralge, Promenesium Parvum in der Oder zu verhindern, weil wir bekommen die Alge nicht mehr aus dem System raus. Die ist jetzt da, die wird immer da sein."

Um künftige Algenblüten zu verhindern, sollte daher sowohl die Nährstoff- als auch die Salzeinleitungen in die Oder reduziert werden, fordern die Wissenschaftler.

Massensterben nach Umweltkatastrophe 2022

Ende Juli bis September 2022 war es in der Oder zu einem massenhaften Fischsterben gekommen und der Fluss auf einer Länge von 500 km von schwerwigenden Umweltauswirkungen betroffen gewesen. Laut einer EU-Analyse von 2023 waren die meisten Fische zwischen Ende Juli 2022 und dem 12. September 2022 verendet. In diesem Zeitraum seien rund 360 Tonnen toter Fische geborgen worden.

2024 war es in Nebengewässern der Oder zu einem erneuten Fischsterben durch die Goldalge gekommen. Rund 100 Tonnen toter Fische waren geborgen worden. In Polen hatten Behörden versucht, die Alge durch den Einsatz von Wasserstoffperoxid einzudämmen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 09.04.2025, 13:30 Uhr

Mit Material von Fred Pilarski

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13 Kommentare

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  1. 12.

    "Wäre der Salzgehalt in der oder um 70% geringer, würde sich die Goldalge dort gar nicht wohlfühlen und entsprechend weniger gedeihen." Das ist die eigentlich Ursache. Diese Ursache kann aber Deutschland gar nicht angehen, da die Oder (bis auf einen kleinen Teil im tschechischen Odergebirge) in Oberlauf und Mittellauf in Polen liegt. Die Untersuchung ist also wissenschaftlich interessant und für eine Veröffentlichung gut, geht aber gar nicht das grundlegende Problem an, welches behoben werden muß.

  2. 11.

    Es ist kein Widerspruch: Algen und auch Wasserpflanzen benötigen zum Wachstum Stickstoff N, Phosphor P und Eisen Fe. N und P werden in Form von gelöstem Nitrat NO3 und Phosphat PO4 aufgenommen.
    Die beschriebene Theorie besagt, dass die Goldalge bei P-Mangel Gift produziert, das letztlich das Fischsterben verursachte. Der hohe Salz- und Nährstoffgehalt der Oder entsteht mutmaßlich durch andere chemische Elemente, die durch Industrie und Landwirtschaft sowie Umweltbelastungen ins Wasser gelangen. Zeitgleich kann der Gehalt an P im Wasser gering sein. Wäre der Salzgehalt in der oder um 70% geringer, würde sich die Goldalge dort gar nicht wohlfühlen und entsprechend weniger gedeihen.

  3. 10.

    Ich hätte ja mit den Polen, an einem weitgehends polnischen Gewässer, zusammengearbeitet...

  4. 9.

    "Für mich ein Widerspruch." Natürlich ist das ein Widerspruch, so wie es dasteht. Aber das Grundproblem ist doch der Salzgehalt, der überhaupt erst günstige Bedingungen für diese Alge schafft und das muß primär angegangen werden. Weniger Nähstoffe in Flüsse einleiten ist ein Allgemeinplatz und (besonders unter Berücksichtigung von Niedrigwasser) immer ein guter Rat, weil es ganz allgemein dem Ökosystem Fluß gut tut. Aber solange keine Lösung beim zu hohen Salzgehalt gefunden wird, ist alles andere nur Kosmetik.

  5. 8.

    Bei der allerersten Meldung von RBB damals war eindeutig die Rede von Einbringen von Industriemüll-abwässer einer polnischen Fabrik Nähe Oppole.Habt ihr den Bericht noch rbb?

  6. 7.

    "Um künftige Algenblüten zu verhindern, sollte daher sowohl die Nährstoff- als auch die Salzeinleitungen in die Oder reduziert werden, fordern die Wissenschaftler." Das war aber schon von Anfang an bekannt.

  7. 6.

    Bitte um Aufklärung. Die Wissenschaftler behaupten, dass den Algen Nährstoffe fehlten, was eine Produktion von Giftstoffen veranlasste.
    Als Gegenmaßnahmen wurden aber die Verringerung des Salzgehaltes und der Nährstoffe genannt. Für mich ein Widerspruch.

  8. 5.

    Es wäre unwissenschaftlich 100%- ige Aussagen zu machen
    Hier zu sehen daran, dass 2 mögliche Gründe vorliegen, warum die Alge auf Gift-Produkion umstellt von der Photosynthese

    Ihre Forderung nach Forschung wurde erbracht, ebenso wie erneutes Fischsterben verhindert werden kann:

    "Um künftige Algenblüten zu verhindern, sollte daher sowohl die Nährstoff- als auch die Salzeinleitungen in die Oder reduziert werden, fordern die Wissenschaftler."

    Bitte

  9. 4.

    "Ein Berliner Forscherteam hat jetzt eine Erklärung dafür." Das ist zwar nett für eine Veröffentlichung, bringt aber für die Oder gar nichts. Es ist eigentlich für die Oder recht egal, wann diese Goldalge Giftstoffe bildet, da ist nicht das grundlegende Problem. Das grundlegende Problem ist der Salzgehalt, bei welchem sich überhaupt erst diese Algen wohlfühlen. Wann wird denn mal das grundlegende Problem und dessen Ursache im Ober- und Mittellauf der Oder angegangen?

  10. 3.

    "Vermuten": [Duden] mal nachsehen?
    Es ist in der Forschung üblich, dass vorläufige Resultate unter Vorbehalt veröffentlicht werden.
    Dass diese Alge der Auslöser für das Fischsterben war wird z.B. nicht mehr vermutet, allerdings is der Grund, weshalb die Alge das tut noch nicht gesichert geklärt.
    Forschung braucht auch manchmal etwas mehr Zeit.
    Alles klar?

  11. 2.

    Was mich aber etwas aufhorchen lässt, ist das Wort "Vermuten"... Zwei Jahre danach, was kann denn nun durch die Forscher wirklich bewiesen, belegt werden?!! Vermuten kann ich auch, wie viele andere Menschen!
    Aber hilft es dem Ökosystem der Oder wirklich oder wäre es nicht besser es durch Forschung Klarheit zu schaffen und zu beweisen, wie man z.B. erneuten Fischsterben entgegen wirken kann und muss.

  12. 1.

    Ich war damals dabei! Es war grausam!