Pilotprojekt - Menschen mit Grundeinkommen arbeiten laut Studie nicht weniger
Wie wirkt sich ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1.200 Euro im Monat auf das Leben aus? Eine deutsche Langzeitstudie liefert nun Ergebnisse zu dieser Frage. Zweifel daran kommen von einem Wirtschaftsinstitut.
Mehr als 100 erwerbstätige Menschen bekommen über drei Jahre hinweg 1.200 Euro im Monat geschenkt – trotzdem arbeiten sie nicht weniger. Das sind die Ergebnisse eines deutschen Pilotprojekts des Vereins "Mein Grundeinkommen" [mein-grundeinkommen.de].
"Vielmehr waren sie mental gesünder, glücklicher und selbstbestimmter", sagte die Vorstandsvorsitzende des Vereins, Klara Simon, bei der Vorstellung am Mittwoch. Kritik und Befürchtungen, das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) führe dazu, dass Menschen weniger arbeiteten, könnten die Forscher nicht bestätigen. Die Langzeitstudie ist nicht repräsentativ.
Das Projekt hat allein lebende und erwerbstätige Menschen im Alter zwischen 21 und 40 Jahren mit einem Nettoeinkommen zwischen 1.100 Euro und 2.600 Euro begleitet. Zwischen Juni 2021 und Mai 2024 erhielten 122 Teilnehmende 1.200 Euro BGE. 107 von ihnen flossen in die quantitative Auswertung mit ein, 1.580 Menschen waren in der Vergleichsgruppe ohne BGE.
Verbesserung der mentalen Gesundheit
Deutliche Unterschiede zeigten sich demnach im Umgang mit der eigenen beruflichen Situation. In der Gruppe mit BGE hätten sich viele Menschen weitergebildet und seien zufriedener mit ihrem Erwerbsleben. Eine Teilnehmerin hat demnach mit dem zusätzlichen Geld eine Schwimmschule eröffnen können, die mittlerweile fünf Standorte und 20 Mitarbeiter hat.
Auch die mentale Gesundheit habe sich stark verbessert, sagte Susann Fiedler, Psychologin und Verhaltensökonomin vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern. Bei der Lebenszufriedenheit ist der Studie nach ein Anstieg zu sehen, der vergleichbar ist mit dem Beispiel frisch geschieden versus frisch geheiratet. "Wir reden hier also über echt große Effekte, die die neue Einkommensquelle durch das Grundeinkommen hier auslöst."
Was die Verwendung angeht, so wurde demnach mehr als ein Drittel der Geldzahlungen gespart und etwa die Hälfte in Konsum investiert. Ein weiterer Teil sei in Freunde und Familie sowie in Spenden investiert worden. Auch habe die BGE-Gruppe durchschnittlich mehr Zeit pro Woche mit Freunden und Familie verbracht.
IW sieht Studie kritisch
Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) reagierte kritisch auf die Ergebnisse des Projekts. 107 Menschen seien eine dünne Datenbasis. "Aus diesen Ergebnissen Ableitungen für eine ganze Volkswirtschaft bilden zu wollen, ist fragwürdig", heißt es in deren Mitteilung. Dass die Teilnehmenden uneigennütziger handelten, liege nahe. "Im Rahmen des Projektes waren sie Gewinner einer Lotterie, keine Bürger, die Anspruch auf eine Sozialleistung haben."
Anstatt bedingungslos Geld zu verteilen, solle die Gesellschaft diejenigen unterstützen, die Hilfe benötigen. "Denn wer wie im Falle des BGE Ungleiches gleichbehandelt, macht die Welt kein Stück besser", so das IW.
Das an der Studie beteiligte Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schreibt auf seiner Webseite hingegen, es ließen sich aus zeitlich begrenzten Feldexperimenten verallgemeinernde Schlussfolgengerungen zu Wirkungen eines Grundeinkommens ziehen. "Gleichwohl lassen sich Folgen auf gesamtwirtschaftlicher Ebene wie Preis- und Lohnentwicklung schwer durch solche Feldexperimente ermitteln."
Neben dem DIW waren an der Studie auch noch Forschende der Wirtschaftsuniversität Wien (WU Wien), dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), der University of Oxford, der Frankfurt School of Finance & Management und der Universität zu Köln beteiligt.
Sendung: rbb24 Abendschau, 09.04.2025, 19:30 Uhr. Die komplette 6-teilige Langzeit-Dokumentation "Der große Traum - Geld für alle" ist ab sofort in der ARD-Mediathek zu sehen.