80 Jahre Kriegsende - Landkreis und Stadt erinnern an Schlacht auf den Seelower Höhen

Mi 16.04.25 | 21:12 Uhr
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Gedenken auf den Seelower Höhen
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 16.04.2025 | Robert Schwaß/Interview mit Frank Bösch | Bild: rbb

Zehntausende Menschen starben bei der Schlacht auf den Seelower Höhen vor 80 Jahren - bei einem stillen Gedenken wurde an die Opfer erinnert. Daran hat auch der russische Botschafter teilgenommen - was eine kontroverse Diskussion ausgelöst hatte.

  • 800 Menschen gedenken Kriegsopfern
  • neben Vertretern der brandenburgischen Politik auch Diplomaten aus Russland und Belarus in Seelow
  • Botschafter erhält viel Zustimmung von Anhängern
  • Auswärtiges Amt hatte im Voraus vor Instrumentalisierung gewarnt
  • Politiker aus dem Oderland bezeichnen Handreichung aus "Quatsch" und "absurd"
  • Zehntausende vor 80 Jahren bei Seelow gefallen

Zum Jahrestag der Schlacht um die Seelower Höhen vor 80 Jahren ist am Mittwoch an die Zehntausenden Gefallenen erinnert worden. An dem stillen Gedenken von Kreis und der Stadt am Ehrenmal in Seelow (Märkisch-Oderland) nahmen nach rbb-Informationen rund 800 Menschen teil.

Darunter waren auch der russische Botschafter Sergej Netschajew, und Vertreter der Landes- und Kommunalpolitik sowie anderer Gruppierungen. Sie alle wurden von Vize-Landrat Friedemann Hanke (CDU) willkommen geheißen und legten Kränze und Blumensträuße nieder.

Erst stilles Gedenken, dann Autogramme des russischen Botschafters

Botschafter Netschajew, aber auch weitere Diplomanten und Militärs aus Russland, Belarus, Polen sowie anderen Ländern verneigten sich nach der stillen Andacht vor den zuvor abgelegten Kränzen am Fuße der Soldaten-Skulptur. Ansprachen wurden nicht gehalten.

Als Botschafter Netschajew anschließend die Treppe vom Monument herunterkam, wurde es hingegen lauter, als er das Bad in der Menge suchte. Einige der dort Anwesenden trugen neben Fahnen mit weißen Tauben auch Flaggen mit Hammer und Sichel. Vereinzelt waren auch T-Shirts mit Nazi- und Wehrmachtssymbolen zu sehen. Eine Gruppe älterer Menschen sang Lieder zu Ehren der Oktoberrevolution. Der russische Botschafter gab Autogramme und schüttelte Hände. Ein Mann reichte ihm als Zeichen der Gastfreundschaft Brot und Salz und sagte "die Freundschaft, die bleibt". Daraufhin bedankte sich der Botschafter.

Hanke reagierte befremdet auf die Bekundungen. "Das hat ja schon fast etwas von Heiligen-Verehrung. Grundsätzlich ist es so, dass es ein Anlass ist, der bestimmte Kreise auch anzieht. Zweitens haben wir als Landkreis auch eine enge Verbindung mit der Botschaft und auch Herrn Netschajew über die vergangenen Jahre und Jahrzehnte." Grund dafür sei die Kooperation bei der Pflege und Umbettung von Kriegstoten und deren Gräbern. "Daraus begründet sich eine enge Zusammenarbeit mit der russischen Botschaft, sodass Herr Netschajew für uns auch eine vertraute Person ist", so Hanke weiter.

"Das geht ein bisschen am Thema vorbei"

Nach den Kranzniederlegungen wurden zwei Tafeln mit Namen gefallener Rotarmisten eingeweiht. Im Zuge dessen zeigte sich Joachim Kotzlowski, Umbetter vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge, irritiert über all die Fahnen und Gesänge. "Das geht ein bisschen am Thema vorbei. Wir gedenken hier der Kriegstoten, der Toten, die vor 80 Jahren bei der Stürmung der Seelower Höhen ihr Leben gelassen haben. Nicht mehr und nicht weniger."

Bühne für Propaganda?

Auf die Frage eines Journalisten zur Ukraine machte Netschajew deutlich, dass er auch noch andere Botschaften im Gepäck hatte. "Wir kämpfen nicht gegen das ukrainische Volk. Das ist unser Brudervolk. Aber das neonazistische Regime können wir nicht dulden. Das steckt bei uns in den Adern", so der russische Botschafter.

Der ukrainische Botschafter Oliksei Makeiev hatte bereits zuvor angekündigt, der Veranstaltung fernzubleiben. Makeiev kritisierte die Teilnahme Netschajews und dessen Auftritt scharf. Der russische Landesvertreter habe das Sankt-Georgs-Band getragen, also ein russisches Militärabzeichen. Das sei "eine klare Verhöhnung der Opfer von vor 80 Jahren und der Opfer von heute", sagte Makeiev.

Vize-Landrat: Russischen Botschafter nicht ausschließen

Bereits vor dem Gedenken war vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs in der Ukraine eine Debatte mit eine politischer Brisanz entbrannt. So hatte das Auswärtige Amt ebenfalls vor einer Vereinnahmung von Gedenkveranstaltungen durch russische und belarussische Vertreter gewarnt und Ländern, Landkreisen sowie Kommunen die Möglichkeit erläutert, russische Vertreter von Gedenkveranstaltungen zum Kriegsende auszuschließen.

Vize-Landrat Hanke bezeichnete diese Option im Vorfeld als "Quatsch". Man könne nicht den höchsten Vertreter eines Landes von einem Gedenken an die eigenen Landsleute ausschließen, sagte er. Man wolle hier keine politische Bühne bieten oder eine Vereinnahmung dieser Schlacht zulassen. Russland werde in Deutschland mehrheitlich als Feind angesehen, dabei gehe es bei diesem Gedenken nicht um Nationen.

Schönbrunn (SPD): Unsinnig, den russischen Botschafter auszuladen

"Krieg heißt Vernichtung, Tod und Chaos - unabhängig von Nationalität", betonte Hanke. Man habe bei dieser Schlacht die Zukunft von Tausenden teils jungen Männern zerstört. Es gehe um die Erinnerung an diese Menschen. Die Reste dieser zerstörten Zukunft lägen als Überreste der Menschen teilweise noch immer unter der Erde.

Sina Schönbrunn, Seelowerin und SPD-Abgeordnete im Brandenburger Landtag für den Landkreis Märkisch-Oderland, sagte im rbb24 Inforadio, sie finde es "recht absurd", so ein Schreiben herauszugeben, auch wenn sie die Sorge des Auswärtigen Amtes verstehen könne. Es sei unsinnig, den höchsten Vertreter eines Landes, also den russischen Botschafter, auszuladen, der seiner Landsleute gedenken wolle. Sie geht davon aus, dass es keine Instrumentalisierung des Gedenkens geben werde.

"Es ist ein diplomatisch - sagen wir es mal vorsichtig - nicht sehr freundlicher Akt gegenüber den Nachfahren der Menschen, die hier begraben liegen", sagte BSW-Landtagsfraktionschef Niels-Olaf Lüders. "Ihnen untersagen zu wollen, an die Gräber ihrer Vorfahren zu gehen,
finde ich absolut unakzeptabel." Die Empfehlung sei "ziemlich geschichtsvergessen und unangemessen".

Zehntausende Soldaten starben auf den Seelower Höhen

Der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev wirft Russland vor, die Geschichte seit Langem zu instrumentalisieren. Russland präsentiere sich als einziges Opfer und einzigen Sieger über den Nationalsozialismus und unterschlage die mehr als acht Millionen ukrainischen Opfer, sagte er dem rbb.

In der Roten Armee kämpften neben Russen und Ukrainern auch belarussische Soldaten sowie Angehörige von kaukasischen, zentralasiatischen und baltischen Völkern. Am 16. April 1945 begann auf den Seelower Höhen die Schlacht zwischen rund einer Million Soldaten der Roten Armee und etwa 120.000 Wehrmachtssoldaten. Zehntausende Menschen ließen auf den Höhen ihr Leben. "Die Schätzungen besagen, dass bei der Schlacht um die Seelower Höhen 33.000 Angehörige der Roten Armee, 16.000 von der Wehrmacht und 2.000 Polen starben", teilte eine Sprecherin des Landkreises mit. Mit dem Ende der Schlacht am 20. April war für die Rote Armee der Weg in Richtung Berlin frei.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 16.04.2025, 19:30 Uhr

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16 Kommentare

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  1. 16.

    Diese Schlacht ist auf der Metaebene wichtig. Sie markiert den Moment, da der "Bolschewik" deutschen Boden betrat und den Krieg in das "Kernland" brachte. Die unmittelbaren Folge war der Ende des Zweiten Weltkrieges.
    Im Vorfeld wurden Konzentrationslager befreit, Millionen Gefallene auf dem Weg nach Nazideutschland. Dagegen stehen 8 Millionen Tote Wehrmachtsoldaten. Und es gab den Vernichtungsfeldzug im sowjetisch besetzten Raum, wo Millionen Menschen schlicht vernichtet wurden und es keine Kapazitäten auf deutscher Seite gab, diese Massen an toten Menschen zu entsorgen. Das muss uns hier und heute klar sein.

  2. 15.

    Nein. Das eigentümlich, nicht vorhandene Subjekt, Person, Wesen "Sowjet-Russland" sowie "Nazi-Deutschland" waren niemals "beste Freunde"
    Stattdessen hatten sich zwei Machtkonzentrationen für den Moment der jeweiligen Interessen verbündet.
    Ihnen gemeinsam war strukturell-analytisch gesehen, ihre erzreaktionäre, rechtsautoritäre Grundierung.
    Selbstverständlich war der NSDAP-Faschismus dem Stalinismus viel näher - und umgekehrt - als beiden lieb war. Ohne dabei das Gleiche oder dasselbe sein zu müssen.
    Mit Sozialismus im positiven, im demookratisierenden Sinne hatte der eine so wenig zu tun wie der andere.
    Und "Freunde" hatte niemand während man sich Genossin und Genosse nannte.

    Aus dieser Wirklichkeit entstand die klägliche Erzählung vom "Hufeisen" Mit dem sich eine sogenannte bürgerliche Mitte - übrigens auch in der Sowjetunion - zum Opfer von Extremisten stilisiert. Obwohl sie es waren, die Stalin gewähren liessen, die Hitler begrüssten in ihren jeweiligen Gesellschaften.

  3. 14.

    Die völkerrechtlich anerkannte Sowjetunion ist seit 1992 Geschichte.
    Putin schmeißt historisch alles durcheinander. Für ihn sind das Zarenreich, die russische Revolution, die russisch orthodoxe Kirche und Stalin kein Widerspruch sondern Triebkraft zu neuer Größe.

    Aber das ist hier nicht das Thema, denn Putin war 1945 noch nicht mal ein feuchter Wunschtraum.

  4. 13.

    Der Deutsche sollte sich etwas schämen. Sind 24 Millionen Tote nicht Mahnung genug?

  5. 12.

    Sowjet-Russland und Nazi-Deutschland waren fast zwei Jahre lang beste Freunde. Hitler-Stalin-Pakt? Geheimes Zusatzprotokoll? Hallo McFly? Jemand zuhause?

  6. 11.

    Für Putin ist Russland der heilige moralische Nachfolger der UdSSR.

  7. 10.

    Sie stellen gern infantile Fragen?

    Für russische TV-Hetzer wie Solowjow und Kabajewa liegen die Seelower Höhen bereits auf heiligem rusischen Boden.

  8. 9.

    Auch in diesem Thread wird ihr Kommentar nicht richtiger, denn es war nicht Russland sondern die Sowjetunion. Und der Befreier und Besatzer war Georgier, Genosse Stalin und sein Nachfolger Ukrainer, Genosse Chruschtschow.
    Erst mit dem Russen Gorbatschow endete die Besatzung.

    Übrigens war das geteilte Deutschland insgesamt nach dem Viermächtestatus besetzt.

  9. 6.

    Butscha niemals vergessen!!!

  10. 5.

    Der Erste Beigeordnete Friedemann Hanke hat völlig Recht. Es wird keine politische Bühne geboten sondern den zehntausenden Gefallenen gedacht.

  11. 4.

    Gedenken ja und bitte nicht vergessen. Putin hat die Ukraine überfallen!

  12. 3.

    Ja, toll. Mit Kalendersprüchen den Frieden sichern. Beindruckt Herrn Putin ungemein, der kringelt sich bereits vor Lachen.

  13. 2.

    Russland war Geschädigter durch Hitlers Angriffskrieg und am Ende war Russland mit Sieger. Aber eins war Russland nie: Befreier. Die Russen ersetzten in der Ostzone gewaltsam direkt die eine Diktatur durch die nächste. Freiheit gab es allenfalls für die, die zeitnah aus der russischen Besatzungszone flohen.

  14. 1.

    "Krieg heißt Vernichtung, Tod und Chaos - unabhängig von Nationalität", betonte Hanke.

    Dem ist nichts hinzuzufügen und der Toten sollte in Stille gedacht werden.