Interview | Augenärztin über Verletzungen an Silvester - "Eine Vorstellung in der Rettungsstelle ist meistens leider die einzige Möglichkeit"

So 29.12.24 | 13:32 Uhr
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Symbolbild: Augenärztin bei der Arbeit. (Quelle: dpa/Elena Safonova)
dpa/Elena Safonova
Audio: rbb24 Inforadio | 28.12.2024 | Bernhard Kempf | Bild: dpa/Elena Safonova

Auch dieses Jahr wird die Zahl der Verletzten durch Feuerwerkskörper an Silvester wohl nicht sinken, glaubt die Augenärztin Ameli Gabel-Pfisterer. Betroffen seien oft Menschen, die selbst keine Böller gezündet hätten. Doch es gibt Schutzmöglichkeiten.

Seit Samstag dürfen wieder Raketen, Böller und Feuerwerksbatterien verkauft werden. Möglichst laut und bunt soll es ins neue Jahr gehen. Doch nicht für alle endet die Silvesternacht gut: Durch Feuerwerk verletzen sich immer wieder Menschen. Die Folge: Verbrennungen. schlimmstenfalls auch abgetrennte Finger oder nicht selten Verletzungen an den Augen.

Ameli Gabel-Pfisterer, Augenärztin und leitende Oberärztin am Ernst-von-Bergmann-Klinikum in Potsdam, erklärt, was Betroffene tun sollten und wie man sich am besten vor Augenverletzungen schützt.

rbb|24: Frau Gabel-Pfisterer, werfen wir zunächst einen Blick auf den letzten Jahreswechsel: Damals wurden bundesweit mehr als 780 Menschen mit Augenverletzungen behandelt. Waren das vor allem diejenigen, die Feuerwerk gezündet haben, oder eher Unbeteiligte?

Ameli Gabel-Pfisterer: Wir waren sehr erstaunt zu sehen, dass 58 Prozent der Patienten, die solche Verletzungen erlitten haben, Leute sind, die als Zuschauer oder Passanten verletzt worden sind – also die Feuerwerke nicht selbst gezündet haben.

Gab es im Vergleich zu den vergangenen Jahren insgesamt mehr oder weniger Fälle von Augenverletzungen?

Wir machen seit acht Jahren eine Umfrage an den deutschen Augenkliniken und erfassen die Patienten, die dort behandelt werden. Natürlich sind das nicht alle, die insgesamt verletzt worden sind – manche werden von niedergelassenen Ärzten nach den Feiertagen behandelt. Aber in den Kliniken waren es in 780 im vergangenen Jahr, 838 im Jahr davor und in den Jahren vor der Pandemie etwa 500.

Wir erwarten leider nicht, dass die Zahlen nach unten gehen

Ameli Gabel-Pfisterer, Augenärztin

Welche Arten von Verletzungen gibt es üblicherweise? Und wie schwer können sie sein?

Von den Verletzungen, die wir erfasst haben, sind 25 Prozent schwere Verletzungen gewesen. Das heißt dann Verletzungen, die ein schweres, stumpfes Augentrauma gewesen sind. Unter diesem 25 Prozent sind auch viele Schnittverletzungen und Sprengverletzungen der Hornhaut, der Bindehaut oder der Lederhaut aber auch eingesprengte Fremdkörper im Augeninneren. Die restlichen 75 Prozent sind leichte Verletzungen wie Fremdkörper in der Hornhaut, Fremdkörper in der Bindehaut oder oberflächliche Abschürfungen.

Wenn man sich in der Silvesternacht verletzt, was sollte man am besten tun? Geht man ins Krankenhaus oder was kann man vor Ort tun?

Das ist nicht immer ganz so einfach abzuschätzen. Von Laien ist das nicht leicht zu erkennen, ob eine sehr schwere Verletzung vorliegt oder eine mittelschwere Verletzung, da auch oberflächliche Verletzungen starke Schmerzen machen können. Eine Vorstellung in der Rettungsstelle ist meistens leider doch die einzige Möglichkeit, da ja auch wenig niedergelassene Augenärzte in der Zeit erreichbar sind.

Welche Schutzmaßnahmen können Menschen ergreifen, wenn sie auf das Böllern nicht verzichten wollen oder sollte man am besten gar nicht böllern?

In den zwei Jahren, in denen pandemiebedingt keine Feuerwerkskörper verkauft worden sind, sind die Zahlen enorm zurückgegangen – von 500 auf ungefähr 80. Das macht sehr, sehr viel aus. Das Beste, was man tun könnte, wäre also gar keine Feuerwerkskörper in den Verkehr zu bringen.

Da das jedoch nicht der Fall ist, wäre es am sinnvollsten, das Haus nicht zu verlassen. Und wenn man dennoch rausgehen möchte, kann ich tatsächlich empfehlen, eine Schutzbrille aufzusetzen – wie man sie üblicherweise im Baumarkt erwerben kann.

Auch in dieser Silvesternacht werden sie in der Notaufnahme tätig sein. Was erwarten Sie, was kommt da auf Sie zu?

Das wird vermutlich so sein wie in den letzten zehn Jahren. Es werden einige Patienten kommen, die leichte Verletzungen haben. Es werden aber auch einige Patienten dabei sein, die schwer verletzt sind. Und wir erwarten leider nicht, dass die Zahlen nach unten gehen, obwohl wir immer wieder die Leute davor warnen, mit Feuerwerkskörpern zu hantieren.

Bernhard Kempf stellte die Fragen. Bei diesem Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung des Interviews mit Frau Gabel-Pfisterer. Das ganze Gespräch können Sie hier hören [inforadio.de].

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.12.2024, 7:30 Uhr

9 Kommentare

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  1. 9.

    Ja eine Schutzbrille wie im Baumarkt aufsetzen. Das ist eine gute Idee :)

    Der Vorteil ist, in Berlin wundert es niemand.

    Die wenigen Momente, wo man als Brillenträger mal im Vorteil ist.

  2. 8.

    Was sich von der gültigen Gesetzeslage nicht wirklich unterscheidet. Der Verkauf ist auch erst ab 29. erlaubt, es sei denn dass ein Sonntag in die Verkaufsphase fällt. Dann gehts einen Tag früher los. Gezündet werden darf auch nur von 31.12., 18:00 bis 01.01., 7:00

  3. 7.

    Hier in Lichtenberg nicht besser. Polizei angerufen aber die sind machtlos. Wir können es uns nicht leisten Silvester wegzufahren, außerdem hat mein Mann Dienst. Meine Kinder sind erkältet und können nicht schlafen weil die ganze Nacht und auch tagsüber wild geböllert wird. Es rummst im 10min Tack. Meine Nachbarin geht mit ihrem Hund nicht mehr raus, er prickelt nun in die Wohnung weil er so verschreckt ist.

  4. 6.

    " Das Beste, was man tun könnte, wäre also gar keine Feuerwerkskörper in den Verkehr zu bringen. "

    genau, aber jedes Jahr dieselbe ergebnislose Diskussion um Böllerverbote . Ein Profifeuerwerk am Brandenburger Tor würde genügen, aber nein.... warum ? Ich hatte mal Notdienst an Silvester im Virchow Klinikum, ab 23 Uhr waren 3 Feuerwehrwagen vorgefahren und ich saß bis 4 Uhr im Augen-Op

  5. 5.

    Das ist doch letztlich irrelevant. Die Hauptaussage lautet: Feuerwerkskörper können zu teils schweren Augenverletzungen führen. Und daran ist nun mal nicht zu rütteln. Der Tipp, seine Augen entsprechend zu schützen, gilt folglich für alle, die sich in der Nähe von Feuerwerkskörpern aufhalten oder selbst damit hantieren.

  6. 4.

    Ich wüsste auch gerne mal, wann dieser Schwachsinn endlich ein Ende findet. Jedes Jahr die gleiche Thematik. Es ist sooooo langweilig, sinnlos, teuer und gesundheitsschädlich. Wann endlich ringt sich die Politik zu einem rigorosen Verbot durch? Ich kenne praktisch keine(n) Wähler(in) mit Spaß am Knallen. Die Leute verlassen teilweise Berlin, um ihren Haustieren das zu ersparen. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen...
    Wenigstens übergangsweise Verkauf nur an Silvester und Einfuhrverbot/Kontrollen. Das würde zwar fallweise bestimmt umgangen, aber die Gesamtmenge würde sinken. Das wäre doch schon mal ein Anfang.

  7. 3.

    Wie wurde denn ermittelt, ob jemand selbst seinen Unfall herbeigeführt hatte? Wenn es durch einfache Befragung der Verunfallten geschah, ist die ermittelte Zahl 58% in meinen Augen wenig aussagekräftig.

  8. 2.

    Verkauf war vom 29. bis 31. Dezember und Verwendung vom 31. Dezember 16.00 Uhr bis 1. Januar 8.00 Uhr.
    Ein paar wenige Gesetze der DDR waren nicht so verkehrt, oder?
    Warum so früh mit dem Verkauf, wo jeder genau weiß wo dieses letztendlich hinführt?
    Wo sind die Polizeistreifen die regelmäßig Kontrolle fahren?
    Bei uns in der Kleinstadt fährt nichts herum, vom Gehen zu Fuß Streife genannt, will ich garnicht erst anfangen.
    Sind ja alle in den Großstädten.

  9. 1.

    Danke an die Polizei, Feuerwehr und die Notaufnahmen !!! Wann hat dieser Irrsinn mit dieser Böllerei endlich ein Ende? Es gibt zuviel Unvernünftige und Unschuldige die verletzt werden, also kann es in Zukunft nur auf ein komplettes Verbot von Feuerwerkskörpern hinauslaufen. Ich hab Silvester auch Dienst und muss unsere Demenzkranken Bewohner beruhigen. Zum Feierabend graut es mir jetzt schon vor dem Heimweg. Hier in Kreuzberg drehen sehr viele,besonders Jugendliche, an Silvester komplett durch.

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