Interview | Augenärztin über Verletzungen an Silvester - "Eine Vorstellung in der Rettungsstelle ist meistens leider die einzige Möglichkeit"
Auch dieses Jahr wird die Zahl der Verletzten durch Feuerwerkskörper an Silvester wohl nicht sinken, glaubt die Augenärztin Ameli Gabel-Pfisterer. Betroffen seien oft Menschen, die selbst keine Böller gezündet hätten. Doch es gibt Schutzmöglichkeiten.
Seit Samstag dürfen wieder Raketen, Böller und Feuerwerksbatterien verkauft werden. Möglichst laut und bunt soll es ins neue Jahr gehen. Doch nicht für alle endet die Silvesternacht gut: Durch Feuerwerk verletzen sich immer wieder Menschen. Die Folge: Verbrennungen. schlimmstenfalls auch abgetrennte Finger oder nicht selten Verletzungen an den Augen.
Ameli Gabel-Pfisterer, Augenärztin und leitende Oberärztin am Ernst-von-Bergmann-Klinikum in Potsdam, erklärt, was Betroffene tun sollten und wie man sich am besten vor Augenverletzungen schützt.
rbb|24: Frau Gabel-Pfisterer, werfen wir zunächst einen Blick auf den letzten Jahreswechsel: Damals wurden bundesweit mehr als 780 Menschen mit Augenverletzungen behandelt. Waren das vor allem diejenigen, die Feuerwerk gezündet haben, oder eher Unbeteiligte?
Ameli Gabel-Pfisterer: Wir waren sehr erstaunt zu sehen, dass 58 Prozent der Patienten, die solche Verletzungen erlitten haben, Leute sind, die als Zuschauer oder Passanten verletzt worden sind – also die Feuerwerke nicht selbst gezündet haben.
Gab es im Vergleich zu den vergangenen Jahren insgesamt mehr oder weniger Fälle von Augenverletzungen?
Wir machen seit acht Jahren eine Umfrage an den deutschen Augenkliniken und erfassen die Patienten, die dort behandelt werden. Natürlich sind das nicht alle, die insgesamt verletzt worden sind – manche werden von niedergelassenen Ärzten nach den Feiertagen behandelt. Aber in den Kliniken waren es in 780 im vergangenen Jahr, 838 im Jahr davor und in den Jahren vor der Pandemie etwa 500.
Welche Arten von Verletzungen gibt es üblicherweise? Und wie schwer können sie sein?
Von den Verletzungen, die wir erfasst haben, sind 25 Prozent schwere Verletzungen gewesen. Das heißt dann Verletzungen, die ein schweres, stumpfes Augentrauma gewesen sind. Unter diesem 25 Prozent sind auch viele Schnittverletzungen und Sprengverletzungen der Hornhaut, der Bindehaut oder der Lederhaut aber auch eingesprengte Fremdkörper im Augeninneren. Die restlichen 75 Prozent sind leichte Verletzungen wie Fremdkörper in der Hornhaut, Fremdkörper in der Bindehaut oder oberflächliche Abschürfungen.
Wenn man sich in der Silvesternacht verletzt, was sollte man am besten tun? Geht man ins Krankenhaus oder was kann man vor Ort tun?
Das ist nicht immer ganz so einfach abzuschätzen. Von Laien ist das nicht leicht zu erkennen, ob eine sehr schwere Verletzung vorliegt oder eine mittelschwere Verletzung, da auch oberflächliche Verletzungen starke Schmerzen machen können. Eine Vorstellung in der Rettungsstelle ist meistens leider doch die einzige Möglichkeit, da ja auch wenig niedergelassene Augenärzte in der Zeit erreichbar sind.
Welche Schutzmaßnahmen können Menschen ergreifen, wenn sie auf das Böllern nicht verzichten wollen oder sollte man am besten gar nicht böllern?
In den zwei Jahren, in denen pandemiebedingt keine Feuerwerkskörper verkauft worden sind, sind die Zahlen enorm zurückgegangen – von 500 auf ungefähr 80. Das macht sehr, sehr viel aus. Das Beste, was man tun könnte, wäre also gar keine Feuerwerkskörper in den Verkehr zu bringen.
Da das jedoch nicht der Fall ist, wäre es am sinnvollsten, das Haus nicht zu verlassen. Und wenn man dennoch rausgehen möchte, kann ich tatsächlich empfehlen, eine Schutzbrille aufzusetzen – wie man sie üblicherweise im Baumarkt erwerben kann.
Auch in dieser Silvesternacht werden sie in der Notaufnahme tätig sein. Was erwarten Sie, was kommt da auf Sie zu?
Das wird vermutlich so sein wie in den letzten zehn Jahren. Es werden einige Patienten kommen, die leichte Verletzungen haben. Es werden aber auch einige Patienten dabei sein, die schwer verletzt sind. Und wir erwarten leider nicht, dass die Zahlen nach unten gehen, obwohl wir immer wieder die Leute davor warnen, mit Feuerwerkskörpern zu hantieren.
Bernhard Kempf stellte die Fragen. Bei diesem Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung des Interviews mit Frau Gabel-Pfisterer. Das ganze Gespräch können Sie hier hören [inforadio.de].
Sendung: rbb24 Inforadio, 28.12.2024, 7:30 Uhr