Im Alter von 84 Jahren - Früherer DDR-Bürgerrechtler Gerd Poppe gestorben

So 30.03.25 | 12:00 Uhr
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Gerd Poppe, Bürgerrechtler in der DDR, später Politiker von Bündnis 90/Die Grünen am 02.06.2009. Er war der erste Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe. (Quelle: Imago Images/Christian Thiel)
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Audio: rbb24 Inforadio | 30.03.2025 | Werner Schoninger | Bild: Imago Images/Christian Thiel

Der frühere DDR-Bürgerrechtler Gerd Poppe ist tot. Poppe starb am Samstag im Alter von 84 Jahren, wie der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Kowalczuk war nach eigenen Angaben zusammen mit Poppes Familie bis zuletzt an dessen Seite.

"Das freiheitlichste Kämpferherz, das ich kenne, hat gerade für immer aufgehört zu schlagen. Vier Wochen hat mein Freund, mein großes Vorbild Gerd "Poppoff" Poppe gekämpft - diesen letzten Kampf hat er nun verloren", schrieb Kowalczuk auf der Plattform X. Der Historiker nannte Poppe einen "Vordenker der Freiheitsrevolution von 1989". Der gebürtige Rostocker Poppe war nur vier Tage nach seinem 84. Geburtstag in einem Berliner Krankenhaus gestorben.

Mitgründer der DDR-Oppositionsgruppe Initiative für Frieden und Menschenrechte

Poppe engagierte sich in der DDR seit den 1960er Jahren in oppositionellen Kreisen, zudem arbeitete der studierte Physiker mehr als zehn Jahre lang im Halbleiterwerk Stahnsdorf (Potsdam-Mittelmark). 1985 gründete er zusammen mit Bärbel Bohley und Wolfgang Templin die Oppositionsgruppe Initiative Frieden und Menschenrechte (IFM).

Nach dem Mauerfall gehörte er als Abgeordneter für Bündnis 90 zunächst der frei gewählten Volkskammer an, nach der Wiedervereinigung dem Bundestag. Ab 1994 war er außenpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Vier Jahre später kandidierte er nicht erneut für den Bundestag, wurde aber erster Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe. Das Amt hatte er bis 2003 inne.

"Wunderbarer, kluger und immer freundlicher Kämpfer für die Freiheit"

Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur schrieb in einem Nachruf, Poppe habe zu jener kleinen Gruppe von Männern und Frauen gehört, die seit den 1970er Jahren in der DDR beharrlich gegen die kommunistische Diktatur aufbegehrt hätten - "mit Worten, mit Haltung, mit persönlichem Risiko".

"Er war Mitgründer oppositioneller Gruppen, wurde verhaftet, ließ sich nicht einschüchtern. Poppe stand für eine Opposition, die gewaltfrei, prinzipientreu und zukunftsgewandt war", schrieb die Stiftung. Nach 1990 habe er sich nicht zurückgezogen, sondern Verantwortung übernommen.

Die Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt schrieb auf X, Poppe sei ein "wunderbarer, kluger und immer freundlicher Kämpfer für die Freiheit" gewesen. Die Grünen hätten ihm viel zu verdanken, vor allem einen realistischen Kurs in der Außenpolitik. "Er wird sehr fehlen und sein Rat in diesen fragilen Zeiten, in denen die Freiheit allüberall bedroht ist, besonders", unterstrich die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin.

Sendung: rbb24 inforadio, 30.03.2025, 12:00 Uhr

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28 Kommentare

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  1. 28.

    Hier ist sicher nicht die Plattform für qualifizierte Diskussionen.
    Aber die Fragen bezüglich einer gesetzlichen Krankenversicherung in die ALLE einzahlen und auch eine Rentenversicherung in die ALLE einzahlen sind aktuelle Fragen und nicht Schnee von gestern. Auch das bezahlbare Wohnen, Mietendeckel und Enteignungen von Wohnungsunternehmen stehen im Blickpunkt der gesellschaftlichen Problemlösung.
    Mit ihrem Spannen des Bogens von HR.Hoppe zur AfD disqualifizieren sie sich endgültig. Vielleicht können sie uns dies erläutern.

  2. 27.

    Das ist doch Schnee von gestern - ich sage nur ,,Living in the Past. Meinen Sie etwa, daß die afd das besser machen würde? Ich nicht.

  3. 26.

    Ne, warum? Vieles was ich aufgezeigt habe, wird heute diskutiert und gefordert z.B. alle sollen in die Rentenkasse einzahlen, bezahlbare Mieten, gesetzl.KV für alle (keine zwei Klassen Medizin).
    Einiges hätte bei der "Wiedervereinigung" übernommen werden können, wenn es gewollt wäre. Dann bräuchte man heute (auch in der Politik)nicht darüber diskutieren.

  4. 25.

    Die erstgenannten Punkte hätten gut in wirkliche Verhandlungen zwischen beide deutschen Staaten 1990 gepasst, wenn dies mehrheitlich gewollt worden wäre: Das Beste aus zwei Welten ! Der höhere soziale Anspruch einer mittlerw. demokratisch gewordenen DDR und die unabdingbare höhere Stellung des Individuums, anstelle nur 17 Millionster oder 80 Millionster Teil eines Gemeinwesens zu sein.

    Vom Osten her: Vom "Wir" zum "erkennbaren Ich im Wir", vom Westen her: Vom isolierten "Ich" zum "erkennbaren Ich im Wir". Das würde ja auch bedeuten, die zahllosen unterschiedlichsten "Ichs" zu wertschätzen, anstatt spezifische, auch fremde Kulturen draußen vor zu lassen und das Motto auszugeben: "Mach´das, was alle machen, dann kannste nichts falsch machen!" Andere draußen vor lassen: Per Definition und per Grenzregime. Nichts, was hinterher auch noch hochzuhalten wäre.

  5. 23.

    #Rosarot: tja was gab es? EINE Kranken- , eine Rentenversicherung in die ALLE einzahlten. Bezahlbare Wohnungen, keine Obdach- und Arbeitslosen (wobei dieses vom SED Regime verboten war), keine Inflation ( das Brötchen kostete z.B. an den 50'ziger Jahren immer nur 5 Pfennig), keine Beamten , eine intakte Armee mit Wehrpflicht, keine Migration - an den kontrollierten Grenzen wurde strikt zurück gewiesen usw.

  6. 22.

    Poppe kämpfte für Menschenrechte. Für unsere Rechte. Er riskierte viel und ich hätte mir wirklich damals mehr dieser klugen und mutigen Menschen gewünscht.

    Keine, die nicht einmal heute erkennen möchten, welch charaktervoller und authentischer Mensch von uns gegangen ist.

  7. 21.

    Nein, auch wenn Sie Ihre eigenen Kommentare loben, es beleidigt eigentlich Poppe, der für unser aller Freiheit kämpfte und Sie den Beitrag irgendwie vollkommen ignorieren, weil Sie die Wahrheit nicht wissen wollen.

    Ich füttere den Blödsinn nicht, das wird dem Anspruch der Persönlichkeit Poppe nicht gerecht.

  8. 17.

    Beide Kommentare sind besser als jede Studie über das Leben in der DDR. Danke!
    Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass jeder der 3 Pfennig fuffzig über hatte, einfach kaufte, was es gerade gab. Ich habe eine Trägergruppe und einen Auspuff für Trabant gekauft und mit Wertausgleich gegen einen Gefrierschrank getauscht. Das Wichtigste, das man brauchte, war "Vitamin B", dazu gehörten auch Leute, die kein Material brauchten, aber auf den Wartelisten gegen eine kleine Gefälligkeit welches bestellten, das dann bezahlt und abgeholt wurde, damit alles in der "Kreislaufwirtschaft" seinen sozialistischen Gang ging. Wer dieses System erkannte, kam gut klar.

  9. 16.

    Gestern in der Mediathek gesehen: Dok, wie man den Krieg erlebte. Tagebuchauszüge, da passen Ihre Worte wieder, und werden es künftig wieder tun:

    Die übergroße Masse hat sich einfach eingerichtet und irgendwie das Beste aus den Umständen gemacht. Blieb ihnen ja auch nichts anderes übrig und ist auch heute genau so. Man kann doch nicht einfach Jeden, der nicht den Mut, die Kraft und die Möglichkeiten hatte, gegen das Regime aktiv aufzustehen, einfach zu Tätern erklären. Wer so überheblich urteilt, weiß nicht, wie Diktaturen funktionieren.

    Wer will denn über Jemanden urteilen, der zum Schutz seiner Familie und im aussichtslosen Kampf gegen das Regime sich nicht für den aktiven Widerstand entschied?
    Hochachtung an alle, die es taten. Aber das von Jedem zu verlangen, ist überheblich. Deswegen musste man das Regime noch lange nicht aktiv unterstützen.

  10. 14.

    "Während die einen systemtreu in ihrer Funktion gegen Menschen agierten..." Eine völlig unsinnige und verleumderische Aussage. Es gab eben nicht nur Täter versus Helden. Die übergroße Masse hat sich einfach eingerichtet und irgendwie das Beste aus den Umständen gemacht. Blieb ihnen ja auch nichts anderes übrig und ist auch heute genau so. Man kann doch nicht einfach Jeden, der nicht den Mut, die Kraft und die Möglichkeiten hatte, gegen das Regime aktiv aufzustehen, einfach zu Tätern erklären. Wer so überheblich urteilt, weiß nicht, wie Diktaturen funktionieren. Wer will denn über Jemanden urteilen, der zum Schutz seiner Familie und im aussichtslosen Kampf gegen das Regime sich nicht für den aktiven Widerstand entschied? Hochachtung an alle, die es taten. Aber das von Jedem zu verlangen, ist überheblich. Deswegen musste man das Regime noch lange nicht aktiv unterstützen. Das taten eh schon zu viele.

  11. 13.

    Man darf wohl davon ausgehen, dass Handwerker ihr Material nicht im normalen Einzelhandel erwerben mussten. Irgendwas haben die immer bekommen und wenn es nicht das Richtige war, wurde es eben trotzdem erst mal gekauft. Danach ging dann das übliche große Tauschen los. Oder es wurde halt mit dem, was man hatte, improvisiert. Das hat der DDR-Bürger in der Mangelwirtschaft ohnehin sehr schnell lernen müssen. Sie bestätigen es ja selbst, Not macht erfinderisch.

  12. 12.

    Kann mich nicht erinnern, dass es es irgendwas gab, wo soll das gewesen sein? Hatten Sie Westbeziehungen? Ein GENEX-Auto?
    Es gab nirgends Ersatzteile, keine Wohnungen, keine Autos, keine Kleidung, keine Dachziegel, keine Fliesen. Korruption war das Allheilmittel und Listen, die unendliche Jahre warten ließen. Wir beispielsweise warteten 2 Jahre, um an Dachsteine heranzukommen, legal, auf einer endlosen Liste, ebenso 5 Jahre gewartet auf einen Autohänger und 17 Jahre auf ein Auto, da kam allerdings die Wende schneller. Jahre auf Zuteilung von Fließen, da gab es dann nur eine hässliche Sorte. Bück-Ware und immer endlose Schlangen, überall dort, wo es Ware gab. Mangel an allen Enden, nicht einmal Bücher, Fernseher nur mit Wartezeit, Schallplatten, Handtücher, Wolle, Unterwäsche, Kinderkleidung, Möbel, nichts. Es gab nichts, obwohl derart viel produziert wurde. Unsere Decke haben wir mit Stullenbrettern verkleidet, Not macht erfinderisch. Es war alles andere als gut oder schön.

  13. 11.

    Der eine kämpft für die Freiheit aller und der andere nimmt die Freiheit und weiß nichts mit ihr anzufangen. Es gibt viele mutige Menschen und eben viele unmutige.

    Kowalczuk hat sein Buch „Freiheitsschock“ Poppe gewidmet und ich würde Ihnen eine Empfehlung geben, dieses Buch zu lesen. Es lohnt sich wirklich. Ich wollte es erst nicht lesen, aber dann, beim Lesen, da habe ich verstanden.

  14. 10.

    Ja, das wird immer gern behauptet. Wir hatten genug Material, nicht in dem Umfang wie heute, aber es hat gereicht um gut, sauber und Kundengerecht zu arbeiten. Im Gegensatz zu vielen Westkollegen, die ich nach der Wende kennenlernen durfte. Meine Güte, was waren da für Schaumschläger dabei...