Konzertkritik | Curtis Stigers in der Philharmonie - Zwischen Schenkelklopfern und Sprachlosigkeit

Mi 02.04.25 | 08:19 Uhr | Von Jakob Bauer
Archivbild: Curtis Stigers bei einem Live-Konzert. (Quelle: dpa/Rasmussen)
Audio: rbb24 Inforadio | 02.04.2025 | Jakob Bauer | Bild: dpa/Rasmussen

In den 90ern wurde der US-Amerikaner Curtis Stigers mit dem Pop-Song "I Wonder Why" bekannt, mittlerweile ist er zu seinen Jazz-Wurzeln zurückgekehrt. Am Dienstag hat er in der Philharmonie ein Konzert mit viel Humor gegeben. Von Jakob Bauer

Curtis Stigers in den 90ern: Ein Bild von einem Mann. Mit wallender Mähne und romantischem Blick schaut er vor blumigem Hintergrund vom Coverbild seines ersten und größten Hits "I Wonder Why". Ein Song, der es auf unzählige Kuschelrock-Compilations schaffte. Produziert im seifig-triefendem Popstil der frühen 90er, inklusive Saxofonsolo.

Aber eigentlich eine ziemlich gute Komposition. Das hört man an diesem Abend im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie. In der ein Curtis Stigers steht, der so ganz anders daherkommt als der in den 90ern: Kurze, graue Haare, eleganter Anzug und aus dem Kuschelrock ist waschechter Jazz geworden.

Archivbild: Der US-amerikanische Sänger und Saxophonist Curtis Stigers. (Quelle: dpa/Reinhardt)
Bild: dpa/Reinhardt

Pop? Ja ok. Jazz? Ja bitte!

Es ist eine gute Entscheidung von Stigers gewesen, Anfang der 2000er zu sagen: Ja, ich mag Pop, aber eigentlich komme ich doch aus dem Jazz und dem Blues, aus der amerikanischen Songbook-Tradition. Da hat er seine musikalischen Wurzeln, da hat er angefangen, in den Jazz-Clubs und Blues-Bars, mit seiner charakteristischen, soulig-rauchigen Stimme. Aber auch mit dem Saxofon, das er auch an diesem Abend immer wieder umhängt und so hin und herwechselt: Zwischen Americana-Blues-Songwriter und leidenschaftlichem, ausdrucksstarkem Jazz-Künstler.

Mit 46 den Vater kennenlernen

Die Hälfte des Abends ist er allein auf der Bühne, die andere gemeinsam mit einem formidablen Jazz-Trio und ungefähr ein Viertel des Abends – redet er. Stigers ist ein hervorragender Geschichtenerzähler, er gibt viele Einblicke in sein Leben, erzählt zum Beispiel von seinem Vater. Den hat er erst mit Mitte 40 kennengelernt. Von diesem ungewöhnlichen Zeitpunkt, erst so spät im Leben den eigenen Vater kennenzulernen, singt er dann im leicht unsicheren, zärtlichen, aber auch vorsichtig optimistischen Titel "Good To Know You".

Kennt ihr von Hochzeiten. Oder von TK Maxx.

Aber vor allem hat Stigers einen einnehmenden Humor. Er erzählt von Covid-Streaming-Konzerten aus seiner Küche, bei denen seine Hunde mehr Fans gesammelt hätten als er. Er ist begeistert vom Kammermusiksaal, der Raum mache, dass er besser klinge, als er eigentlich sei. Überhaupt hat er eine feine Selbstironie, auch wenn er von einem Song sagt, der würde heute größtenteils auf Hochzeiten laufen. Oder in einem TK-Maxx.

Denn die Musik von Curtis Stiger geht durchaus auch als Easy-Listening-Hintergrundbeschallung durch. Wenig bricht sonderlich aus, zieht so richtig rein. Trotzdem hat der Abend Kontur und Kante, wegen Stigers Erzählungen, die der Musik zusätzliche Ebenen verleihen und vor allem wegen der Jazz-Band, die ihn begleitet. Da zuzuschauen ist einfach eine Freude, zum Beispiel wenn der Drummer in wenigen Sekunden dreimal die Sticks wechselt, nur um Feinheiten im Sound zu verändern.

Ein "American Tune" für "schreckliche Zeiten"

Am Ende wird Stigers nach all dem Humor allerdings auch richtig ernst. Er spricht von "schrecklichen Zeiten" in den USA, ohne es konkreter zu benennen. Aber man spürt, wie er um Worte ringt, die Gefühle zu beschreiben, die ihn umtreiben. Und dann, mit einem Zittern in der Stimme, abbricht. Stattdessen lässt er noch einmal die Musik sprechen und covert Paul Simons "American Tune". Einen Song, den er eigentlich gerne nicht mehr spielen würde, sagt er, aber in solchen Zeiten muss das halt sein. Ein Song, der von Ernüchterung und Sorgen über die USA handelt, aber auch von der Hoffnung, dass das Land trotz aller Schwierigkeiten weiterbestehen wird.

Es hat ein bisschen was von Lagerfeuerstimmung, diesem tollen Erzähler zuzuhören, egal ob er gerade persönlich, witzig oder politisch ist. Sich einlullen zu lassen von der Musik und dann doch wieder von ein paar intensiven Momenten überrascht zu werden. Es ist ein angenehmer Abend mit Curtis Stiger, der vor allem durch Humor und Atmosphäre überzeugt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 02.04.2025, 6:55 Uhr

Beitrag von Jakob Bauer

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