Innenministerium - 70 Prozent mehr politisch motivierte Straftaten in Brandenburg erfasst

Fr 11.04.25 | 18:35 Uhr | Von Andreas B. Hewel
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11.04.2025, Brandenburg, Potsdam: Katrin Lange (l, SPD), Brandenburgs Ministerin des Inneren und für Kommunales, und Oliver Stepien (r), Brandenburgs Polizeipräsident, unterhalten sich vor Beginn einer Pressekonferenz zu politisch motivierter Kriminalität des Jahres 2024 im Land Brandenburg.(Quelle:dpa/S.Stache)
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Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 11.04.2025 | Christoph Hölscher | Bild: dpa/S.Stache

6.813 Straftaten mit politischem Hintergrund registrierte die Polizei 2024 in Brandenburg - ein drastischer Anstieg um fast 70 Prozent im Vergleich zu 2023 und ein Höchstwert seit 2001. Die Innenministerin sieht eine Verrohung im politischen Diskurs. Von Andreas B. Hewel

  • politisch motivierte Kriminalität in Brandenburg 2024 um 70 Prozent gestiegen
  • über 53 Prozent der Täter kommen aus dem rechten Spektrum
  • Wahlkampf und Tesla-Proteste sorgen zum Teil für Anstieg
  • Innenministerin Lange warnt vor Verrohung bei der politischen Auseinandersetzung

Die Bilanz, die Brandenburgs Innenministerin Katrin Lange (SPD) am Freitag zog, war ernüchternd. Über alle Phänomene der politisch motivierten Kriminalität hin hat sich im vergangenen Jahr die Zahl der Straftaten deutlich erhöht. "Das ist ein schlechtes Zeichen für die Entwicklung der politischen Kultur in Brandenburg", stellte Lange fest. "Das ist auch ein Zeichen für eine gewisse Verrohung der politischen Auseinandersetzung über alle politischen Lager hinweg. Die Unduldsamkeit nimmt zu, es werden Grenzen überschritten, wir sehen Radikalisierungstendenzen in verschiedenen Milieus."

Mehr politisch motivierte Straftaten auch wegen Superwahljahr

Insgesamt ist die politisch motivierte Kriminalität um fast 70 Prozent angestiegen im Vergleich zu lediglich 4.018 Fällen im Jahr 2023. Zum Teil zumindest wird dieser Anstieg mit einer Besonderheit erklärt: Mit der Landtagswahl im vergangenen Jahr sowie der Kommunalwahl und der Europawahl war 2024 für Brandenburg ein sogenanntes Superwahljahr.

Da unter anderem auch zerstörte Wahlplakate zur politisch motivierten Kriminalität gezählt werden, steigt in Wahljahren die Zahl dieser Straftaten regelmäßig an. Trotzdem war das vergangene Jahr ein Extremfall für die Innenministerin. "Das sind alarmierende Befunde hinsichtlich der Art und Weise, wie politische Auseinandersetzungen in Brandenburg in der heutigen Zeit geführt werden", sagte Lange bei der Vorstellung des Jahresberichts zur politisch motivierten Kriminalität.

Über die Hälfte sind politisch rechts eingestufte Straftäter

Die Verteilung der politisch motivierten Straftaten auf die politische Zuordnung der Täter ist eindeutig. Mit 3.626 Fällen wurden 53 Prozent der Straftaten von politisch rechts eingestuften Tätern verübt. Über 62 Prozent sind bei dieser Klientel Propagandadelikte. 17 Prozent oder 1.173 Fälle gingen auf das linke Konto. 27 Prozent der Taten konnten nicht eindeutig zugeordnet werden. Religiöse Ideologien spielen mit deutlich unter einem Prozent nur eine sehr untergeordnete Rolle bei diesen Straftaten.

Deutlicher Anstieg der Straftaten bei links und rechts

Mit einem Plus von knapp 47 Prozent hat auf bereits hohem Niveau im rechten Spektrum die politisch motivierte Kriminalität noch einmal deutlich zugenommen. Auf wesentlich niedrigerem Niveau, dafür aber mehr als verdoppelt, haben sich dagegen die Straftaten im vergangenen Jahr, die dem linken Spektrum zugeordnet werden. Ein Plus von 114 Prozent wurde hier registriert.

Dabei kommt ganz besonders ein Ereignis zum Tragen, die versuchte Stürmung des Tesla-Geländes im Mai 2024. Diese waren vor allem links motiviert. Die Palette der Straftaten reichte hier von Verstößen gegen das Versammlungsgesetz, Nötigungshandlungen, Widerstand gegen Polizeibeamte, Diebstahlsdelikte und Sachbeschädigung. Diese Straftaten bei den Tesla-Ausschreitungen zusammengerechnet mit den Straftaten im Zusammenhang mit dem Wahlkampf machen insgesamt 62 Prozent aller politisch motivierten Straftaten aus, die dem linken Spektrum zugeordnet werden.

Auch politisch motivierte Gewalt ist in Brandenburg wieder gestiegen

Nach einem deutlichen Rückgang vor zwei Jahren hat die Gewaltkriminalität, die politisch motiviert war, mit einem Plus von fast 30 Prozent wieder stark zugenommen und kam 2024 auf 225 Fälle. Vor allem 143 Körperverletzungen sind hier besonders gravierend. Und auch hier gibt es eine eindeutige Ausrichtung: 92 Gewaltdelikte gehen auf das rechte Konto, 18 werden dem linken Spektrum zugeordnet.

Mit einem Rückgang von gut drei Prozent ist die Zahl der antisemitischen Straftaten zwar leicht gesunken, verharrt aber mit 275 registrierten Fällen auf einem hohen Niveau. "Über 90 Prozent dieser Fälle waren politisch rechts motiviert", so die Innenministerin. 165 Fälle konnten aufgeklärt werden, das macht eine Aufklärungsquote von 60 Prozent, höher als die durchschnittliche Aufklärungsquote, die bei allen bei politisch motivierten Straftaten zusammen auf gerade mal 43 Prozent sank. Über 90 Prozent der Tatverdächtigen bei antisemitischen Taten hatten die deutsche Staatsangehörigkeit.

Hohe Aufklärungsquote bei Kriminalität im Internet

Auch bei politisch motivierter Hass- und Hetzkriminalität im Internet stiegen die Fallzahlen um 42 Prozent auf 615 Fälle. Die Anonymität des Netzes allerdings schützt immer weniger die Täter. 90 Prozent der Fälle konnten aufgeklärt werden. Das Internet, so Polizeipräsident Oliver Stepien, sei kein rechtsfreier Raum mehr. Gleichwohl wirbt er um verstärkte Prävention.

Die eindeutigste Zahl bei politisch motivierter Kriminalität aber liefert die Geschlechterzuordnung. 85 Prozent der Täter insgesamt in diesem Bereich waren Männer.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 11.04.2025, 19:30 Uhr

 

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13 Kommentare

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  1. 13.

    Körperverletzung hat auch eine Mindeststrafe von unter einem Jahr (nämlich gar keine), ist also kein Verbrechen.

    223 StGB - Körperverletzung
    (1) Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

    12 StGB - Verbrechen und Vergehen
    (1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.
    (2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.

    Und zum Thema, Springerstiefel:
    Nicht alle Nazis haben Springerstiefel an. Wenn man sich Höcke, Helferich und Krah anschaut, sind die im Gegenteil regelmäßig im Anzug zu sehen.

    Macht es aber nicht weniger gefährlich. Daher gut, dass mehrfache Verurteilung wegen Volksverhetzung zum Verlust der Wählbarkeit (passives Wahlrecht) führen soll.
    Hetze gegen Minderheiten gab es vor 100 Jahren schon.

  2. 12.

    Die Clans benutzen auch immer mehr strafunmündige Kinder für Drogendelikte. Das macht auch im politischen Raum Schule und findet Nachahmer. Sobald man einen Weg gefunden hat, Gesetze zu umgehen, wird das auch erfolgreich gemacht und umgesetzt. So kann man auf Demos seine verbotenen Parolen trotzdem folgenlos skandieren. Man kann von Glück ausgehen, dass die Rechten noch nicht auf den Dreh gekommen sind.

  3. 11.

    Warum müssen Sie mich belehren und verbessern? Ich weiss wovon ich rede! Da sind Schlägerein und Brandstiftungen am Werk und das sind Verbrechen. Diese Neonazis sind keine Häschen!

  4. 10.

    Im letzten Jahr war Wahlkampf. Da werden zum Beispiel besonders viele Beschädigungen von Wahlplakaten dabei gewesen sein. Auswirkungen auf den Bürger: null. Sie haben Recht, ohne die Delikte aufzuschlüsseln, sind solche Zahlen für den Normalbürger wenig aussagefähig.

  5. 9.

    Nicht jede Straftat ist ein Verbrechen. Die meisten Straftaten sind zahlenmäßig klar zurückgegangen, aber die tangieren die Gesellschaft ohnehin kaum. Wenn zum Beispiel ein Konsument mit illegalen Drogen erwischt wird, ist das eine Straftat, hat aber kaum Auswirkungen. Dagegen sind einige schwere Verbrechen wie Mord, Totschlag und Körperverletzung teils deutlich angestiegen, nicht nur rechtsextreme. Das hat direkte Auswirkungen auf die Sicherheit im Land. Ist halt ein kleiner Unterschied.

  6. 8.

    Der Anstieg der rechtsextremen Verbrechen, ist echt schockierend. Und dabei werden die Täter immer jünger. Hier in Brandenburg haben sie leider viele ,,Anlaufstellen'', die es ihnen leicht macht, Kameraden zufinden. Das muß genau beobachtet werden.

  7. 7.

    "Fast 70 Prozent mehr Delikte sind im Wahljahr 2024 registriert worden." Wie wäre es mit einer sortierten Tabelle mit den einzelnen Arten von Delikten und deren Fallzahlen und politischer Einsortierung, so summarisch ist die Aussagekraft eingeschränkt.

  8. 5.

    Leseverständnis, Maja! Im Text geht es ausschließlich um das Bundesland Brandenburg. Berlin muss in der Berichterstattung nicht immer die erste Geige spielen.

  9. 4.

    Also ich war heute schon in Berlin unterwegs. Es waren nirgends Glatzen mit Springerstiefel und Bomberjacken zu sehen.

  10. 3.

    Warten wir mal ab, wielange die Zahlen evident bleiben. Nicht, dass sie morgen wieder revidiert und geschönt werden.

  11. 2.

    Egal wohin man sieht. In Berlin sieht man nur noch weiße Männer mit Springerstiefeln, Bomberjacke und Glatze. Ich vermisse Multikulti.

  12. 1.

    Frau Lange sieht die Ursache im Superwahljahr - also extern begründet. Das war bei ihr auch als Finanzsenatotin so: Schuld haben immer Andere! So wie kürzlich bei einer falschen Statistik.