Kiffen in Berlin - Ein Jahr Cannabis-Freigabe: Schwarzmarkt laut Polizei nicht eingedämmt

Di 01.04.25 | 10:01 Uhr | Von Sabine Müller
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Archivbild: Ein Demonstrant raucht einen Joint. (Quelle: dpa/Riedl)
Video: rbb24 Abendschau | 01.04.2025 | Jonas Wintermantel | Bild: dpa/Riedl

Ein Jahr Erfahrung mit der Cannabis-Freigabe hat keine Annäherung gebracht zwischen Befürwortern und Kritikern in Berlin. Diskutiert wird weiter über Zuständigkeiten genauso wie über medizinische Folgen. Die CDU fordert eine Rolle rückwärts. Von Sabine Müller

  • Fazit nach einem Jahr Cannabis-Legalisierung fällt in Berlin gemischt aus
  • Anbauvereine loben Zusammenarbeit mit Lageso - Bürokratie sei jedoch aufwändig
  • Ärzte warnen vor steigendem Konsum
  • Schwarzmarkt floriert nach Angaben der Berliner Polizei weiter

Stolz zieht Deborah Reich das noch recht frische Behördenschreiben vom Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) aus der Tasche. "Wir haben unsere Anbauerlaubnis am 14. März erhalten", sagt die 34-jährige Vorstandsvorsitzende von "Tom Hemp's", einer der fünf Cannabis-Anbauvereinigungen, die in Berlin bisher genehmigt sind. Unter anderem in Marzahn-Hellersdorf, Treptow-Köpenick und Pankow. Die Anträge von 21 weiteren Vereinen sind laut Lageso aktuell in Bearbeitung.

Ein passendes Gebäude im Bezirk Lichtenberg sei angemietet, erzählt Deborah Reich, auf 700 Quadratmetern soll dort Cannabis angebaut werden. Noch ist das Gebäude aber leer, Reich wollte erst die Behördenerlaubnis abwarten, bevor sie ins Equipment investiert. "Wir gehen davon aus, dass wir Anfang Mai mit dem Anbau beginnen und dann drei Monate später die erste Ernte erreichen."

Anbauvereine starten, aber Hürden bleiben

Der Antragsprozess war aufwändig. Anfang Dezember reichte "Tom Hemp’s" beim Lageso über 150 Seiten Formulare ein – inklusive Jugendschutz- und Gesundheitskonzept. Nachgewiesen werden musste unter anderem, dass das Gebäude die vorgeschriebenen Abstandsregeln einhält. Anbauvereinigungen müssen mindestens 200 Meter von Einrichtungen wie Schulen, Kitas, Jugendclubs oder Spielplätzen entfernt sein. Im dichtbesiedelten Berlin gibt es nicht viele geeignete Orte, auf die das zutrifft.

Die Zusammenarbeit mit dem Lageso fand Deborah Reich "super". Jetzt will sie zeitnah beim Ordnungsamt Lichtenberg vorsprechen – denn für die Kontrolle der Cannabis-Vereine sollen nach dem Willen des Senats die Bezirke zuständig sein.

"Unsinnig und uneffektiv"

Aus dem Bezirksamt Lichtenberg heißt es auf rbb-Anfrage aber, für neue Aufgaben sei kein Personal da, der Senat habe bislang keine Planstellen bewilligt.

Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf, wo die erste genehmigte Cannabis-Anbauvereinigung sitzt, gab es bisher keine Kontrollen durch das Ordnungsamt. Der Bezirk schreibt dem rbb: "Inwiefern die bezirklichen Ordnungsämter für die Kontrollen zuständig sind, ist noch in Klärung."

Der Ordnungsstadtrat von Treptow-Köpenick, Bernd Geschanowski (AfD), konstatiert einen stadtweiten Widerstand. "Alle Ordnungsamtstadträte waren sich in den Gesprächen mit der Senatskanzlei einig, dass die Aufteilung der Zuständigkeiten auf das Lageso und die Bezirke völlig unsinnig und uneffektiv ist."

Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) räumt ein, dass es noch nicht "rund läuft". Sie setze aber darauf, dass diese Streitfragen im Zuge der geplanten Verwaltungsreform geklärt würden.

Ärzte berichten von gestiegenem Konsum

Zum Jahrestag der Teil-Legalisierung an diesem Dienstag kommt aber nicht nur aus den Bezirken Kritik. "Das Problembewusstsein des Konsums sinkt", sagt Felix Betzler, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité. Seiner Ansicht nach haben viele Menschen das Konzept der Legalisierung nicht richtig verstanden. "Wenn eine Substanz legalisiert wird, bedeutet das nicht, dass sie weniger schädlich ist als vorher." Und Cannabis habe einen schädlichen Einfluss auf das menschliche Gehirn, betont Betzler.

Betzlers Kollege Stefan Gutwinski erzählt, er erlebe bei vielen seiner Patientinnen und Patienten genau das, was er befürchtet habe: einen zunehmenden Cannabis-Konsum. Aus anderen Bundesländern kommen ähnliche Berichte von Ärztinnen und Ärzten.

"Ob das mit der Legalisierung zu tun hat, würde ich eher in Frage stellen", sagt allerdings Gesundheitssenatorin Czyborra. Denn man sehe gerade grundsätzlich einen Anstieg beim kritischen Drogenkonsumverhalten.

Polizei zieht kritische Bilanz

Auch die Bilanz der Polizei zum Jahrestag fällt kritisch aus. Die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik Meisel beklagt, das neue Gesetz habe den Schwarzmarkt rund um Cannabis nicht zurückdrängen können, im Gegenteil, er floriere. Im Jahr 2024 sind nach Angaben der Polizei in Berlin knapp 6 Tonnen Marihuana sichergestellt worden - 2023 waren es demnach nur 1,6 Tonnen. Das zeige, dass der illegale Handel mit Cannabis weiter zugenommen habe, sagte Polizeisprecher Florian Nath dem rbb.

Gesundheitssenatorin Czyborra mahnt Geduld an. "Ob das Gesetz am Ende des Tages die Ziele erreicht, die wir erreichen wollen, werden wir in vielleicht ein, zwei Jahren sehen können. Heute ist es viel zu früh, das zu beurteilen."

Beim Koalitionspartner CDU haben viele ihr Urteil aber längst gefällt. Justizsenatorin Felor Badenberg beklagt unter anderem die Zusatzbelastung der Justiz. Wegen der Amnestieregelung für Altfälle müssen in Berlin etwa 5.400 Strafverfahren überprüft werden, 249 waren bis Mitte März geschafft. In 178 Fällen wurden bereits verhängte Strafen wegen Verstößen mit Marihuana oder Haschisch erlassen, 71 Mal wurden die Strafen neu bestimmt. In einem Fall wurde ein Häftling entlassen.

CDU fordert Rücknahme der Teil-Legalisierung

Auch mit Verweis auf den Gesundheitsschutz und den nicht eingedämmten Schwarzmarkt (und damit auch die organisierte Kriminalität) nennt Senatorin Badenberg die Teil-Legalisierung einen "Fehler, der unserem Land langfristig Schaden zufügt". "Deshalb kann es kein 'Weiter so' geben", fordert der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Zander. "Man sollte alles daransetzen, das Gesetz zu korrigieren oder sogar wieder rückgängig zu machen."

Die Rücknahme der Teil-Legalisierung ist eine der Unions-Forderungen bei den schwarz-roten Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene. Die Berliner SPD-Gesundheitssenatorin Czyborra warnt davor, das Gesetz nach so kurzer Zeit abzuschaffen, "ohne ihm eine Chance zu geben, tatsächlich wirksam zu werden". Was die Eindämmung des Schwarzmarkts angehe, aber auch das Ziel, bessere Strukturen bei Prävention und Jugendschutz aufzubauen, sagt Czyborra. "Ich glaube nach wie vor, dass es der richtige Weg ist."

Das sieht Deborah Reich von der Anbauvereinigung "Tom Hemp's" genauso. Für sie steht auch finanziell viel auf dem Spiel, denn sie hat für das Projekt sogar einen Kredit aufgenommen, wie sie sagt. "Eine Rücknahme des Gesetzes wäre für alle eine Katastrophe, die viel Zeit, Geld und Energie in dieses Projekt investiert haben."

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Sendung: rbb24 Abendschau, 01.04.2025, 19:30 Uhr

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142 Kommentare

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  1. 142.

    Genau das wollte ich damit ausdrücken! Wenn ich mir mal ein Bierchen trinke, heißt nicht täglich, und niemals einen Vollrausch! So wie mit dem Joint, nicht täglich. Ich kann auch Krebs kriegen wenn ich täglich Erbsensuppe aus der Dose esse. Wegen der Beschichtung in der Dose.

  2. 141.

    ".... Insbesondere die Alkoholpsychose wird häufig unterschätzt. Dabei tritt sie bei rund 10 Prozent aller Alkoholkranken auf und ist im schlimmsten Fall irreversibel."

    aus mywaybettyford - /suchtkompendium/alkoholpsychose/

  3. 140.

    Leider ist dem nicht so, jeder Tropfen Alkohol ist Gift für den Körper. Die WHO empfiehlt keinen Alkohol zu trinken! Alkohol ist Risikofaktor für Krebs und andere Erkrankungen. Wer täglich sich nur ein Bier rein kippt ist schon Alkoholiker, da braucht es auch keine Ausreden. Es will nur keiner zur Kenntnis nehmen und wer hier immer wieder Blockiert ist die CDU/CSU. Deswegen ist die Diskussion mehr als nur scheinheilig, wenn man sich von der Industrie die viel Gefährliche Drogen unters Volk bringt sponsern lässt.

    Deutschland hat ein Alkoholproblem und das ist schon sehr lange bekannt!

  4. 139.

    Eindämmen vielleicht, nur entkriminalisieren nach dem es wenigstens 50 Jahre Menschen gibt die durch ihre kriminelle Energie dafür gesorgt haben das der Stoff immer zur Verfügung steht. In jedem Wirtschaftszweig werden sich Typen einschleichen und Dir ein Angebot machen was Du nicht ablehnen kannst!

  5. 138.

    Es ist einfach unwahr was sie hier verbreiten. Es gibt keine Alkohol indizierte Psychose, dafür in der ICD10 aber eine drogenindizierte Psychose. Und es ist eine schwere psychische Erkrankung, fürs Leben, die man nur mit sehr starken Medikamenten etwas einstellen kann.
    Ihre Verharmlosung ist beleidigend für die Cannabis Opfer und die Betroffenen. Einfach mal googeln, aber mit der Realität muss man sich schon auseinandersetzen wollen.

  6. 137.

    Am Ende macht immer die Menge das Gift. Auch Zucker kann schwere gesundheitliche Schäden nach sich ziehen. Von daher, hin und wieder ein Joint, oder ein Bierchen hebt die Stimmung. Wer es übertreibt ist selbst Schuld wenn es zur Sucht führt.

  7. 136.

    Da muss man sich nicht wundern wenn man sich seine Parteitage von der Alkoholindustrie sponsern lässt und Spenden fließen genau so gut wie der billiger Alkohol.

    Die Ampel wollte etwas gegen den Alkoholkonsum unternehmen und ist daran wie alle anderen Parteien kläglich gescheitert.

    Mit Alkoholverbotszonen versuchen Städte das Problem zu verschieben, Messer darf niemand mehr mitführen aber billiger Alkohol ist 24h verfügbar. Verkaufsbeschränkungen oder Verbote Fehlanzeige, ein hoch auf die starke Lobby, die Rechnung zahlen andere.

  8. 135.

    Schwachsinn. Man braucht eine richtige Legalisierung, mit Verkaufsstellen. Damit würde man denn Schwarzmarkt effektiv eindämmen. Ein Verbot hatten wir schon 50 Jahre lang, hat 0,0 funktioniert alles ist schlimmer geworden. Im Straßenverkehr hat sich was verändert? Wer bekifft fährt, hat das auch schon vor der Entkriminalisierung gemacht, gibt keinen Unterschied.

  9. 134.

    Warum sind dann die Industrieländer so führend, auch im Saufen. Selbst Südkorea hält da in der Spitzengruppe mit. Übrigens auch in der Lebenserwartung. Es ist hier in ein Whataboutismus unglaublichen Ausmaßes mutiert und am Ende zahlen alle mehr. Weil die Argumente sind teilweise wahr, auf allen Seiten, und lassen sich von Populisten völlig übertrieben aufbauschen. Wie das funktioniert wissen wir mittlerweile, Wollen Sie das wirklich?

  10. 133.

    Wenn ich das lese muß ich meine Meinung doch noch mal überdenken. Psychosen werden als Verschiebung der Wahrnehmung beschrieben. Traurig, aber sehr wahrscheinlich sind Sie ein lebendes Beispiel. Ist ja fast so schrecklich, wie die Leute, die überhaupt keine Ahnung haben und zuviel 70er und 80er Amikrimiserien gesehen haben.

  11. 132.

    Was Sie glauben, interessiert die Statistiken nicht. Sie können sich den Alkohol ebenso schönreden, wie es in diesen Kreisen absolut üblich ist.

    Fakt ist ebenso, daß umso mehr vom Alkohol nie wieder loskommen und nach ihrem allerersten Glas meist das gesamte Leben lang kritiklos weitertrinken.

  12. 130.

    Die Klsassenlehrerin hat leider gar keine Ahnung.
    Ich kläre sie aber gerne auf.
    Es macht unter anderem Kreativ, Aktiv, regt die hintersten Gehirnwindungen an, mal etwas genauer hinzu schauen.
    Es regt die Kommunikation an.
    Für niks tuer ist das nüscht.
    Es sei denn, man konsumiert es mit Alkohol zusammen.
    Aber dann kackt man eher vom Alk ab.
    Beste Grüße

  13. 129.

    Es ist schon sehr seltsam wie die CDU Gesundheitsprobleme sieht. Alkoholkonsum schädigt auch die Gesundheit, ebenso wie Tabakkonsum, doch wer unternimmt dagegen etwas - ist ja schließlich auch legal und gesellschaftlich akzeptiert.
    Zigaretten werden z. B. Immer teurer, wenn es den Ein oder Anderen vom Rauchen abhält - okay.
    Doch wie sieht es mit dem Alkohol aus? Seit Jahren liegt Hochprozentiges bei fast gleichem Preisgefüge. Es gibt sogar Sonderangebote und der Staat verdient dabei ordentlich mit. Ein Hoch auf den Alhoholismus!!!
    Natürlich muss jeder selber entscheiden wie und was er zu sich nimmt und ob er verantwortungsbewusst damit umgeht.
    Doch-
    Ob Psychosen vom Kiffen oder vom Saufen, zahlen müssen wir alle dafür mit unseren Krankenkassenbeiträgen und das nicht zu knapp.
    Hier sollte der Staat mal ein Auge darauf haben und genauer hinschauen wie schädlich es für Kinder, Familien, das Sozialsystem und letztendlich für die Betroffenen selbst ist.

  14. 128.

    Das Thema war nie relevant, wird nicht relevant und ist nicht relevant, nicht für den Dealer, den Kiffer, die Polizei oder die Justiz.

    Aber hey- geiles Thema für die konservative Politik.

  15. 126.

    Das wäre das erste Mal, dass die CDU was richtig macht. Im Hinblick auf Jugendschutz und Schutz im Straßenverkehr, ist mir die aktuelle Form der Legalisierung von Anfang an ein Dorn im Auge. Menschen, die es medizinisch benötigen, sollte hingegen der Zugang leicht gemacht werden, an Cannabis heranzukommen.

  16. 125.

    "Ich glaube, dass es im Zusammenhang mit Drogen, gleich welcher Art, mehr Tote gibt als durch Alkohol."

    Was ist das denn für eine Aussage? Alkohol ist eine Droge. Anders als Cannabis gehört Alkohol sogar zu den harten Drogen. Vermutlich ist Alkohol sogar die Droge, die für die meisten Toten verantwortlich ist. Insofern ist Ihre Behauptung von vorne bis hinten einfach nur absurd.

  17. 124.

    Sie meinen also, dass alle, die gerne mal einen Joint rauchen oder etwas Wein/Bier trinken, generell nichts zu tun hätten? Ich hoffe mal, dass sich die echten Lehrkräfte etwas differenzierter mit dem Thema beschäftigen.

  18. 123.

    Es gibt keine "Rezeptschmierer", die z.B Beruhigungsspillen und Gott weiß was wie Smarties verschreiben. Ein noch schnellerer Weg in die Sucht, weil dann von Anfang an die höchste Menge beschafft wird, die man kriegen kann. Diese Adressen verbreiten sind unter Interessenten sehr schnell.