Interview | Zeitumstellung - Warum die Winterzeit "normal" ist – und wie man den Mini-Jetlag vermeiden kann
In der Nacht zum Sonntag werden die Uhren um eine Stunde vorgestellt - Sommerzeit! Die Umstellung bringt unseren Schlaf aus dem Takt, sagt Schlafmediziner Ingo Fietze. Doch man kann sich vorbereiten - schon jetzt.
rbb: Herr Fietze, am Sonntag werden die Uhren um eine Stunde vorgestellt. Eine Stunde ist nicht so viel, aber manche Menschen leiden sehr stark darunter. Warum?
Ingo Fietze: Eine gute Frage. Ich würde sagen, die Leute, die unter einer Stunde Jetlag sehr stark leiden, sind sensible Menschen hinsichtlich des Schlaf-Wach-Rhythmus. Es gibt Menschen, die haben ein sensibles Bronchialsystem, es gibt Leute mit sensibler Haut - das versteht keiner, der gesunde Haut hat. Und so ähnlich ist es wahrscheinlich mit der einen Stunde Jetlag. Wenn man auf kleinste Änderungen des zirkadianen Rhythmus, also des 24-Stunden Schlaf-Wach-Rhythmus, ausgeprägter reagiert, dann weiß man: Das ist für mich wichtig. Darauf muss ich achten, zum Beispiel durch regelmäßige Schlafzeiten.
Sie sprechen tatsächlich von Jetlag - auch wenn es nur eine Stunde ist?
Wir sprechen von Jetlag, auch wenn es nur eine Stunde ist. Es gibt übrigens auch den sozialen Jetlag. Das heißt, ich verschiebe meine Bettzeit um eine Stunde, zum Beispiel von Woche zu Wochenende. Da würde man auch sagen, eine Stunde, das ist eigentlich kein Problem. Das Problem vom sozialen Jetlag ist, dass die Jugendlichen die Schlafzeit nicht nur um eine Stunde verschieben, sondern um vier, fünf, sechs, sieben, acht Stunden.
Kann die Zeitumstellung zu gesundheitlichen Problemen führen?
Ja, es gibt immer wieder Veröffentlichungen, dass die Umstellung gerade im Frühjahr, wo uns eine Stunde verloren geht, auch gesundheitliche Risiken hat, weil am Montagmorgen mehr Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten und so weiter. Die Zeitumstellung passiert von Samstag zu Sonntag. Wer arbeitstätig ist, muss mit dieser einen Stunde weniger am Sonntag am nächsten Morgen zeitig aufstehen - und das mit der üblichen Erwartungshaltung und dem Stress, der einem vielleicht am nächsten Tag begegnet. Und diese Kombination - ich habe schlecht geschlafen von Sonntag zu Montag, weil mir die Stunde gefehlt hat, weil ich auch zu spät ins Bett gegangen bin und dem Stress am nächsten Tag - das macht dieses Risiko aus.
Was ist die echte Zeit: Winter- oder Sommerzeit?
Die richtige Zeit ist die Winterzeit. Wir nennen sie auch die normale Zeit. Die amerikanische Schlafakademie kämpft seit Jahren gegen diese Zeitumstellung, und da ist er tatsächlich auch eine Wissenschaft dahinter. In Europa haben wir es auch nicht geschafft. Das hat mehr kommerzielle Gründe und mit Energiesparen zu tun. Heute wissen wir, dass gerade in den Sommermonaten dieses ewig lange wach bleiben und diese ewig langen hellen Nächte, einen extrem um den Schlaf bringen können.
Wenn es keine Zeitumstellung gibt, dann sollten wir also bei der Winterzeit bleiben?
Korrekt. Als Schlafmediziner und als Chronobiologe, der ich auch bin, wünsche ich mir, dass es keine Zeitumstellung mehr gibt, dass wir bei der Winterzeit, also der normalen Zeit, bleiben. Diese ewige Zeitumstellung macht aus medizinischer und auch aus chronobiologischer Sicht keinen Sinn. Und letztendlich muss man auch bedenken: Die Menschheit in den vielen Jahrtausenden, die es sie schon gibt, ist mit der Winterzeit, also mit der normalen Zeit, groß geworden, ohne Zeitumstellung. Auch die Tiere stellen ihre Uhr nicht um. Das ist uns gegeben, unsere innere Uhr braucht diesen regelmäßigen Rhythmus.
Kann ich etwas tun, um dem Jetlag vorzubeugen?
Ja, man kann einer Zeitumstellung vorbeugen. Man kann dem Jetlag vorbeugen, auch von einer Stunde, indem man sich einfach ein, zwei Tage zuvor schon darauf vorbereitet. Das fällt vielleicht gerade von Samstag zu Sonntag oder von Freitag zu Samstag schwerer. Denn vorbereiten heißt, dass man eben am Freitagabend und Samstagabend nicht so spät ins Bett geht, sondern eher die Bettzeit etwas nach vorn verschiebt. Und wenn man die Bettzeit etwas nach vorn verschiebt, dann bitte auch das Abendessen auch nach vorn verschieben. Wenn ich von etwas nach vorn verschieben spreche, dann in diesem Fall von 30 oder 60 Minuten pro Abend.
Schlafen wir generell zu wenig?
Naja, es gibt Statistiken, die besagen - das fängt schon bei unseren Kindern und Jugendlichen an - wir schlafen tatsächlich viel zu kurz. Die Wohlfühl-Schlafzeit, die gesunde Schlafzeit von siebeneinhalb bis achteinhalb Stunden, schaffen die wenigsten. Und wenn man das schon nicht unter der Woche schafft und dann wenigstens am Wochenende nachschlafen sollte, dann machen das auch die wenigsten.
Kann man Schlaf denn nachholen?
Man kann an jedem Wochenende Schlaf nachholen. Das ist auch gesund. Nicht für alle Organsysteme, die ein bisschen unter dem Schlaf unter der Woche leiden, aber das ist möglich. Was man nicht machen kann ist, den Schlaf monatsweise oder jahresweise nachholen. Also ich mache einen Jahresurlaub von drei Wochen und hole meinen Schlaf nach – das geht nicht.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sybille Seitz. Diese Textversion ist redaktionell bearbeitet.
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.03.2025, 07:10 Uhr