Interview | Zeitumstellung - Warum die Winterzeit "normal" ist – und wie man den Mini-Jetlag vermeiden kann

Fr 28.03.25 | 14:03 Uhr
  58
Symbolbild: Ein Wecker zeigt zwei Uhr und der andere drei Uhr. Die Uhren werden am Sonntag den 30.03.2025 auf Sommerzeit umgestellt. Um zwei Uhr werden die Uhren eine Stunde auf drei Uhr vorgestellt. (Quelle: dpa/Traut)
dpa/Traut
Audio: rbb24 Inforadio | 26.03.2025 | Sybille Seitz | Bild: dpa/Traut

In der Nacht zum Sonntag werden die Uhren um eine Stunde vorgestellt - Sommerzeit! Die Umstellung bringt unseren Schlaf aus dem Takt, sagt Schlafmediziner Ingo Fietze. Doch man kann sich vorbereiten - schon jetzt.

rbb: Herr Fietze, am Sonntag werden die Uhren um eine Stunde vorgestellt. Eine Stunde ist nicht so viel, aber manche Menschen leiden sehr stark darunter. Warum?

Ingo Fietze: Eine gute Frage. Ich würde sagen, die Leute, die unter einer Stunde Jetlag sehr stark leiden, sind sensible Menschen hinsichtlich des Schlaf-Wach-Rhythmus. Es gibt Menschen, die haben ein sensibles Bronchialsystem, es gibt Leute mit sensibler Haut - das versteht keiner, der gesunde Haut hat. Und so ähnlich ist es wahrscheinlich mit der einen Stunde Jetlag. Wenn man auf kleinste Änderungen des zirkadianen Rhythmus, also des 24-Stunden Schlaf-Wach-Rhythmus, ausgeprägter reagiert, dann weiß man: Das ist für mich wichtig. Darauf muss ich achten, zum Beispiel durch regelmäßige Schlafzeiten.

zur person

Sie sprechen tatsächlich von Jetlag - auch wenn es nur eine Stunde ist?

Wir sprechen von Jetlag, auch wenn es nur eine Stunde ist. Es gibt übrigens auch den sozialen Jetlag. Das heißt, ich verschiebe meine Bettzeit um eine Stunde, zum Beispiel von Woche zu Wochenende. Da würde man auch sagen, eine Stunde, das ist eigentlich kein Problem. Das Problem vom sozialen Jetlag ist, dass die Jugendlichen die Schlafzeit nicht nur um eine Stunde verschieben, sondern um vier, fünf, sechs, sieben, acht Stunden.

Kann die Zeitumstellung zu gesundheitlichen Problemen führen?

Ja, es gibt immer wieder Veröffentlichungen, dass die Umstellung gerade im Frühjahr, wo uns eine Stunde verloren geht, auch gesundheitliche Risiken hat, weil am Montagmorgen mehr Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten und so weiter. Die Zeitumstellung passiert von Samstag zu Sonntag. Wer arbeitstätig ist, muss mit dieser einen Stunde weniger am Sonntag am nächsten Morgen zeitig aufstehen - und das mit der üblichen Erwartungshaltung und dem Stress, der einem vielleicht am nächsten Tag begegnet. Und diese Kombination - ich habe schlecht geschlafen von Sonntag zu Montag, weil mir die Stunde gefehlt hat, weil ich auch zu spät ins Bett gegangen bin und dem Stress am nächsten Tag - das macht dieses Risiko aus.

Was ist die echte Zeit: Winter- oder Sommerzeit?

Die richtige Zeit ist die Winterzeit. Wir nennen sie auch die normale Zeit. Die amerikanische Schlafakademie kämpft seit Jahren gegen diese Zeitumstellung, und da ist er tatsächlich auch eine Wissenschaft dahinter. In Europa haben wir es auch nicht geschafft. Das hat mehr kommerzielle Gründe und mit Energiesparen zu tun. Heute wissen wir, dass gerade in den Sommermonaten dieses ewig lange wach bleiben und diese ewig langen hellen Nächte, einen extrem um den Schlaf bringen können.

Wenn es keine Zeitumstellung gibt, dann sollten wir also bei der Winterzeit bleiben?

Korrekt. Als Schlafmediziner und als Chronobiologe, der ich auch bin, wünsche ich mir, dass es keine Zeitumstellung mehr gibt, dass wir bei der Winterzeit, also der normalen Zeit, bleiben. Diese ewige Zeitumstellung macht aus medizinischer und auch aus chronobiologischer Sicht keinen Sinn. Und letztendlich muss man auch bedenken: Die Menschheit in den vielen Jahrtausenden, die es sie schon gibt, ist mit der Winterzeit, also mit der normalen Zeit, groß geworden, ohne Zeitumstellung. Auch die Tiere stellen ihre Uhr nicht um. Das ist uns gegeben, unsere innere Uhr braucht diesen regelmäßigen Rhythmus.

Kann ich etwas tun, um dem Jetlag vorzubeugen?

Ja, man kann einer Zeitumstellung vorbeugen. Man kann dem Jetlag vorbeugen, auch von einer Stunde, indem man sich einfach ein, zwei Tage zuvor schon darauf vorbereitet. Das fällt vielleicht gerade von Samstag zu Sonntag oder von Freitag zu Samstag schwerer. Denn vorbereiten heißt, dass man eben am Freitagabend und Samstagabend nicht so spät ins Bett geht, sondern eher die Bettzeit etwas nach vorn verschiebt. Und wenn man die Bettzeit etwas nach vorn verschiebt, dann bitte auch das Abendessen auch nach vorn verschieben. Wenn ich von etwas nach vorn verschieben spreche, dann in diesem Fall von 30 oder 60 Minuten pro Abend.

Schlafen wir generell zu wenig?

Naja, es gibt Statistiken, die besagen - das fängt schon bei unseren Kindern und Jugendlichen an - wir schlafen tatsächlich viel zu kurz. Die Wohlfühl-Schlafzeit, die gesunde Schlafzeit von siebeneinhalb bis achteinhalb Stunden, schaffen die wenigsten. Und wenn man das schon nicht unter der Woche schafft und dann wenigstens am Wochenende nachschlafen sollte, dann machen das auch die wenigsten.

Kann man Schlaf denn nachholen?

Man kann an jedem Wochenende Schlaf nachholen. Das ist auch gesund. Nicht für alle Organsysteme, die ein bisschen unter dem Schlaf unter der Woche leiden, aber das ist möglich. Was man nicht machen kann ist, den Schlaf monatsweise oder jahresweise nachholen. Also ich mache einen Jahresurlaub von drei Wochen und hole meinen Schlaf nach – das geht nicht.


Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sybille Seitz. Diese Textversion ist redaktionell bearbeitet.

Sendung: rbb24 Inforadio, 26.03.2025, 07:10 Uhr

Nächster Artikel

58 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 58.

    Ist doch ganz normal, Ihre "Zeitzone " von Frankfurt/Oder und der von Görlitz ist ja auch nicht tausende Kilometer entfernt. Zum Glück, ansonsten würde noch mehr Chaos herrschen.

  2. 57.

    Jedes Jahr wird durch die Medien die immer gleiche Sau durchs Dorf getrieben: Wie schrecklich und ungesund die jeweilige Zeitumstellung sei. Außer in Deutschland, und da nur einer sehr kleine Minderheit, scheint das in Europa kaum jemanden zu interessieren. Eine Stunde Umstellung, bei jeder Reise nach Griechenland z. B. ist das selbstverständlich. Fast alle feiern an irgendwelchen Wochenenden mal deutlich länger, oder stehen für Ausflüge auch mal früher auf. Der Mensch ist von der Natur zum Glück mit erheblicher Anpassungsfähigkeit gesegnet. Also: Mal beruhigen und sich über die langen und hellen Sommerabende freuen.

  3. 56.
    Antwort auf [Deborah] vom 29.03.2025 um 19:05

    Und wo kann man solche Expertenen mal treffen? Ich wäre daran echt interessiert.

  4. 55.

    Der Fluglehrer hat doch trotzdem recht, er hat ja nur die EU Länder betrachtet die heute innerhalb der gleichen Zeitzone sind, und das müsste sich ändern. Auch zwischen Deutschland und westeuropäischen Staaten, wenn Sie in Berlin nicht um 4 Uhr morgens schon von der Sonne geweckt werden wollen.

  5. 54.

    Das Team +30 Minuten wäre das Vorbild Indien. Indien liegt recht genau auf zwei Zeitzonen und hat sich auf den Mittelwert als einheitliche Zeit geeinigt. Natürlich gibt es dort keine Sommerzeit, ganz zu schweigen von der Hochsommerzeit, sowas kennen nur noch die EU und Teile von Nordamerika.

  6. 52.

    Zu Beginn der Sommerzeit war es gut für die Uhrenindustrie, neue Funkuhren zu entwickeln, die automatisch die Zeiger stellten. Mittlerweile gibt es davon genug und es gibt keinen Grund mehr, auf Sommerzeit hochzurüsten.
    Lediglich die Bundesbahn kann ihre Verspätungen noch mit der Zeitumstellung begründen. Ich empfehle Ruhlaer Uhren, die sind die genauesten, sie gehen nach wie vor. ###grins###

  7. 51.

    In Polen paßt die Görlitzer Zeit schon noch genauso gut wie am Rhein. Spanien wäre mit GMT wesentlich besser an den natürlichen Tageslauf angepaßt.

  8. 50.

    Wenn ich vorsichtig davon ausgehen darf, dass nahezu jeder, der sich ernsthaft an diesem "Irrsinn" stört, auch entsprechend an der Abstimmung teilgenommen hat, dann stören sich in Deutschland weniger als fünf Prozent der Menschen und in der gesamten EU sogar noch weniger an der Zeitumstellung.

  9. 49.

    Durch einen Offset kann der Tag nie länger als die Nacht werden. Sie verschieben lediglich den Zyklus.
    Aber ich empfehle Ihnen schlicht und ergreifend die Sonnenzeit, die biologische Uhr aller Lebewesen seit Anbeginn des aeroben Lebens.
    In der Sonnenzeit steht die Sonne Mittags am höchsten, also ist der Tag symmetrisch zur Nacht. (Mit) ist das Zauberwort, Mittag und Mitternacht)

  10. 48.

    Natürlich, gerade die Ränder der überdehnten MEZ sind ja auf die zeitabhängige Anpassung angewiesen.
    Polen und Spanien können einer Normalzeit ja nie zustimmen. Das ist der Preis, wenn man für Mitteleuropa eine einheitliche Uhrzeit fordert.
    Deswegen schafft man diesen Irrsinn nicht mehr ab.

  11. 47.

    Cool, ich gehe noch arbeiten.... auch mir ist die Zeitumstellung trotzdem vollkommen egal.

  12. 46.

    Cool, ich gehe noch arbeiten.... auch mir ist die Zeitumstellung trotzdem vollkommen egal.

  13. 45.

    Grundlage für die (geplante) Abschaffung ist aber die Umfrage der EU. Und an dieser haben in Deutschland weniger als 4 Prozent der Menschen teilgenommen, innerhalb der EU sogar weniger als ein Prozent der Menschen. Diese Umfrage ist alles andere als repräsentativ. In Deutschland und erst recht außerhalb Deutschlands scheint das Thema kaum jemanden zu interessieren. Und hierzulande wollen die Gegner:innen der Zeitumstellung mehrheitlich die ganzjährige Sommerzeit, wovon selbst Expert:innen abraten.

  14. 43.

    Zeitzonen sind normal, wenn man keine stetig ortsabhängige Zeit möchte, die auch praktisch nur sehr schwer bis garnicht umsetzbar wäre.
    Aber da die Sonnenzeit und das ist unsere natürliche Uhr, weitestgehend Längengrad abhängig ist, benötigt man sowas wie Zeitzonen.

    Hier reden wir aber nicht von der ortsabhängigen sondern von der zeitabhängigen Zeit, denn obwohl sie an ein und demselben Ort verweilen, springt die Zeit eine Stunde vor oder zurück. Darum gehts hier und das ist künstlich eingeführte „Krankhafte“.

  15. 42.

    Ich freue mich sehr darüber, dass es Abends länger hell ist. An das frühere aufstehen gewöhne ich mich gern. Der Schlaf vor Mitternacht soll sowieso der Gesündeste sein. Von mir aus kann das ganze Jahr Sommerzeit sein. :-)

  16. 40.

    Alle halbe Jahre das gleiche Geschrei und die vielen nützlichen „Tipps“, wie man diese schreckliche Zeitumstellung psychisch und physisch verkraften kann.

    Millionen Deutsche reisen um die Welt oder feiern die Nächte am Wochenende durch, da spielt der „Jetlag“ dann keine Rolle.
    Weder eine immerwährende Sommerzeit noch eine immerwährende Normalzeit finde ich optimal.
    Ich genieße im Sommer lange helle Abende und im Winter, dass es nicht erst um halb zehn hell wird.

    Aber bei der Trägheit unserer Institutionen ist an eine Abschaffung ohnehin nicht zu denken, und das finde ich in diesem Falle einmal sehr beruhigend.

  17. 39.

    In dieser Diskussion ist die EU der falsche Adressat für Kritik. Auf EU-Ebene will man das schon lange regeln. Die Nationalstaaten stellen sich jedoch quer mit ihren Einzelinteressen.

    Ich bin im Team Sommerzeit. Ich könnte auch mit der Mitte leben, also nur plus 30 Minuten. Und ob es verschiedene Zeitzonen in Europa gäbe ist mir auch einerlei. Bei der Größe könnte ich das verstehen.