Feuerwehrleute vor Silvester - "Wir versuchen, Sympathie aufzubauen"

Sa 28.12.24 | 12:34 Uhr | Von Sylvia Tiegs
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Antoni Espinoza de Jesús, Kiezbeauftragter der Feuerwache Spandau. (Quelle: rbb)
Audio: rbb24 Inforadio | 10.12.2024 | Sylvia Tiegs | Bild: rbb/Sylvia Tiegs

Nach den Silvester-Krawallen vor zwei Jahren entschloss sich die Berliner Feuerwehr zu einer neuen Art von Jugendarbeit - sie ging direkt in die Kieze zu den Jugendlichen. Die Erfahrungen sind positiv, wie zwei Feuerwehrleute berichten. Von Sylvia Tiegs

In der Silvester-Nacht vor zwei Jahren wurden in Berlin Rettungskräfte regelrecht angegriffen - mit Böllern, Raketen und Schreckschusswaffen. Laut Polizei wurden damals 15 Feuerwehrleute verletzt. Die meisten der 44 Tatverdächtigen waren noch minderjährig, mehr als die Hälfte hatte einen Migrationshintergrund.

Die Feuerwehr entschloss sich damals, eine neue Art der Jugendarbeit auszuprobieren, direkt in den Kiezen und gemeinsam mit dem Berliner Jugendhilfe-Träger Outreach.

Feuerwehrleute treffen regelmäßig Jugendliche

Seit September 2023 hat Outreach in fünf Stadtteilen (Neukölln, Marzahn-Hellersdorf, Schöneberg Nord, Reinickendorf und Spandau/Falkenhagener Feld) mehr als 70 Begegnungen zwischen Jugendlichen und der Feuerwehr organisiert. Auch für 2025 gibt es schon zahlreiche Termine. [outreach-berlin]

Das Projekt spricht gezielt Jugendliche in den fünf Stadtteilen an. Auf teils öffentlichen Plätzen, in Sporthallen und in den Jugendeinrichtungen von Outreach gibt es Angebote wie Fußballturniere, gemeinsame Kochveranstaltungen, Workshops und moderierte Gesprächsrunden.

Christian Hans und Antoni Espinoza de Jesús machen dabei regelmäßig mit – als Kiezbeauftragte ihrer Wachen und als Feuerwehrmänner. Hier berichten sie von ihren Erfahrungen.

Christian Hans, Feuerwehr Spandau. (Bild: privat)
| Bild: privat

Christian Hans ist 32 Jahre alt und arbeitet auf der Feuerwache Schöneberg, dort ist er auch Kiezbeauftragter. In der Silvester-Nacht vor zwei Jahren hatte er Dienst.

"Die Silvesternacht 2022/23 habe ich nicht vergessen. Auch wenn mir nichts passiert ist. Man hat sich ja auch Sorgen um die Kollegen gemacht. Das ist jetzt die Nacht geworden, die viele mit Ausschreitungen an Silvester in Verbindung bringen.

Diese Nacht hat den Impuls gegeben für unser Projekt. Unser großer Auftakt in Schöneberg war ein gemeinsames Fußballturnier mit Jugendlichen. Da hat auch der Bezirksbürgermeister [Jörn Oltmann (Grüne); Anm. d. Red.] mitgespielt. Seitdem haben wir Workshops veranstaltet, wo wir erklären, was wir eigentlich so machen. Wir haben die Kinder und Jugendlichen zu uns auf die Wache geholt; mit ihnen gegessen, ihnen die Autos gezeigt, sie durften sich unsere Einsatzkleidung anziehen. Dieses Jahr hatten wir ein Kiezfest bei uns auf der Wache, das kam auch sehr gut an. Wir versuchen wirklich, direkt in den Austausch zu gehen.

Wir merken jetzt, wenn wir auf den Straßen unterwegs sind, dass die Jugendlichen uns erkennen. Sie freuen sich, uns zu sehen; die winken uns zu! Da merken wir einfach, dass wir uns genau auf dem richtigen Weg befinden. Dass wir diese Nähe zueinander schaffen und ein bisschen mehr Verständnis füreinander aufbringen, sowohl die Jugendlichen für uns und wir auch für die Jugendlichen selbst.

Die beste Erfahrung in dem Projekt war für mich zu sehen, dass wir willkommen sind. Egal, ob das bei den Jugendlichen oder bei den Familien ist. Die freuen sich, sind sehr interessiert und hinterfragen auch viel, was wir machen. Das ist ein schönes Gefühl: dass man merkt, dass die Arbeit, die wir machen, nicht umsonst ist."

Antoni Espinoza de Jesús, Kiezbeauftragter der Feuerwache Spandau. (Quelle: rbb)
| Bild: rbb/Sylvia Tiegs

Antoni Espinoza de Jesús ist 29 Jahre alt und gebürtiger Spandauer. Seine Eltern stammen aus der Dominikanischen Republik und Chile. Antoni war selbst als Teenager bei Outreach in Spandau. Seit 2020 arbeitet er als Feuerwehrmann und Kiezbeauftragter auf der Wache Spandau Süd.

"Dieses Kiezprojekt macht mir mega viel Spaß. Viele Kids haben doch gar nicht die Möglichkeit, mit der Polizei oder mit der Feuerwehr in guten Kontakt zu kommen. Und viele haben im Alltag auch mit Rassismus zu kämpfen.

Dann gucken die mich an und denken sich wahrscheinlich als erstes: Okay, krass, das ist eigentlich auch ein 'Ausländer‘' Dann erzähle ich von mir. Dass ich vor der Feuerwehr selbst auch bei Outreach war, als Jugendlicher. Dann staunen die. Und ich glaube, das öffnet denen Perspektiven: Zu sehen, dass jemand, der auch im Spandauer Kiez großgeworden ist, jetzt Feuerwehrmann ist und eine gute Arbeit macht.

Wir machen ja nicht nur hier Wachen-Begehungen und Workshops. Wir sind auch in den Zentren von Outreach zu Besuch, oder auch in Schulen, zur Brandschutzerziehung. Wir sind auch bei Stadtteilfesten mit dabei, präsentieren uns dort und sind immer für Fragen da.

Es geht uns darum, den Kids die Hand zu reichen und ihnen zu zeigen, dass es Perspektiven gibt. Dass man kann, wenn man möchte. Dass es nichts mit dem Hautton oder der Haarfarbe oder Nationalität zu tun hat. Es geht darum, dass man sich einfach nur engagiert, Interesse zeigt und hartnäckig bleibt.

Bei mir auf der Wache Spandau Süd gibt es drei, vier Kids, die habe ich jetzt schon seit dem letzten Jahr. Die kommen immer wieder, sind neugierig und stellen auch immer wieder andere Fragen. Ich notiere mir das nämlich alles. Die haben großes Interesse, bei der Feuerwehr anzufangen. Und das finde ich super. Wir machen ja nicht nur Prävention an sich, sondern gewinnen eventuell auch neue Kollegen für die Zukunft. Das finde ich einfach toll: zu sehen, dass die Kinder da so engagiert sind."

Gesprächsprotokoll: Sylvia Tiegs, rbb24 Inforadio

Sendung: rbb24 Inforadio, 10.12.2024, 12:25 Uhr

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18 Kommentare

  1. 18.

    Finde ich klasse, sowohl das Angebot als auch dass es offenbar gut angenommen wird und auch gut ankommt!

  2. 17.

    Gutes Projekt. Auch wenn viele gegen den Staat sind, müssen sie begreifen, dass FW usw. Helfer sind. Angriffe auf den Staat sind leider beliebt, es fängt mit dem Meckern über die Beamten an und endet dann bei Böllerwürfen auf die Sanitäter. Aber auch Angriffe auf Journalisten oder Wahlhelfer können sind Teil dieses Kampfes gegen den Staat.

  3. 16.

    Die Sprengstoff- 'Händler" reiben sich die Hände. Werbung in 'Medien" machen ihre Geschäfte höchst profitabel. Die Schäden durch Explosionen und den Müll werden vom Steuerzahler gedeckt. Klasse? Klingt nach Straßenverkehr? Sicher. Die 'Strafchen" gegen Angreifer von Feuerwehr und Polizei machen den Irrsinn komplett. Der (gewohnte) deutsche Eigensinn betreff Vernunft bringt weiter Schwerletzte und Tote. Wiederhole- Straßenverkehr. Also, läuft doch in Deutschland. Geld ist jedenfalls da..

  4. 15.

    Das hat nichts mit Rassismus zutun. Es geht vielmehr darum, sich eine „neue Generation“ zu erziehen, Vorbilder zu schaffen und gegenseitig Vertrauen und Verständnis aufzubauen. Super Projekt das an der richtigen Stelle ansetzt. Ein Projekt das sicherlich einige Jahre Arbeit erfordert und viel Potential mit sich bringt.

  5. 14.

    Es ehrt die Feuerwehr sehr, dass sie diesen Schritt geht, aber so traurig und abscheulich ist es, dass überhaupt diese Notwendigkeit besteht. Ich bin vehementer Verfechter von härtesten Strafen und Abwehrmitteln gegenüber den Angreifern. 0 Toleranz ist gefragt..Es handelt sich immerhin um Sprengstoff und Waffen, mit denen zumeist angegriffen wird. Da müssen nicht die darunter leiden, welche das Brauchtum "Silvester" vernünftig mit Pyrotechnik begehen.

  6. 13.

    Danke Veritas, ich hätte es nicht treffender formulieren können.
    Die Feuerwehr geht zu den Personen, von denen sie angegriffen wird und bittet darum, nicht angegriffen zu werden? Wirklich?

  7. 12.

    Unglaublich, dass diejenigen, die helfen und gegebenenfalls Leben retten, gegenüber einer potentiellen Problemogruppe, aus deren Reihen sie gegebenenfalls voller Verachtung angegriffen werden, aus Gründen des Eigenschutzes "Sympathie aufbauen" müssen...
    Allen Rettungs - und Polizeikräften eine stress - und aggroarme sowie unfallfreie Silvesternacht!

  8. 11.

    Vernünftige und zielführende Prävention nenne ich das. Viel besser als "harte Strafen" zu fordern.

  9. 10.

    Das ist eine super Aktion, ich wünsche, dass es klappt. Macht weiter so, Jugendliche mitzunehmen ist so wichtig! Ich wünsche allen, dass die Silvesternacht friedlich verläuft und danke allen von der Feuerwehr, Ambulanz und Polizei, die in dieser Nacht Dienst haben! Einen guten Rutsch!

  10. 9.

    Während der Pandemie war besonders zu erkennen, dass bei den Demos gegen die Anti-Corona-Maßnahmen Einsatzkräfte angegangen wurden. Auch Desinformation, wie sie die AFD und andere rechtsextreme Akteure gerne verbreiten, schüren das Misstrauen gegenüber staatlichen Akteuren (u.a. gegenüber unserer Exekutive). Ein zunehmender mangelnder Respekt gegenüber Einsatz- und Rettungskräfte ist hierzulande allerdings schon seit Jahrzehnten zu beobachten, was sowohl Statistiken als auch Erfahrungsberichte belegen.

  11. 8.

    Schlimm, dass so etwas überhaupt nötig ist.
    Noch schlimmer, dass sich die Helfer der Feuerwehr nun selbst um die Sicherheit in ihren Einsätzen bemühen und offensichtliche Versäumnisse anderer (man nennt sie meines Wissens Erziehungsberechtigte) ausgleichen muss.
    Am schlimmsten ist jedoch der Fakt, dass der Beitrag die wahren Ursachen nicht benennt, ja nicht mal hinterfragt.
    Wenn ein Jugendlicher einen Feuerlöscher auf den Rettungswagen wirft, dann war bestimmt das Martinshorn viel zu laut..

  12. 7.

    Man kann allerdings auch die Augen zumachen und sämtliche zeitliche Zusammenhänge in der erschreckenden Verrohung unserer Gesellschaft ignorieren.

  13. 6.

    Finde den Fehler, man mag es gar nicht glauben. Als Entschuldigung muss natürlich Rassismus herhalten, aha , darum greife ich also Rettungssanitäter oder Feuwehrleute an . Ein Feindbild muss her , egal wer es ist. Einfach mal überlegen scheint weh zu tun oder ist eben egal. Kaum oder keine Erziehung, ein falsches Bild von sogenannter Ehre und Männlichkeit. Da muss angesetzt werden. Ansonsten wird sich nichts ändern.

  14. 5.

    Das der rbb immer so typische Bilder findet und die Leser so richtig gut mitnimmt...

  15. 4.

    Finde ich gut. Öffentlichkeitsarbeit ist immer gut.

  16. 3.

    Frage? Wann begann das mit den Angriffen auf Polizei, Feuerwehr und anderen Rettungskräften? Ich kenne die Antwort und es reiht sich ein mit der heute veröffentlichten Aussage über die beliebtesten Vornamen in Berlin und Brandenburg

  17. 2.

    Da kann man nur hoffen daß es an Silvester alles friedlich bleibt.

  18. 1.

    Muss man scheinbar in Berlin so machen.

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