Feuerwehrleute vor Silvester - "Wir versuchen, Sympathie aufzubauen"
Nach den Silvester-Krawallen vor zwei Jahren entschloss sich die Berliner Feuerwehr zu einer neuen Art von Jugendarbeit - sie ging direkt in die Kieze zu den Jugendlichen. Die Erfahrungen sind positiv, wie zwei Feuerwehrleute berichten. Von Sylvia Tiegs
In der Silvester-Nacht vor zwei Jahren wurden in Berlin Rettungskräfte regelrecht angegriffen - mit Böllern, Raketen und Schreckschusswaffen. Laut Polizei wurden damals 15 Feuerwehrleute verletzt. Die meisten der 44 Tatverdächtigen waren noch minderjährig, mehr als die Hälfte hatte einen Migrationshintergrund.
Die Feuerwehr entschloss sich damals, eine neue Art der Jugendarbeit auszuprobieren, direkt in den Kiezen und gemeinsam mit dem Berliner Jugendhilfe-Träger Outreach.
Feuerwehrleute treffen regelmäßig Jugendliche
Seit September 2023 hat Outreach in fünf Stadtteilen (Neukölln, Marzahn-Hellersdorf, Schöneberg Nord, Reinickendorf und Spandau/Falkenhagener Feld) mehr als 70 Begegnungen zwischen Jugendlichen und der Feuerwehr organisiert. Auch für 2025 gibt es schon zahlreiche Termine. [outreach-berlin]
Das Projekt spricht gezielt Jugendliche in den fünf Stadtteilen an. Auf teils öffentlichen Plätzen, in Sporthallen und in den Jugendeinrichtungen von Outreach gibt es Angebote wie Fußballturniere, gemeinsame Kochveranstaltungen, Workshops und moderierte Gesprächsrunden.
Christian Hans und Antoni Espinoza de Jesús machen dabei regelmäßig mit – als Kiezbeauftragte ihrer Wachen und als Feuerwehrmänner. Hier berichten sie von ihren Erfahrungen.
Christian Hans ist 32 Jahre alt und arbeitet auf der Feuerwache Schöneberg, dort ist er auch Kiezbeauftragter. In der Silvester-Nacht vor zwei Jahren hatte er Dienst.
"Die Silvesternacht 2022/23 habe ich nicht vergessen. Auch wenn mir nichts passiert ist. Man hat sich ja auch Sorgen um die Kollegen gemacht. Das ist jetzt die Nacht geworden, die viele mit Ausschreitungen an Silvester in Verbindung bringen.
Diese Nacht hat den Impuls gegeben für unser Projekt. Unser großer Auftakt in Schöneberg war ein gemeinsames Fußballturnier mit Jugendlichen. Da hat auch der Bezirksbürgermeister [Jörn Oltmann (Grüne); Anm. d. Red.] mitgespielt. Seitdem haben wir Workshops veranstaltet, wo wir erklären, was wir eigentlich so machen. Wir haben die Kinder und Jugendlichen zu uns auf die Wache geholt; mit ihnen gegessen, ihnen die Autos gezeigt, sie durften sich unsere Einsatzkleidung anziehen. Dieses Jahr hatten wir ein Kiezfest bei uns auf der Wache, das kam auch sehr gut an. Wir versuchen wirklich, direkt in den Austausch zu gehen.
Wir merken jetzt, wenn wir auf den Straßen unterwegs sind, dass die Jugendlichen uns erkennen. Sie freuen sich, uns zu sehen; die winken uns zu! Da merken wir einfach, dass wir uns genau auf dem richtigen Weg befinden. Dass wir diese Nähe zueinander schaffen und ein bisschen mehr Verständnis füreinander aufbringen, sowohl die Jugendlichen für uns und wir auch für die Jugendlichen selbst.
Die beste Erfahrung in dem Projekt war für mich zu sehen, dass wir willkommen sind. Egal, ob das bei den Jugendlichen oder bei den Familien ist. Die freuen sich, sind sehr interessiert und hinterfragen auch viel, was wir machen. Das ist ein schönes Gefühl: dass man merkt, dass die Arbeit, die wir machen, nicht umsonst ist."
Antoni Espinoza de Jesús ist 29 Jahre alt und gebürtiger Spandauer. Seine Eltern stammen aus der Dominikanischen Republik und Chile. Antoni war selbst als Teenager bei Outreach in Spandau. Seit 2020 arbeitet er als Feuerwehrmann und Kiezbeauftragter auf der Wache Spandau Süd.
"Dieses Kiezprojekt macht mir mega viel Spaß. Viele Kids haben doch gar nicht die Möglichkeit, mit der Polizei oder mit der Feuerwehr in guten Kontakt zu kommen. Und viele haben im Alltag auch mit Rassismus zu kämpfen.
Dann gucken die mich an und denken sich wahrscheinlich als erstes: Okay, krass, das ist eigentlich auch ein 'Ausländer‘' Dann erzähle ich von mir. Dass ich vor der Feuerwehr selbst auch bei Outreach war, als Jugendlicher. Dann staunen die. Und ich glaube, das öffnet denen Perspektiven: Zu sehen, dass jemand, der auch im Spandauer Kiez großgeworden ist, jetzt Feuerwehrmann ist und eine gute Arbeit macht.
Wir machen ja nicht nur hier Wachen-Begehungen und Workshops. Wir sind auch in den Zentren von Outreach zu Besuch, oder auch in Schulen, zur Brandschutzerziehung. Wir sind auch bei Stadtteilfesten mit dabei, präsentieren uns dort und sind immer für Fragen da.
Es geht uns darum, den Kids die Hand zu reichen und ihnen zu zeigen, dass es Perspektiven gibt. Dass man kann, wenn man möchte. Dass es nichts mit dem Hautton oder der Haarfarbe oder Nationalität zu tun hat. Es geht darum, dass man sich einfach nur engagiert, Interesse zeigt und hartnäckig bleibt.
Bei mir auf der Wache Spandau Süd gibt es drei, vier Kids, die habe ich jetzt schon seit dem letzten Jahr. Die kommen immer wieder, sind neugierig und stellen auch immer wieder andere Fragen. Ich notiere mir das nämlich alles. Die haben großes Interesse, bei der Feuerwehr anzufangen. Und das finde ich super. Wir machen ja nicht nur Prävention an sich, sondern gewinnen eventuell auch neue Kollegen für die Zukunft. Das finde ich einfach toll: zu sehen, dass die Kinder da so engagiert sind."
Gesprächsprotokoll: Sylvia Tiegs, rbb24 Inforadio
Sendung: rbb24 Inforadio, 10.12.2024, 12:25 Uhr