Rückblick 2024 - Von A wie Ampel bis Z wie zweiter Wahlgang - das war das politische Jahr in Brandenburg
Das Jahr 2024 hat in Brandenburgs Politik Spuren hinterlassen. Ein Jahr mit drei Wahlen, eine neue Regierung im Amt, weniger Parteien im Parlament. Thomas Bittner hat die Ereignisse der letzten zwölf Monate durchbuchstabiert.
Ampel, die: Verkehrslampe in drei Farben, die möglichst nicht gleichzeitig leuchten sollten. Vorbild für eine Koalitionsvariante, die 1990 in Brandenburg erfunden wurde. Weil in der Bundes-Ampel alle drei Farben gleichzeitig leuchteten, gab es einen Crash namens Ampel-Aus. In Brandenburg ist eine Ampel in weite Ferne gerückt, weil die Farben Grün und Gelb nicht mehr leuchten. Im Landtag sind nur noch Rot, Lila, Blau und Schwarz vertreten.
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Bachelor, der: Hochschulabschluss, mit dem Daniel Keller als Minister in die Fußstapfen eines Professor Dr. Dr. treten wollte, um sich nicht ganz ohne Berufsabschluss in das Management von Brandenburgs Wirtschaft, Arbeit, Energie und Klimaschutz zu stürzen. Die Bachelor-Arbeit war geschrieben, der Abschluss bestätigt. Aber: Die Urkunde fehlte noch. Dass sich Keller auf seiner offiziellen Website als Bachelor bezeichnete, war verfrüht. Deshalb wartet nicht nur Keller selbst, sondern auch ein Staatsanwalt auf die Urkunde.
Bündnis, das: eine Vereinigung, die sich hinter einer Idee oder einer Ideengeberin versammelt. Manches Bündnis gilt als Partei. In Brandenburg zog das Bündnis 90 aus dem Landtag aus, während das Bündnis Sahra Wagenknecht einzog. Sahra Wagenknecht regiert in Brandenburg mit, ohne jemals den Landtag betreten zu haben.
Bürokratieabbau, der: Dauerbrenner unter den politischen Forderungen aller Parteien. Steht für den Kampf gegen Aktenzeichen. Brandenburgs neue Koalition will nun wirklich den Bürokratieabbau angehen, mit einem eigenen Sonderausschuss im Landtag. Garantiert ist damit schon mal, dass es viele neue Aktenzeichen gibt.
Brandenburg-Paket, das: Zwei Milliarden Euro teures zusätzliches Geldsäckel, das von der nächsten Generation bezahlt werden sollte. Mit dem Brandenburg-Paket wurde gegen die Folgen von Krieg und Krise gearbeitet. Das Landesverfassungsgericht erklärte das Brandenburg-Paket für nichtig, weil sich Landtag und Regierung nicht genug Mühe gegeben hatten, das Geldausgeben auf Pump gut zu begründen. Das Land musste umsteuern. Die Kosten des Brandenburg-Pakets wurden 2024 nicht mit Krediten, sondern aus der Rücklage bezahlt. Jetzt hat das Land nichts mehr auf der hohen Kante. Pech für den neuen Finanzminister. Der muss jetzt "priorisieren", was sich das Land zukünftig noch leisten kann.
Cannabis, der oder das: mitunter berauschendes Kraut, dessen Genuss 2024 legalisiert wurde. Erwachsene dürfen jetzt ungestraft einen Joint rauchen, zertifizierte Vereine dürfen das Gras wachsen lassen. Ministerpräsident Woidke ging das zu weit. Er stimmte im März im Bundesrat gegen das Gesetz und ignorierte das Votum der Grünen in seiner Regierung. Eigentlich war da die Kenia-Koalition schon am Ende. Wurde aber erst später amtlich. Siehe auch: Entlassungsurkunde.
Dönerpreisbremse, die: Kurzfristige Preissenkung von Drehgrillfleischmahlzeiten in Bernau durch Gutscheine, die der Wahlkämpfer Péter Vida verteilte. Fehlinvestition für BVB/Freie Wähler, denn viele Bernauer ließen sich nicht kaufen. Vida landete im Wahlkreis auf Platz 3, die Vereinigung schaffte es nicht zurück in den Landtag.
Ei, das: Landwirtschaftliches Produkt von Legehennen in der Uckermark, mit dem sich die neue Agrarministerin Mittelstädt in der Branche einen Namen machte. Familie Mittelstädt versorgt schon seit Generationen die Uckermärker mit Ei. Bevor Hanka Mittelstädt Ministerin werden konnte, musste sie sich aber vom Ei aus Familienproduktion lösen. Denn ein anderes Gewerbe als Regieren darf ein Kabinettsmitglied nicht ausüben.
Entlassungsurkunde, die: Dokument zur Verabschiedung von Ministerinnen, das Brandenburgs Ministerpräsident offensichtlich vorsorglich in Bundesratssitzungen bei sich trägt. Vor der Abstimmung zum Krankenhausgesetz setzte Dietmar Woidke mithilfe einer Entlassungsurkunde die eigene Gesundheitsministerin vor die Tür. Buchstäblich. Endgültiges Ende einer Koalition. Und ein politischer Tiefpunkt des Jahres.
Grundsteuer, die: Geldzahlung von Grundbesitzern an ihre Gemeinde. Die neue Grundsteuer ist nach langem Vorlauf 2025 fällig. Doch viele Brandenburger Grundsteuer-Zahler kennen die Höhe immer noch nicht, weil Land und Kommunen Mikado spielten: "Wer bewegt sich zuerst?" Die Gemeinden warteten auf Vorgaben vom Finanzministerium, das aber ließ sich Zeit. Grundstückseigentümer lernten viele neue Begriffe kennen: Bodenrichtwert, Steuermesszahl, Hebesatz, Transparenzregister. Was sie zu zahlen haben, wissen aber viele immer noch nicht.
Hebesatz, der: Ohne ihn geht bei der Grundsteuer nichts. Das einzige, was damit nicht gehoben wird, ist die Stimmung. siehe auch: Grundsteuer.
Innenministerkonferenz, die: Versammlung aller Innenministerinnen und Innenminister, die ausgerechnet im allerletzten Amtsjahr von Innenminister Stübgen vom Land Brandenburg geführt wurde. Die Herbstkonferenz im Hafendorf Rheinsberg fand statt, als den CDU-Innenminister nur noch Stunden von seinem Ausscheiden aus der Regierung trennten. Tröstend für ihn: auch die angereiste Bundesinnenministerin war zu diesem Zeitpunkt möglicherweise schon Ministerin auf Abruf, denn die Ampel war bereits zerbrochen. Beobachter meinten, neben Möwen auch "lame ducks" im Hafendorf gesehen zu haben.
Justus von Lindenberg, der: einziger Adliger im Hause Woidke, Rassehund von überschaubarer Größe. Wurde den Brandenburgern während des Wahlkampfs in einer Gratis-Illustrierten der SPD vorgestellt. Einziges Thema und Titel des Heftes: Woidke. Der voll auf den Ministerpräsidenten zugeschnittene Stimmenfang der SPD-Kampagne ging auf. Und die Koalitionspartner gingen unter. Aber immerhin wissen wir nun, welche Musik Woidke hört, wie Dietmar seine Susanne kennenlernte, und wie sein Dackel heißt.
Kenia-Koalition, die: ist Vergangenheit. War sowieso immer die falsche Bezeichnung für eine rot-schwarz-grüne Verbindung. Die Flagge Kenias ist nämlich schwarz-rot-grün.
Lila, das: die neue Farbe im Politspektrum Brandenburgs, eingebracht von Sahra Wagenknecht. Verfärbt das Rot der SPD in Richtung Purpur oder Magenta.
Musk, der: Autofabrikbesitzer im Landkreis Oder-Spree und zukünftiger Präsidentenflüsterer in den USA. Während sich im Jahr 2024 Brandenburgs Spitzen-Politiker um ein Gruppenfoto mit Elon Musk gerissen haben, dürfte bei den Regierenden in Potsdam das Interesse an Kumpelfotos mit Musk sinken.
Nichtwähler, der oder die: Politabstinenzler, wurden 2024 weniger. Noch nie gingen so viele Menschen wie 2024 zu einer Landtagswahl.
Orange, das: Farbe, die im Landtag keine Rolle mehr spielt, siehe auch: Dönerpreisbremse
Promille, die: Maßeinheit für die Angabe von Alkohol im Blut. Wichtige Lehre für CDU-Spitzenmann Jan Redmann: Promille können auch Prozente kosten. Siehe auch: Roller
Roller, der: Ursprünglich mit Muskelkraft angetriebenes Zweirad, das durch Elektromotor zu einem E-Scooter und damit zu einem vollwertigen Straßenfahrzeug wird. Als sich der CDU-Spitzenkandidat Jan Redman im Sommer zu mitternächtlicher Stunde umnebelt von Party-Alkohol entschied, mit einem solchen Roller nachhause zu fahren, hatte das Folgen: Er wurde schlagartig berühmt. Und 8.000 Euro und seinen Führerschein los.
Smartphone, das: digitales Endgerät, ohne das heute nichts mehr geht: Einkaufen, Filmen, Spielen, Navigieren, Besserwissen, Gratulieren, Entschuldigen. Damit Kinder nicht zu früh mit den Verführungen des digitalen Einkaufens, Filmens oder Spielens in Kontakt kommen, soll in Brandenburgs Grundschulen das private Smartphone in Taschen oder Schließfächern "verstaut werden". Steht so im Koalitionsvertrag. Analogisierung first, Digitalisierung später.
Taser, der: Elektroschocker, mit dem Brandenburgs Polizisten flächendeckend ausgestattet werden sollen. Mit 50.000 Volt halten Brandenburgs Ordnungshüter Gesetzesbrecher in Schach. Hochspannung wird zum Markenzeichen der Brandenburger Sicherheitspolitik. Und mithilfe von Bodycams an der Uniform kann das alles auch noch gefilmt werden.
Umfrage, die: Repräsentative Befragung der Wählerschaft. Fieberthermometer der Politik. In keiner Umfrage vor der Wahl lag die Brandenburger SPD vor der AfD. Trotzdem hielt Dietmar Woidke an der Strategie fest: Ich oder die. Und gewann.
Verfassungsgericht, das: Oberste Brandenburger Instanz. Stellte der Kenia-Koalition ein bitteres Zeugnis ihrer Finanzpolitik aus. Siehe auch: Brandenburg-Paket. Die zuständige Finanzministerin gab im Landtag zu, dass sie danach "mit etwas zerbeulter Rüstung" dastand. Heute ist die Ritterin die Dienstherrin von bald 9.000 Brandenburger Polizistinnen und Polizisten. Die Beulen in der Rüstung haben offensichtlich keine Deformation beim Image gebracht.
Vorhabensträger, der: Firma, die zum Beispiel eine Pipeline baut und später betreibt. Schwierig wird es, wenn mögliche Träger nichts vorhaben. Siehe auch: Wasserstoff
Wasserstoff, der: Element, aus dem die Träume der Transformation bestehen. Mit Wasserstoff gelingt alles, so die Hoffnung: Die Stahlindustrie kann grün weiter machen, Lausitzer Kraftwerken gelingt der Kohleausstieg, Strom aus Windrädern kann gespeichert werden. Blöd nur, dass sich für Wasserstoffleitungen Richtung Rüdersdorf, Eisenhüttenstadt oder Schwarze Pumpe bisher kein Interessent gefunden hat. Das geplante Wasserstoff-Kernnetz macht um Brandenburgs Südosten einen großen Bogen.
Und woher der rettende Wasserstoff kommen soll, ist auch noch unklar.
Zweite(r) Wahlgang, der: Wiederholung einer schief gegangenen Wahl des Ministerpräsidenten im Landtag. Fand 2024 erstmalig in Brandenburg statt, weil dem einzigen Kandidaten Dietmar Woidke im ersten Versuch die Stimmen der Mehrheit fehlten. Im zweiten Wahlgang gab es dann vier Stimmen mehr als die neue Koalition hat. Bis heute werfen sich CDU und AfD gegenseitig vor, Woidke mitgewählt zu haben. Die Wahrheit kennt nur die Wahlkabine.