Energie Cottbus - Wieso sich die 3. Liga perfekt für den Durchmarsch eignet

Di 31.12.24 | 11:40 Uhr | Von Johannes Mohren
  10
Tim Campulka von Energie Cottbus bejubelt seinen Treffer mit Dominik Pelivan (l.) und Lucas Copado. (Foto: IMAGO / Steffen Beyer)
Bild: IMAGO / Steffen Beyer

Aufsteiger Energie Cottbus überwintert auf dem zweiten Platz der 3. Liga. Sind die Lausitzer bereit für den Durchmarsch? Vorbilder gibt es in jüngerer Vergangenheit jedenfalls gleich mehrere - und das hat strukturelle Gründe. Von Johannes Mohren

20. Dezember 2024, Ingolstadt, Audi-Sportpark: Das letzte Pflichtspiel des Jahres von Fußball-Drittligist Energie Cottbus ist gerade abgepfiffen, das Spitzenduell endet 1:1. Es ist das nächste von vielen Ausrufezeichen - und prompt folgt die Würdigung durch die Fans: "Ein Jahr im Rausch. Danke für 2024" steht auf einem Banner, das nun am Zaun des Blocks hängt. Die rund 1.500 Auswärtsfahrer, die sich an einem vorweihnachtlichen Freitagabend auf die 500-Kilometer-Reise nach Oberbayern gemacht haben, zünden Wunderkerzen an.

Dass Dynamo Dresden die Lausitzer am Tag darauf mit einem 3:0-Erfolg in Unterhaching noch in der Tabelle überholen wird? Geschenkt. 37 Punkte, Platz zwei - das bleibt für die Cottbuser allemal eine große Überraschung. Schließlich sind sie im Sommer erst aufgestiegen. Nun winkt sogar der direkte Durchmarsch zurück in den Bundesliga-Fußball, aus dem der Verein sich 2014 verabschiedet hatte. Doch ist dieser tatsächlich realistisch?

Drei Durchmärsche in zwei Jahren

Die Suche nach einer Antwort beginnt mit einem längeren Telefonat mit Julian Koch. "Prognosen sind natürlich in so einer ausgeglichenen Liga schwierig. Ich traue es Cottbus aber auf jeden Fall zu, dass sie bis zum Ende oben dabeibleiben werden", sagt der Journalist im rbb|24-Interview. Und er ist einer, der es wissen muss. Seit es die eingleisige 3. Liga gibt, also seit nunmehr bereits 16 Jahren, betreibt Koch nämlich das Online-Angebot liga3-online.de [externer Link].

Insgesamt sechs Durchmärsche hat er in dieser Zeit erlebt. Alleine drei in den vergangenen zwei Jahren. In der Saison 2022/23 war es der SV Elversberg, der nach dem Aufstieg aus der Regionalliga Südwest in nur einem Jahr in der Drittklassigkeit weiter in die 2. Bundesliga stürmte. In der folgenden Spielzeit gelang sogar dem SSV Ulm und Preußen Münster. Teams, über die Koch sagt: "Sie sind sich und auch Energie Cottbus schon relativ ähnlich."

Eingespieltheit als Hauptfaktor

Ähnlich vor allem auch deshalb, weil ihr Erfolgsmodell denselben Kern hat. Die Aufsteiger profitieren von ihrer personellen Konstanz - und das in einer Liga, in der disruptive Umbrüche oft zur sommerlichen Normalität gehören. "In den ersten beiden Ligen ist es nicht so verbreitet. Das ist in der 3. Liga schon ein bisschen außergewöhnlich", sagt Koch. Vor fast jeder Spielzeit gebe es Vereine, "die eine zweistellige Anzahl von Neuzugängen haben".

Wenn du mit einer Mannschaft kommst, die eingespielt ist, ist das ein riesiger Vorteil - gerade zu Beginn der Saison, wenn sich andere noch nicht gefunden haben.

Julian Koch, Chefredakteur von liga3-online.de

Ihnen stehen ebenso viele Abgänge gegenüber. Nicht selten handelt es sich um einen Exodus der Enttäuschten. Denn in der so engen Liga eint viele (Traditions-)Vereine mit ihren Profis der Traum vom Weg nach oben. Nur den wenigsten gelingt er jedoch. "Jedes Jahr spielen wirklich zehn Mannschaften um den Aufstieg und am Ende schaffen es vielleicht nur zwei", sagt liga3-online.de-Chefredakteur Koch. Wenn das dann - so wie in der vergangenen Saison - auch noch Teams seien, "die niemand auf der Liste hatte, haben es die Favoriten folglich allesamt nicht geschafft. Es gibt also auch eine riesige Anzahl von Spielern, die mit einer ganz anderen Erwartung zu ihrem Verein gewechselt sind und ihn dementsprechend wieder verlassen."

Fluktuation, die es bei den erfolgreichen Aufsteigern aus der Regionalliga kaum gab. Beispiel Energie Cottbus: Im Auftaktspiel gegen Arminia Bielefeld starteten mit Henry Rorig und Tolcay Cigerci nur zwei Neuzugänge. Während andere Teams also noch (vergeblich) ihre neuen Puzzleteile sortierten, war das personelle Gerüst des FCE sofort stabil: "Wenn du mit einer Mannschaft kommst, die eingespielt ist, ist das natürlich ein riesiger Vorteil - gerade zu Beginn der Saison, wenn sich andere noch nicht so gefunden haben", so Koch.

Kaderwerte liegen eng beeinander

Doch es ist nicht nur die Team-Harmonie, die Gipfelstürme in der 3. Liga begünstigt. Es ist - wie so oft - auch das Geld. Wenn etwa die Cottbuser betonen, finanziell im Liga-Vergleich ganz unten angesiedelt zu sein, tun sie das zurecht. Aber: Die Unterschiede zwischen dem Ersten und Letzten im monetären Ranking sind in der Drittklassigkeit bei weitem nicht so groß wie in der 2. und erst recht der 1. Bundesliga.

Nachzuvollziehen ist das am Gesamtmarktwert der Klubs, sprich: der Summe der Marktwerte aller Spieler. Bei Energie Cottbus liegt dieser laut transfermarkt.de bei 4,33 Millionen Euro (Platz 18). Hansa Rostock hat - die zweiten Mannschaften von Stuttgart und Dortmund bewusst ausgenommen - den wertvollsten Kader. 8,58 Millionen Euro bedeuten jedoch 'nur' das Doppelte im Vergleich zum FCE.

In der 2. Bundesliga hat der Krösus 1. FC Köln (58,1 Millionen Euro) hingegen rund den sechsfachen Gesamtmarktwert von Jahn Regensburg (10,6). Im Fußball-Oberhaus sind die Unterschiede sogar noch weitaus eklatanter. Während Holstein Kiel bei 36,6 Millionen Euro liegt, sind die Profis von Bayern München in der Summe 887 Millionen Euro wert, kurzum: mehr als das 24-fache. Überraschungen sind alleine deshalb in der 3. Liga weitaus wahrscheinlicher.

Alle bekommen das gleiche TV-Geld

Der Grund für die größere Gleichheit liegt auch in einem anderen Verteilungs-Mechanismus der umkämpften TV-Gelder. In der 1. und 2. Liga sind diese maßgeblich an die Platzierung der Klubs in den vergangenen Jahren gekoppelt. Erstliga-Absteiger Köln erhält also logischerweise mehr Geld als Zweitliga-Aufsteiger Regensburg, obwohl sie nun in einer Spielklasse zuhause sind. "In der 3. Liga bekommt hingegen - abgesehen von den U23-Teams - jeder Verein die gleiche Summe, entsprechend sind auch die Unterschiede nicht so groß", sagt Koch. Aktuell sind es rund 1,3 Millionen Euro pro Klub pro Saison, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) verteilt.

Selbst wenn Cottbus die ersten Spiele verlieren oder generell mal in einen Negativtrend kommen sollte, wird da keine große Unruhe herrschen. Wenn das bei Dresden passiert, ist das was anderes.

Julian Koch, Chefredakteur von liga3-online.de

Kommt ein eingespielter Aufsteiger also erstmal in einen Flow, gibt es in der 3. Liga wenige(r) strukturelle Hürden, die ihn ausbremsen könnten. Und in einem solchen befindet sich Energie Cottbus zweifelsohne. "Dadurch läuft vieles von allein ein bisschen besser", sagt Koch. Zumal die Erwartungshaltung - nämlich: der Klassenerhalt - für eine Leichtigkeit sorge.

Während das aufstiegsverpflichtete Establishment rund um Dynamo Dresden, den 1. FC Saarbrücken, Arminia Bielefeld oder Hansa Rostock einen "großen Druck von außen" hätte, könnten die Aufsteiger in der Spitzengruppe völlig befreit aufspielen. Selbst wenn Cottbus die ersten Spiele verlieren oder generell mal in einen Negativtrend kommen sollte, wird da keine große Unruhe herrschen. "Wenn das bei Dresden passiert, ist das was anderes", sagt der Drittliga-Experte.

Der besondere Faktor Claus-Dieter Wollitz

Einen Cottbuser Einbruch sieht Koch jedoch keineswegs nahen. Und das hat neben Eingespieltheit, Flow und den Vorbildern der jüngeren Vergangenheit auch viel mit Trainer Claus-Dieter Wollitz zu tun. "Dieser Faktor ist sicherlich nicht zu unterschätzen. Er legt viel Wert auf das Menschliche. Das machen andere Vereine auch, aber in Cottbus ist das - auch weil es jetzt über Jahre auch mit Wollitz persönlich zusammengewachsen ist - ein etwas anderes Niveau", sagt Koch.

Reicht all das nun also für den siebten Durchmarsch seit der Einführung der eingleisigen 3. Liga in der Saison 2008/09? "Man kann schlecht sagen, Cottbus wird Zweiter. Aber unter den Top fünf, sechs werden sie - denke ich - auf jeden Fall landen", sagt Koch. Sollte am Ende tatsächlich der ganz große Coup gelingen, könnte der Rausch 2025 noch größer werden.

Beitrag von Johannes Mohren

10 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 10.

    Nun ja, was hat das Eine mit dem Anderen zutun? Dieser Verein lag noch nie & wird mir nie am Herzen liegen. Und nun? Auch Ihnen alles Gute für 2025.

  2. 8.

    Ein gesegnetes neues Jahr 2025 allen, die hier mitlesen. Ich freue mich über die Hinrunde und auf die Rückrunde. Möge sie viele Siege für Energie bereithalten!

  3. 7.

    Ich denke, die stärke der Lausitzer ist ein Beweis dafür, dass die Regionalliga Nordost die stärkste aller Regionalligen ist.
    Drücke die Daumen

  4. 6.

    Danke für ihre Wünsche. Mögen Sie in 2025 weniger negativ sein. Aber manche Menschen können halt nicht aus ihrer Haut, nicht wahr?!

    Allen FCElern einen guten Start in 2025 und bleiben Sie gesund!
    Allen Hatern des FCE wünsche ich das auch, bin da eher positiv unterwegs als so manch Zeitgenosse bzw Kommentierenden.

  5. 5.

    Der Qualitätsunterschied zwischen Regional und dritter Liga ist denke ich nicht sehr groß. Wenn man also die Mannschaft nach dem Aufstieg halten kann, der Zusammenhalt und Teamspirit stimmt kann man auch in Liga 3 gut mithalten.

  6. 4.

    Feiern Sie doch bitte Silvester und äußern Sie hie nicht Ihre Wünsche! Dafür ist dieses RBB-Forum nicht da. Weihnachten ist vorbei!
    Ich drücke dem tollen Team aus Cottbus fest die Daumen. Gruß aus Spandau und einen guten Rutsch!

  7. 2.

    Durchmarsch wäre vielleicht vermessen, aber möglich ist alles, auch das sie durchgereicht werden. Ich hoffe auf ersteres. Guten Rutsch .

  8. 1.

    Die Scouts scheinen die 3.Liga intensiver zu durchgrasen, weil die Ablösesummen niedrig und Gewinnaussichten höher sind und scheinen dabei fündig werden zu müssen, weil es dabei auch um ihren Job geht.

    Diese Jagd wird auch vor "Energie" nicht Halt machen und deshalb gilt es, den starken Kern der Mannschaft zu erkennen und zusammenzuhalten und im Aufstiegsfall gezielt zuverstärken, um nicht gleich wieder abzusteigen. (Falls der Aufstieg überhaupt erreicht und nicht doch, wie so häufig, noch im Schnellspurt aus der Hand gegeben wird)

Nächster Artikel