Galerist über Preise für Kunstwerke - "Ich verstehe, dass man das erstmal nicht versteht"

Do 02.01.25 | 18:31 Uhr
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Eine Banane klebt mit silbernen Klebeband an einer Wand: Maurizio Cattelans "Comedian"(Quelle: dpa/newscom/John Angelillo).
Bild: dpa/newscom/John Angelillo

Kunstpreise wirken meist exorbitant hoch, und es scheint oftmals rätselhaft, wie sie überhaupt zu Stande kommen. Dabei ist es eigentlich ganz einfach, sagt Experte Pay Matthis Karstens - und rät, es selbst einmal mit dem Kunstkauf zu probieren.

rbb|24: Ende November wurde "Comedian" versteigert, ein Werk des italienischen Künstlers Maurizio Cattelan. Der Preis betrug 6,2 Millionen Dollar. Dabei ist "Comedian" keine Marmorskulptur und auch kein Ölgemälde, sondern eine Banane, die mit Klebeband an einer Wand befestigt wurde. Nicht wenige fragten sich da: Wie bitte kommt so ein Preis zustande?

Pay Matthis Karstens: Ich verstehe, dass man das erstmal nicht versteht, finde es aber tatsächlich gar nicht so skandalös, wie es häufig dargestellt wird.

Der Kurator Pay Matthis Karstens steht im "Das Kleine Grosz Museum" vor einem Werk des Künstlers George Grosz. (Quelle: dpa/Jörg Carstensen)
dpa/Jörg Carstensen

Zur Person

Der promovierte Kunsthistoriker Pay Matthis Karstens arbeitete für das Deutsche Historische Museum, die Berlinische Galerie und die Liebermann-Villa. Er ist Co-Vorsitzender des Vereins George Grosz in Berlin und Partner der Galerie Judin in der Potsdamer Straße.

Weil Sie ein sehr großer Bananenliebhaber sind?

Der Materialeinsatz steht natürlich in einem eklatanten Missverhältnis zum Preis, der hier aufgerufen wurde. Man sollte sich aber vor Augen rufen, dass das immer so ist. Wenn Sie vor einem Bild von Claude Monet stehen, dann sind das ein paar Latten, ein wenig Leinwand und ein bisschen Ölfarbe. Ich verstehe, warum sich viele Menschen damit so schwer tun. Aber dass wir einem Namen, einem Konzept, einen Wert zuschreiben, ist in der Kunst üblich.

Die Banane, die bei der Auktion zu sehen war, hat 25 US-Cent gekostet. Und womöglich stört die Menschen ja auch, dass keine richtige Arbeit zu erahnen ist hinter diesem Kunstwerk. Monet soll wenigstens ein paar Stunden an seiner Leinwand gestanden haben.

Natürlich ist das Prinzip bei Maurizio Cattelan auf die Spitze getrieben. Aber eigentlich ist es immer dasselbe: Wir wissen, dass Picasso mit gefundenen Stöckchen und kaputtem Porzellan ganz tolle Kunst gemacht hat, indem er sie zusammengefügte. Und ich würde andersherum sagen: Es entsteht auch schlechte Kunst aus sehr teurem Material. Das Spannende ist doch immer, wenn es ein Spannungsverhältnis gibt. Und genau das ist bei dieser Banane der Fall.

Nun war diese Auktion vor allem ja auch eine Ausnahme. Die meiste Kunst ist doch eher günstiger. Das wirft die Frage auf: Wie entscheidet zum Beispiel ein Galerist, das Werk eines Künstlers für 15.000 Euro statt für 5.000 Euro anzubieten?

Wir müssen zunächst einen Schritt zurücktreten. Bei der Banane reden wir von einem Auktionsergebnis. Das ist am Ende oft gar kein Marktpreis mehr. Sondern der Preis, den eine Person im Wettstreit mit anderen Personen bereit war, zu zahlen. Es ist ganz wichtig, sich bewusst zu machen, dass ein Auktionspreis auch immer nur zu einem gewissen Zeitpunkt von einer ganz gewissen Person unter gewissen Umständen bezahlt wird. Vielleicht am Tag vorher nicht und vielleicht auch nie wieder.

Aber für den Marktpreis gibt es so etwas wie eine Formel?

Grundsätzlich ist der Karrierepunkt eines Künstlers ganz entscheidend. Haben wir es mit einem jungen Künstler zu tun, bei dem man nicht recht weiß, ob das stabil bleibt? Also macht jemand mit 26 gerade erste Schritte, dann spiegelt sich das in einem niedrigen Preis wieder. Wenn diese Person ihre erste institutionelle Ausstellung hatte, wenn da vielleicht noch zwei wichtige, internationale Galerien als Vertretung auf anderen Kontinenten mit hinzukommen, dann wäre das ein guter Grund, um den Preis peu à peu raufzusetzen.

Klingt trotzdem so, als würden sich Künstler und Galerist zunächst einmal hinsetzen und zusammen einen Preis auswürfeln.

Der Markt ist da viel transparenter, als man das von außen vielleicht wahrnimmt. Das funktioniert über den sogenannten Faktor.

Wie berechnet man den?

Nehmen wir an, wir sind bei jemandem, der zeichnet und malt. Dann addiert man Höhe und Breite des Bildes und multipliziert das mit dem Faktor. Der Absolvent einer Kunstakademie zum Beispiel hat vielleicht einen Faktor von zehn oder fünfzehn. Bei einem Bild von 1x1 Meter kommen wir damit bei 3.000 Euro raus. Und dieser Faktor bleibt so lange stabil, bis sich etwas Gravierendes ändert.

Maurizio Cattelans "Comedian" (Quelle: imago images)Die Banane des Anstoßes: Maurizio Cattelans Werk "Comedian" ging beim Auktionshaus Sotheby's in New York für 6,2 Millionen Dollar an einen südkoreanischen Krypto-Unternehmer, der die Kunst direkt aß.

Was könnte das zum Beispiel sein?

Sollte der junge Künstler, den wir uns hier vorstellen, nun eine wichtige Ausstellung in einem wichtigen deutschen oder europäischen Museum haben oder auf der Biennale vertreten sein, sollte er vielleicht noch eine internationale Galerie hinzubekommen und auf Auktionen auftauchen, weil der Primärmarkt die Nachfrage gar nicht bedienen kann, dann kann man für jeden dieser Punkte zehn bis fünfzehn Prozent draufschlagen.

Wenn wir bei Prozentpunkten sind: Wie teilt sich der Erlös eigentlich auf? Was bleibt beim Künstler hängen?

Wenn wir bei den klassischen Medien bleiben - zum Beispiel bei einem Gemälde - dann gehen 50 Prozent an den Künstler und 50 Prozent an die Galerie. Bei Skulpturen, zumindest sobald es eklatante Produktionskosten sind, ist es oft eine Drittellösung: Künstler, Galerie, Herstellung.

Was würden Sie jemandem raten, der noch nie Kunst gekauft, aber Interesse daran hat? Wie und wo fängt man das an? Was muss man mindestens investieren?

Zunächst sollte man vor allem schauen, wo der eigene Geschmack liegt. Man muss diesen Schritt wagen, er tut nicht weh, und möglichst viel sehen - in Museen und Galerien. Und dann gibt es zwei ideale Einfallsschneisen: Die erste, und deutlich günstigere, sind die Rundgänge der Kunsthochschulen.

Auf denen die Studierenden zum Abschluss eines Jahrgangs oder einer Klasse ausgewählte Arbeiten ausstellen? Zum Beispiel der Kunsthochschule Weißensee oder der Universität der Künste.

Dort kommt man wunderbar mit den Künstlern ins Gespräch. Und wenn einem etwas gefällt, kostet das meistens ein paar hundert Euro, teilweise sogar weniger.

Und die zweite Einfallsschneise?

Wäre, in den Austausch mit Galerien zu treten. Nach Künstlern und Preisen fragen und nur keine Hemmung!

Schaut man auf die internationalen Umsatzzahlen, werden 80 Prozent aller Erlöse in China, den USA und Großbritannien erzielt. Deutschland macht drei Prozent aus. Berlin hat sich immer als kreative Stadt verstanden. Überträgt sich das auf den Kunstmarkt? Welchen Stellenwert hat Berlin da?

Berlin war immer die Stadt der Produktion. Auch die Stadt toller Museen und Galerien. Aber nicht unbedingt die des Marktes.

Ihr Plädoyer für den Besitz von Kunst?

Es lebt sich mit einfach besser als ohne. Kunst ist ein ganz spannender Seismograph für die eigene Haltung, das eigene Empfinden. Dabei muss sie gar nicht teuer oder Teil des Kanons sein. Es kann etwas sein, wozu man sich warum auch immer hingezogen fühlt. Ich kann es nur empfehlen.

Mit Pay Matthis Karstens sprach Ilja Behnisch für rbb|24.

39 Kommentare

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  1. 39.

    Die Kunst wird wahrscheinlich darin liegen, ein Dummen zu finden, der das kauft. Den Künstler kannte ich bisher nicht, aber das güldene Klo hat auch was hintergründiges - sogar fuktionsfähig. Gelungen auch "L.O.V.E. (aka " il dito" ... der Beschreibung nach "Die zum römischen Gruß ausgestreckte Hand, an der alle Finger bis auf den Mittelfinger abgebrochen sind, ") ... vor der Mailänder Börse.
    Ich finde "il dito" ebenso treffend wie originell :-).

  2. 37.

    Flacher Ansatz. Nicht der Künstler bestimmt den Wert des Kunstwerks, sondern der Markt! Und die Anleger, international!

  3. 36.

    Falsch! Wahrscheinlich waren Sie noch nie in einer Kunstausstellung, einer Galerie oder einem Atelier? Sie behaupten: ,, der Künstler allen einreden und suggeriert deshalb auch, die anderen wären zu blöd, um es zu verstehen''. Das kommt aber nur aus Ihrem tieftsten Inneren. Damit hat der Künstler doch nichts zu tun! Wenn Sie der meinung sind, es nicht zu verstehen, dann ist es so. Das ist aber kein Beinbruch. mann muß nicht alles verstehen! Verstehen Sie jetzt?

  4. 35.

    Wenn man vergeblich versucht, neue Ideen zu haben aber nichts mehr kommt, dann ringt man um Aufmerksamkeit und das kommt dabei heraus. Wahrscheinlich geht es nur um viel Geld und hörige Kunden.


    Und er versucht tatsächlich allen einzureden, ihn schwer zu verstehen, nicht, weil das weder tiefsinnig noch kunstvoll ist, sondern weil andere seinen hochintelligenten Gedankengängen nicht folgen können.

    Kunstvoller konnte ich es leider nicht umschreiben.


  5. 34.

    Ich denke, er hat mehr kapiert, als er sollte. Natürlich geht es um das Material, das man instrumentalisiert und dann behauptet, es gäbe diesen Wert. Das will der Künstler allen einreden und suggeriert deshalb auch, die anderen wären zu blöd, um es zu verstehen und da sind wir wieder beim Märchen von des Kaisers neuen Kleidern, denn da ging es auch nicht um das Materielle, sondern um das gedachte Materielle, weil es niemand sah und alle sagten, sie könnten es sehen, bis einer den Mut hatte und Klartext sprach. Ein kleiner Junge sagte nämlich, dass der Kaiser nackig wäre. Viel Geld für nichts in einer schön verpackten Geschichte ist tatsächlich keine Kunst, sondern Verdummung.

  6. 33.

    Die Banane ist urkomisch. Auf sone Bananen-banale Idee muss man erstmal kommen. Lach. Gelacht hat sicher auch der Künstler über den Verkaufspreis. Auch wenn er in seinem Kämmerlein heimlich bestimmt den Kopf darüber geschüttelt hat. Witzig fand sich selbst sicher auch der Käufer, der die Banane gleich aufgegessen hat. Wie viele hungrige Kinder der Welt hätten froh lachen können, wenn er nicht nur genau diese eine Banane gekauft und gegessen hätte sondern viele gekauft und verschenkt hätte, das kann man erahnen. Und eine davon hätte er behalten und essen oder noch besser: an seine Wand kleben können.

  7. 32.

    Kunst wäscht den Alltagsstaub von der Seele.......................( Pablo P. )

  8. 30.

    Nicht schlecht. Liest sich besser wie "Ich mag's nicht." Schön künstlerisch umschrieben ;-).

  9. 27.

    Neee, dann wäre alles Kunst und alles billig, weil unbedeutend. Es ist allerdings eine Kunst, den Menschen einzureden, dass diese Banane und ein Stück Klebeband etwas Künstlerisches darstellen würden. Wenn das so wäre, wäre Kunst jede unserer Handlungen und völlig unbedeutend. Da liegt der springende Punkt, denn Kunst erkennt man auch als solche.


    Die Banane als Kunst zu verkaufen ist peinlich. Aber noch peinlicher ist es, diesen Quatsch nicht hinterfragen zu können.

  10. 26.

    Eine Mutter ist eine Künstlerin, kein Künstler. Auch eine Malerin ist Künstlerin, eine Musikerin ist Künstlerin, eine Sängerin ist Künstlerin.
    Eine Frau ist weiblich und wer das Gendern versteht, der benutzt Artikel richtig.



    Und noch eins, die Menschheit besteht nicht nur aus dem männlichen Geschlecht.

  11. 25.

    Es is(s)t so wie es ist - Banane

  12. 24.

    Ha, da hat jemand aber sowas von recht.
    Es ist doch für viele schon Kunst einen Abschluß zu haben!

  13. 23.

    Du begreifst es nicht, Kunst als Begriff und Zuordnung sollte es nicht geben.
    Früher war man Dichter, heute Künstler!
    Früher war man Komponist, heute Künstler!
    Früher war man Maler, heute Künstler!
    Früher war man Schauspieler, heute Künstler!
    Früher war man Sänger, heute Künstler!
    Früher war man Mutter, heute Künstler???

  14. 22.

    Ich schaffte zu Weihnachten sechs Kringel und ein Turm, habe ich etwa zu schnell die Spülung betätigt und wären die künftigen Ergebnisse nur Kopien oder eine Serie?

  15. 20.

    Sind eigentlich schonmal die wunderschönen Falten in der Klebung aufgefallen, die Anbringung des Klebebandes? Eine Symbiose aus Druck- und Zugstufe. So wird auch Natürlichkeit mit Chemie, einander unterstützend, verquickt.

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