Interview | Feuerwehrsprecher Kasch - "Wir fragen uns langsam: Wo soll das noch hinführen?"
Mit schweren Kugelbomben-Detonationen haben die Silvester-Exzesse in Berlin eine neue Dimension erreicht. Feuerwehrsprecher Vinzenz Kasch über einen herausfordernden Einsatz zum Jahreswechsel.
rbb: Herr Kasch, fangen wir mal mit den Kugelbomben an. Da ist nicht nur eine in Schöneberg explodiert, sondern auch in einer Menschenmenge in Tegel. Acht Menschen wurden dabei verletzt, zwei lebensbedrohlich. In Brandenburg ist ein Mensch gestorben. Was unterscheidet diese Böller von anderen?
Vinzenz Kasch: Also das ist natürlich kein zugelassenes Feuerwerk für jedermann. Diese Bomben haben tatsächlich eine sehr hohe Kraft, sehr hohe Energie. Die sind dafür gedacht, weit oben in den Himmel tolle Lichteffekte zu machen. Wenn die am Boden explodieren, dann haben die genauso eine Kraft wie wir das hier sehen. Menschen werden schwer verletzt oder es gehen noch in weiter Entfernung Scheiben zu Bruch.
Aber die Kugelbomben sind illegal, oder? Wie hätte das verhindert werden können?
Die sind auf jeden Fall nur in zertifizierte Hände beziehungsweise in geübte Hände zu geben. Dafür gibt es spezielle Schulungen und Lehrgänge - für Feuerwerker. Und deswegen hat das natürlich nichts in Händen von jedermann zu suchen, insbesondere nicht in einer Silvesternacht, wo man vielleicht noch alkoholisiert damit umgeht. Und insbesondere nicht mitten in Schöneberg in der Hauptstraße.
Welches Fazit ziehen Sie denn insgesamt, also wie lief die Silvesternacht für die Berliner Feuerwehr ab? Die Zahlen sind ja ähnlich wie im letzten Jahr.
Tatsächlich sind die Zahlen aus unserer Sicht noch mal deutlich gestiegen. Unsere Brandeinsätze sind noch mal um ein Viertel gestiegen. Und wir fragen uns langsam: Wo soll das noch hinführen? Wir wissen gar nicht mehr, wo wir noch mehr Personal herziehen sollen für ein kommendes Silvester, um weiterhin auch gewisse Reserven vorhalten zu können. Das hat uns in diesem Jahr wirklich gefordert, und wir sehen ja auch eine Steigerung in den vergangenen Jahren, so dass wir mit Sorge in die Zukunft schauen.
Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Sie zu deutlich mehr Wohnungsbränden ausrücken mussten diese Silvesternacht?
Was die Brände angeht, das hat auch immer mit dem Wetter zu tun. Wenn es trocken ist und viele Menschen auf den Straßen sind, gibt es schon mehr Brände. Aber uns hat trotzdem überrascht, wie viele Notrufe es gab. Unsere Leitstelle hatte alle Mühe, diesem Notrufaufkommen Herr zu werden.
Sie haben im Vorfeld viel auf Prävention gesetzt - mit diversen Kiezprojekten, mit Jugendlichen, weil es in den vergangenen Jahren immer wieder Angriffe auf die Einsatzkräfte gab. Hat das Ihrer Meinung nach was gebracht?
Also zumindest was die Anzahl angeht an Übergriffen auf Rettungskräfte, können wir tatsächlich nochmal eine Reduzierung zu letztem Jahr sehen. Weniger als die Hälfte der Fälle sind bisher gemeldet. Jetzt muss man abwarten, wie sich die nächsten Tage ergeben, was noch nachgemeldet wird. Wir wissen selbst, dass es ein langer Weg ist. Diese Projekte in den Kiezen, da ist nicht von heute auf morgen die Arbeit erledigt. Dass es trotzdem wieder Übergriffe gab - bei einem Fahrzeug von uns flog ein Stein durch die Scheibe - das sind Situationen, die dürfen nicht sein.
In vielen Haushalten war ja auch zu Silvester das Wasser weg wegen eines riesigen Wasserrohrbruchs. Hat dieser Einsatz Sie eigentlich von der wichtigen Silvesterarbeit abgehalten?
Wir haben ja häufiger solche Wasserrohrbrüche in Berlin, selten einen so schwerwiegenden. Und der kam einfach zur ungünstigsten Zeit. Wir waren in einer Phase, da starteten viele Brände, wir waren auch in der Nähe der Seestraße bereits unterwegs zu Brandeinsätzen. Natürlich behindert uns das, wenn aus dem Hydrant plötzlich kein Wasser mehr kommt. Wir mussten dann sofort taktisch umstellen und setzten auf Tanklöschfahrzeuge. Wir waren aber heilfroh, dass die Wasserwerke das dann relativ schnell hinbekommen haben noch in der Nacht.
Vielen Dank für das Gespräch.
Nach der Silvesternacht wird in Berlin aufgeräumt
Das Gespräch führte Julia Menger für Radioeins. Es handelt sich um eine gekürzte und redigierte Fassung. Das Interview können Sie im Audio nachhören.
Sendung: Radioeins vom rbb, 02.01.2025, 06:50 Uhr
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