#Wiegehtesuns? | Lotto-Großgewinnberater - "In meinem Job fühle ich mich manchmal wie auf der Geburtsstation"
Millionengewinne vergeben: Als Großgewinnberater bei Lotto Berlin ist das Lutz Trabalskis Job. Obwohl er auch selbst spielt, weiß er, dass Reichtum allein weder gesund noch glücklich macht. Ein Gesprächsprotokoll
In der Serie #Wiegehtesuns? erzählen Menschen, wie ihr Leben gerade aussieht - persönlich, manchmal widersprüchlich und kontrovers. rbb|24 will damit Einblicke in verschiedene Gedankenwelten geben und Sichtweisen dokumentieren, ohne diese zu bewerten oder einzuordnen. Sie geben nicht die Meinung der Redaktion wieder.
Etwa einmal im Monat passiert es ihm: Wieder ein Millionengewinn. Genau genommen passiert der Gewinn jemand anderem, doch Lutz Trabalski darf die frisch gebackenen Neureichen beraten und betreuen. Die wichtigste Regel dabei: Nicht gleich davon erzählen - auch nicht den eigenen Kindern.
Wir schießen die Leute ein bisschen in neue Sphären und ich vergleiche das immer so: Nicht jeder Mensch ist zum Astronauten geeignet, und wir versuchen hier, den Menschen ein bisschen zu helfen. Wir bieten den Gewinnerinnen und Gewinnern an, dass wir sie beim ersten Schritt in das neue Leben begleiten. Die meisten, die bei mir landen, wissen bereits, was sie gewonnen haben. Aber manchmal bin ich es, der den Menschen sagt, wie hoch ihr Gewinn ist. Denn in Berlin liegt die Auszahlungsgrenze für Kioske bei 500 Euro. Die Verkäuferin oder der Verkäufer sagt einem dann nur: Es ist mehr als das. Und dann melden sich die Gewinner bei mir.
Ich merke in der Zwischenzeit auch, dass selbst ein kleiner Millionengewinn die Leute nicht mehr veranlasst, sich von mir beraten zu lassen. Es hat sich so ein bisschen nach oben verschoben. Früher hieß es ab einer Million: "Du bist Millionär!" Heute ist es leider so, dass man von einer Million eigentlich nicht mehr leben kann. Aber wir haben oft auch höhere Beträge. 2022 hat ein Berliner sogar den 120-Millionen-Jackpot geknackt. Dieses Jahr war mein größter Gewinn mehr als 30 Millionen Euro.
Wenn Millionen-Gewinner zu mir kommen, ist es meine Aufgabe, die Menschen abzuholen und ihnen erstmal einen Raum für ihre Gefühle zu geben. Manche sind total aufgeregt, andere ganz introvertiert, ich habe die ganze Palette bei mir. Und dann kommen wir auf die wichtigen Dinge.
Ich habe drei Regeln, die ich dem Gewinner oder der Gewinnerin immer auf den Weg gebe:
Die erste Regel ist, dass man Diskretion bewahrt, das heißt, dass man sich gut überlegt, wem man davon erzählt. Auch innerhalb der Familie muss man schon Grenzen ziehen.
Albert Schweitzer hat mal gesagt: "Das Glück ist das einzige, das sich verdoppelt, wenn man es teilt." Und das möchte man natürlich. Man möchte erzählen. Ich habe nur leider auch die Erfahrung gemacht, dass in Deutschland sehr viel Neid aufkommt, und Gewinnerinnen und Gewinner berichten mir, dass Menschen im Umfeld dann daraus ableiten: "Du hast es doch jetzt, du kannst mir was abgeben." Das finde ich völlig verrückt.
Die zweite Regel ist, dass man sich direkt nach dem Gewinn gut strukturiert. Wenn ich in meinem Beruf glücklich bin, dann sollte ich da vielleicht nicht sofort kündigen, denn die meisten sozialen Kontakte haben wir normalerweise über die Arbeit, und die sollte man nicht verlieren.
Das Dritte - und das ist vielleicht das Schwierigste - ist, sich Ratschlag zu holen, und zwar meine ich jetzt wirklich fachmännischen Ratschlag von einer Bank oder einem Vermögensberater oder auch einem guten Freund oder einer guten Freundin.
Bisher hatte man Glück, es ist ja ein Glückspiel. Die große Kunst der Gewinner ist es, aus diesem Ereignis einen Zustand zu machen, nämlich glücklich zu sein.
In meinem Job fühle ich mich manchmal wie auf der Geburtsstation, wenn der Arzt oder die Ärztin rauskommt und sagt: "Herzlichen Glückwunsch." Das ist natürlich eine wahnsinnig tolle Botschaft, die ich den Leuten überbringen kann. Und manchmal ist es so, als öffne man die Büchse der Pandora, weil ich nicht weiß, wie der Mensch, der mir gegenübersitzt, darauf reagiert, wenn ich ihm sage: "Sie sind jetzt Millionär."
Ich hatte einmal ein Ehepaar bei mir und die Frau ist in Tränen ausgebrochen. Ich wusste nicht warum. Dann hat sich herausgestellt, dass sie den Kindern von dem Millionengewinn erzählt hatte. Die waren, glaube ich, 15 und 17. Und sie hatte große Angst, dass nun den Kindern etwas zustößt, dass die in den Fokus von Kriminellen geraten durch Entführung oder Erpressung. Das alles ging ihr durch den Kopf und deswegen war sie alles andere als glücklich, als sie bei mir saß.
Eine andere Millionengewinnerin meldete sich und brachte ihren querschnittsgelähmten Mann mit. Eine tragische Geschichte, aber der Mann strahlte so eine Lebensfreude aus, dass ich immer noch Gänsehaut bekomme. Und der sagte: "Wissen Sie, Herr Trabalski, das eröffnet uns jetzt die Möglichkeit für mich als Mensch mit Handicap, Dinge doch zu erleben, die mir normalerweise verborgen geblieben wären." Er wollte immer mal in den Amazonas, das konnte er nun.
Ich hatte auch einen anderen Millionengewinner, der mir nochmal klar gemacht hat, dass Geld nicht alles ist. Ein gestandener Mann, Rentner, ehemals Polizist, Hauptkommissar - und auf einmal brach er in Tränen aus. Er hatte unheimlich viele Pläne mit seiner Frau, die sind sehr gerne gereist. Der hatte alles, der hatte sein Leben lang gearbeitet, aber seine Frau war unheilbar erkrankt. Und der sagte: "Wenn ich Ihnen alles Geld zurückgebe, wird dann meine Frau gesund?"
Und ich saß da, mit einem dicken Kloß im Hals und sah den Mann an – den hatte so leicht nichts aus der Fassung gebracht. Und der zeigte mir, wie das Leben eigentlich wirklich funktioniert oder was Geld im Prinzip bedeutet. Natürlich konnte er für seine Frau eine ordentliche Pflege organisieren, aber er hätte lieber auf alles verzichtet - und das waren deutlich mehr als zehn Millionen Euro - hätte er mit seiner Frau einfach auf Reisen gehen können.
So eine Lotto-Quittung ist für mich ein bisschen eine Karte fürs Traumkino. Man malt sich aus, was man machen würde. Aber so ein Gewinn von 120 Millionen Euro ist unvorstellbar. Da habe ich auch gemerkt, dass auch ich in der Beratung an meine Grenzen stoße. Denn wie will ich jemandem erklären, dass der 120 Millionen Euro gewonnen hat? Das ist so eine Dimension: Den schicken wir auf den Mars. Da ist man dann komplett allein.
Aber dieses Träumen ist eigentlich das Schöne, um dann wieder festzustellen: Ich muss doch weiterhin arbeiten gehen und es ändert sich nicht viel. Viele wollen nur ihr Leben aufpimpen. Ich habe hier noch nie jemanden gehabt, der sich einen Zirkus kaufen und Zirkusdirektor werden wollte. Aber klar, auch Sicherheit ins Leben bringen wollen viele – ich denke nur an die Wohnungssituation hier in Berlin. Und viele denken auch an ihre Lieben oder spenden.
Wenn meine Gewinnerinnen und Gewinner mich fragen, was ich machen würde mit so viel Geld, dann sage ich: einen Teil spenden. Da sind wir wieder bei Albert Schweitzer mit seinem Spruch.
Mir persönlich liegt die Arche sehr am Herzen. Ich bewundere alle Menschen, die dort arbeiten, und es macht mich unendlich traurig, dass es nicht nur in der Welt, sondern auch bei uns um die Ecke Kinder gibt, die keine warme Mahlzeit am Tag kriegen.
Ein bisschen von den Dingen abgeben, die wir haben. Mir ist es völlig egal für was, ob die Stadtmission oder ein Hospiz. Und bei mir sitzen ab und zu welche, die können ein bisschen was abgeben.
Gesprächsprotokoll: Hari Sas
Sendung: Der Tag, 10.12.2024, 18:00 Uhr