Proteste vor der Tür - Kapelle im Turm der Garnisonkirche eingeweiht
Nach knapp sieben Jahren Bauzeit hat der wieder errichtete Turm der umstrittenen Garnisonkirche nun eine Kapelle. Kritik am Wiederaufbau gibt es noch viel länger - vor der Kirche formierten sich am Ostermontag die Gegner des Gotteshauses.
Begleitet von Protesten vor der Garnisonkirche hat die evangelische Kirche am Ostermontag die Kapelle im neuen Turm des umstrittenen Gotteshauses eingeweiht. Zum Eröffnungsgottesdienst hielt Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung Garnisonkirche Potsdam, eine Predigt. Die Widmung der Nagelkreuzkapelle wurde per Livestream im Internet übertragen.
Die Bauarbeiten für den Kirchturm laufen seit Herbst 2017, im April 2022 wurde der Rohbau fertiggestellt. Weitere Räume werden voraussichtlich im Sommer zugänglich gemacht. Das Datum steht noch nicht fest. Die vollständige Fertigstellung des insgesamt knapp 90 Meter hohen Bauwerks ist bis Ende 2025 geplant. Aktuell ist der Turm bis auf eine Höhe von rund 60 Metern gebaut worden.
Die Kapelle im Turm gehört zu dem neuen Friedens- und Versöhnungszentrum, für das die gesamte Anlage und alles, was an Bildungsarbeit in diesem Sinne geschieht, steht", erklärte Stäblein vor dem ersten Gottesdienst. 2005 wurde der Grundstein für den neuen Turm gelegt, 2008 eine kirchliche Trägerstiftung gegründet, seit 2017 wird gebaut. Der Neubau kostet rund 41 Millionen Euro - mehr als der Hälfte wird aus Bundesmitteln finanziert. Die evangelische Kirche steuert rund fünf Millionen Euro bei.
Gegner fordern Auflösung der Stiftung
Vor der Garnisonkirche protestierten etwa 250 Menschen gegen die Einsetzung weiterer Gelder für den Wiederaufbau des Gotteshauses. Zudem forderten sie die Auflösung der Stiftung Garnisonkirche. "Die Kirche ist ein Symbol des preußischen Militarismus (...), ein Ort, von dem viele Kriege ausgegangen sind und wir sehen nicht, dass die Stiftung dieser Geschichte des Ortes gerecht werden kann", sagte die Sprecherin der Bürgerinitiative "Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche", Sara Krieg, der Deutschen Presse-Agentur. In das Projekt dürften keine Gelder mehr fließen. "Wir möchten dafür keine weiteren Steuergelder sehen", so die 35-Jährige. Die Bürgerinitiative hatte zu dem Protest aufgerufen.
Garnisonkirche auf Beschluss des Soldatenkönigs errichtet
Das Kirchen-Projekt ist seit Jahren umstritten: Gegner des Wiederaufbaus sehen in dem historischen Bau ein Symbol des Militarismus und einen Treffpunkt rechtsnationaler Bewegungen in den 1920er und 1930er Jahren.
Die historische Potsdamer Garnisonkirche wurde im 18. Jahrhundert auf Beschluss des preußischen Königs Friedrich Wilhelm I. errichtet. Der Barockbau wurde 1732 eingeweiht und 1735 fertiggestellt. 1740 wurde der Soldatenkönig in der Gruft der Kirche beigesetzt, 1786 auch sein Sohn und Nachfolger Friedrich der Große.
Am "Tag von Potsdam" nutzten die Nationalsozialisten 1933 die Garnisonkirche zur Inszenierung der Reichstagseröffnung, Adolf Hitler hielt dort eine Rede. Zudem reichten sich Reichspräsident Paul von Hindenburg und der neue Reichskanzler Hitler vor der Kirche die Hand.
Im April 1945 wurde die Kirche bei einem Luftangriff weitgehend zerstört. Ein Raum im Turm wurde danach längere Zeit weiter als Kapelle genutzt. In der DDR wurde die Ruine des Barockbaus 1968 abgerissen, der Turm wurde gesprengt. Die Gemeinde erhielt eine Entschädigung.
"Sehnsuchtsort für reaktionäre Kräfte"
So kämpfen etwa die Bürgerinitiative "Für ein Potsdam ohne Garnisonkirche" und der "Lernort Garnisonkirche" der christlichen Martin-Niemöller-Stiftung schon seit Beginn der Planungen gegen den Wiederaufbau - weil sie die Restauration eines Sammlungsorts der Rechten befürchten. Am Montag erneuerte der "Lernort Garnisonkirche" seine Kritik und das von der Stiftung "propagierte Versöhnungskonzept". So fordert das Bündnis unter anderem, den Feldaltar der Garnisonkirche - ein schlichter Holztisch - nicht mehr für Gottesdienste zu nutzen, sondern an das Deutsche Historische Museum abzugeben.
"Der Turm steht jetzt für ein Friedens- und Versöhnungszentrum; für einen Lernort für Demokratie. Alles Völkische, alles Rechtsextreme hat hier keinen Platz", ergänzte Stäblein im Interview mit rbb24 Brandenburg aktuell.
Kurz vor der Eröffnung der Kapelle haben langjährige Kritiker des Wiederaufbaus ihre Vorbehalte noch einmal bekräftigt. Mit dem neuen Bauwerk sei "trotz aller PR-Akrobatik der Stiftung" kein Ort für eine kritische Aufarbeitung der Geschichte entstanden, erklärte die Bürgerinitiative "Potsdam ohne Garnisonkirche" am Dienstag. Es sei vielmehr ein "Sehnsuchtsort für reaktionäre Kräfte" geschaffen worden.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 01.04.2024, 19:30 Uhr