Kampf gegen Elektroschrott - Berliner Senat will Reparaturen von Elektrogeräten künftig belohnen
Viele Elektrogeräte landen im Müll, wenn sie Defekte aufzeigen. Der Berliner Senat will ab Sommer einen Bonus zahlen, wenn kaputte Geräte wieder instand gesetzt werden. In Thüringen und Sachsen laufen solche Projekte bereits erfolgreich. Von Sabine Müller
Es ist ein ruhiger Donnerstagnachmittag im Reparaturcafé "Helle Bürgerwerkstatt" in Marzahn-Hellersdorf. Neue Kunden sind gerade nicht da, deshalb kümmert sich Matthias Zwerschke, Elektriker im Ruhestand, um die Aufträge, die er schon auf dem Tisch hat. Gerade schraubt er an einem Rauchmelder herum, der nicht mehr funktioniert. Im Reparaturcafé sind Ehrenamtliche tätig, am liebsten gemeinsam mit den Besitzerinnen und Besitzern der kaputten Geräte.
Er habe schon als Kind gerne Dinge auseinandergenommen und repariert, sagt Zwerschke. "Weil Wegschmeißen doof ist. Dabei wird immer eine Ressource vergeudet. Wenn ich’s reparieren kann, muss nichts Neues gebaut werden."
Zwerschke werkelt an kleinen Dingen wie dem Rauchmelder, aber auch an großen Geräten wie dem 27 Jahre alten Kühlschrank eines schwerbehinderten Rentners, den sie bis in die Werkstatt schleppten. Letztlich fehlte nur ein neuer Trafo für knapp sechs Euro. Der Rentner hatte Tränen in den Augen, als er den reparierten Kühlschrank zurückbekam und Zwerschke war zufrieden: "Wenn sie dann ihre Sache, ihr Gerät, was sie schon so lange benutzt haben, wieder benutzen können, das ist richtig cool."
Reparaturcafés wie das in Marzahn-Hellersdorf könnten bald mehr zu tun haben, wenn der Berliner Reparaturbonus wie geplant im Sommer kommt.
Reparatur-Prämien schon in Thüringen und Sachsen möglich
"Wir alle haben ein Interesse daran, dass wir Ressourcen, die endlich sind, gut und so lange wie möglich nutzen", sagt Umweltsenatorin Manja Schreiner (CDU) dem rbb. Deshalb soll finanziell belohnt werden, wer seine kaputten Elektrogeräte reparieren lässt, anstatt sie wegzuwerfen. Den Reparaturbonus soll es für "haushaltsübliche Elektrogeräte" geben - also etwa Kaffeemaschinen, Geschirrspüler, Bügeleisen oder Waschmaschinen. Eine genaue Liste komme später. Laut Schreiner würden Handys und Laptops allerdings nicht darauf festgehalten.
Die finanziellen Details werden gerade noch verhandelt. Im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses nannte Staatssekretärin Britta Behrendt am Donnerstag erste Rahmendaten. Wer ein kaputtes Gerät von einem Fachbetrieb reparieren lässt, kann vermutlich etwa die Hälfte der Rechnungskosten erstattet bekommen. Allerdings nicht unbegrenzt, sondern bis zu einer festgelegten Maximalhöhe. Im Gespräch sind 75 bis 200 Euro.
Senatorin Schreiner sagt, die Summe solle hoch genug sein für einen "schönen Anreiz" zur Reparatur - aber niedrig genug, um aus dem begrenzten Finanztopf möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern Geld auszahlen zu können.
Neben einer Obergrenze soll es auch eine Untergrenze geben, also keinen Bonus bei billigen Kleinst-Reparaturen. Bei welcher Summe diese Bagatellgrenze angesetzt wird, ist noch unklar. In Thüringen und Sachsen, wo es den Reparaturbonus schon gibt, muss die Rechnung mindestens 50 beziehungsweise 75 Euro betragen
Ohne Einzelheiten zu nennen, kündigte Staatssekretärin Behrendt eine Sonderregelung für Reparaturcafés an. In Thüringen etwa gilt, dass die Bagatellgrenze dort nur halb so hoch ist. Denn dort müssen keine Arbeitsstunden bezahlt werden, sondern nur die Ersatzteile. Statt einer Rechnungshöhe ab 50 Euro gibt es den Bonus dann schon ab 25 Euro.
Schnell und unkompliziert
Das Verfahren, um den Reparaturbonus zu bekommen, soll möglichst "bürokratiearm" sein, verspricht Schreiner. Alles komplett online und ganz einfach – das ist das Ziel. Konkret wird die Senatorin auch dabei nicht. Gerade verhandelt ihr Haus noch mit dem externen Dienstleister, der die Organisation übernehmen soll.
Eine Website soll darüber informieren, wo die Bürgerinnen und Bürger ihre kaputten Geräte reparieren lassen können. Im Haushalt sind für dieses und nächstes Jahr jeweils 1,25 Millionen Euro für das Projekt eingeplant. Wenn alles läuft wie geplant, soll es mit dem Reparaturbonus im dritten Quartal losgehen. Ob es gleich zum 1. Juli klappt, darauf will sich die Umweltverwaltung nicht festnageln lassen.
Julia Schneider, Grünen-Fraktionsvize und Sprecherin für Umweltpolitik, findet den Zeitplan "sehr sportlich". Zumal der Auftrag für die Organisation des Projekts ausgeschrieben werden müsste, wenn sie nicht Akteure wie die Verbraucherzentrale oder die Investitionsbank Berlin übernähmen, so Schneider zum rbb.
So läuft es bei den Vorbild-Projekten
In Sachsen, wo seit November 2023 ein Reparaturbonus gezahlt wird, wurden mit Stand Anfang April 6.751 Anträge auf Reparaturbonus bewilligt, Kosten: 714.470 Euro. Auch Thüringen wurden bei der zuständigen Verbraucherzentrale gerade zu Beginn jeder Förderphase Tausende Anträge eingereicht. Seit 2021 wird dort der Bonus angeboten.
Erik Poppe vom Fraunhofer Institut untersucht die Auswirkungen des Reparaturbonus in Thüringen und sagt: "Es lohnt sich." Von 2021 bis 2023 seien durch das Projekt in Thüringen 250 Tonnen Elektroschrott und geschätzt 2.000 Tonnen CO2 eingespart worden. Das entspricht in etwa dem CO2-Fußabdruck von knapp 100 Menschen in dieser Zeit.
Grüne fordern Liste der erlaubten Geräte zu erweitern
Im Umweltausschuss des Abgeordnetenhauses gab es bei der ersten Präsentation der Pläne am Donnerstag aus allen Parteien Zustimmung für das Projekt. Aber auch Fragen nach der genauen Ausgestaltung. Die Grünen appellieren an Schreiner, die Liste der zulässigen Geräte noch mal zu überdenken. Fraktionsvize Julia Schneider fordert, Mobiltelefone mit aufzunehmen. In Thüringen hätten sie ein Drittel der reparierten Geräte ausgemacht.
Erik Poppe vom Fraunhofer Institut wäre eine dauerhafte und höher angesetzte Finanzierung des Reparaturbonus wichtig. Denn der Geldtopf sei meist leer, bevor alle, die den Bonus wollten, zum Zug gekommen seien. "Das sorgt dann für Frust und Ärger, wenn keine Anträge mehr gestellt werden können."
Die Grüne Julia Schneider sieht im Reparaturbonus dagegen nur eine Übergangslösung auf dem Weg zur Reparaturgesellschaft. Sie hofft, dass künftig mehr Produkte überhaupt reparierfähig designt werden, wenn die EU wie angekündigt demnächst ein Recht auf Reparatur beschließe.
Aktuell sei bei drei Viertel der kaputten Elektrogeräte gar keine Reparatur möglich, sagt Wissenschaftler Poppe. Etwa weil Teile so verklebt oder verschweißt seien, dass sie nicht voneinander zu trennen seien.
Matthias Zwerschke im Reparaturcafé in Marzahn-Hellersdorf glaubt, dass in Zukunft mehr Menschen mit kaputten Haushaltsgeräten vorbeikommen. "Es wird mehr drüber gesprochen und vielleicht denkt der ein oder andere darüber nach, sich seine Sachen reparieren zu lassen, anstatt sie wegzuschmeißen." Zwerschke freut sich auf den Start des Reparaturbonus-Programms – auch wenn für ihn dann wohl mehr zu tun ist.
Sendung: rbb 88,8, 11.04.2024, 13:33 Uhr