Lieferdrohnen für bessere Nahversorgung auf dem Land - Wurst, Gemüse und Co. per Drohne

Fr 31.05.24 | 18:43 Uhr | Von Björn Haase-Wendt
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Ein Projektmitarbeiter sammelt die Waren auf dem Marktplatz ein und bestückt anschließend die Drohne. (Quelle: rbb/Haase-Wendt)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 31.05.2024 | Franziska Tenner | Bild: rbb/Haase-Wendt

Fehlende Supermärkte, kein Dorfladen und der nächste große Ort ist weit entfernt. Wer im Nordwesten Brandenburgs auf dem Land lebt und schnell mal Brot oder Gemüse braucht, muss oft weite Wege zurücklegen. Helfen könnten Lieferdrohnen. Von Björn Haase-Wendt

Ein kurzes Piepen ist zu hören, schon drehen sich die Propeller des Multicopters und die Drohne hebt ab. Applaus kommt auf, denn in Wusterhausen/Dosse (Ostprignitz-Ruppin) wird etwas Neues probiert. Drohnen sollen hier die von der Kernstadt weit entfernten Dörfer mit Lebensmitteln und Drogerieartikeln versorgen. "Das sind Orte, die besonders schlecht angebunden sind", sagt Bürgermeister Philipp Schulz. Zunächst werden drei Dörfer der Gemeinde versorgt: Barsikow, Blankenberg und Trieplatz. Dort gibt es keine Supermärkte mehr, teils müssen Einwohner rund 15 Kilometer mit dem Auto zurücklegen, um die nächste Einkaufsmöglichkeit zu erreichen.

Für die Testhaushalte wird es nun einfacher. Über die zur "Marktschwalbe" gehörenden Internetplattform oder telefonisch lassen sich die Waren der Markthändler wie Brot, Gemüse oder Fisch, aber auch der umliegenden Geschäfte sowie Gerichte eines Restaurants bestellen. Ein Dispatcher sammelt an den beiden Markttagen dienstags und freitags die Produkte ein und bringt sie per Lastenrad zum Drohnen-Startplatz. Dort kommen sie in eine unter der Drohne hängenden Box, die etwas größer als ein Schuhkarton ist, und werden per Luft in die Dörfer transportiert. Allerdings nicht direkt vor die Haustür, sondern zu zentralen Landeplätzen.

Flugrouten sind festgelegt

"Die Drohne kann bis zu 80km/h schnell fliegen. Wir sind aber etwas langsamer unterwegs, um den Akku zu schonen", erklärt Robin Kellermann, Projektkoordinator vom Berliner Unternehmen Luftlabor. Die "Marktschwalbe" fliegt auf vorher festgelegten und vom Luftfahrtbundesamt genehmigten Routen in etwa 50 bis 60 Metern Höhe. "Das ist alles komplett vorprogrammiert, alles ist Zentimetergenau festgelegt."

Außerdem überwacht ein Operator im Kontrollzentrum den Flug und kontrolliert vorab, ob die eingezäunten und per Kamera überwachten Start- und Landeplätze frei sind oder ob es auf den Routen andere Hindernisse gibt. In Wusterhausen/Dosse gibt es aber gute Voraussetzungen. Das Gemeindegebiet ist weit zerstreut und mit insgesamt 5.800 Einwohnern gering besiedelt. "Wir fliegen also weitestgehend über unbewohntes Gebiet und haben deshalb vom Luftfahrtbundesamt auch eine geringe Risikoeinstufung erhalten", erklärt Tobias Biehle vom Luftlabor.

Die Lieferdrohne ist mit bis 80km/h unterwegs. (Foto: rbb/Haase-Wendt)Die Lieferdrohne ist mit bis 80km/h unterwegs

Kein Wocheneinkauf per Drohne

Den großen Wocheneinkauf können die insgesamt fünf Drohnen aber nicht liefern. Denn die "Marktschwalben" können nur Waren mit einem Gesamtgewicht von bis zu drei Kilogramm transportieren. "Fünf Brote sind also machbar, der große Kartoffelsack schon nicht mehr", sagt Tobias Biehle. Künftig könnte das Gewicht noch etwas erhöht werden, aber die Drohnen sollen nur eine Ergänzung für die Nahversorgung sein.

"Es gibt aber den Bedarf. Wenn man beim Einkauf etwas vergessen hat oder sich Besuch ankündigt", sagt Robin Kellermann. Bäckereichef Christian Kindt, freut sich jedenfalls über das Projekt und sieht darin auch die Chance neue Kunden zu erreichen: "Kunden, die nicht so mobil sind zum Beispiel. Es ist eine spannende Sache und hoffen, dass sich das etabliert."

Ein Projekt auch für andere Gemeinden?

Für die Kunden in den Dörfern und die Markthändler ist die Nutzung der Lieferdrohnen vorerst kostenfrei. Möglich macht das eine Förderung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. "Wir verfolgen damit mehrere Ziele: zum einen wollen wir die Nahversorgung stärken, zum anderen den kleinen Einzelhandel vor Ort", sagt Klaus Heider, Abteilungsleiter Ländliche Entwicklung im Bundesministerium.

Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund unterstützt das Projekt und erhofft sich Erkenntnisse, ob und wie Drohnenprojekte auch in anderen Orten umsetzbar sind und ob es sich am Ende auch wirtschaftlich rechnet. "Denkbar sei auch der Transport von Arzneimitteln, ein anderer Anwendungsfall könnte auch der Transport von Werkzeug und Materialien für die Wirtschaft sein. Wenn sich das auch kombinieren lässt, wäre es vielleicht wirtschaftlich darstellbar", erklärt Timm Fuchs vom Städte- und Gemeindebund.

Anbindung weiterer Ortsteile denkbar

18 Haushalte beteiligen sich am Testbetrieb, wenn ab Mitte Juni die Drohnen regelmäßig in der Woche abheben sollen. Perspektivisch sollen bis zu 340 Haushalte bis Februar kommenden Jahres über die Lieferdrohnen versorgt werden. "Wir haben die Option auch noch weitere Ortsteile wie Kantikow oder Heilbrunn anzubinden. Aber das muss sich im laufenden Betrieb ergeben", sagt Bürgermeister Philipp Schulz.

Tobias Biehle und Robin Kellermann vom Unternehmen "Luftlabor" wollen in Wusterhausen testen, ob Drohnen die Nahversorgung stärken können (Quelle: rbb/Haase-Wendt)Tobias Biehle und Robin Kellermann vom Unternehmen "Luftlabor"

In der Gemeinde gebe es zumindest eine große Offenheit und Begeisterung – wenig verwunderlich, denn das kleine Wusterhausen versucht sich immer wieder an Innovationen. So rollte hier vor fünf Jahren über Monate ein kleiner autonom fahrender Elektrobus durch die Stadt.

Die "Marktschwalben" sollen nun bis Februar 2025 fliegen und auch klären, unter welchen Wetterbedingungen der Betrieb möglich ist. "Bei leichten Wind, Regen und sogar Schnee kann die Drohne fliegen", sagt Robin Kellermann vom Luftlabor. Anders sieht es aus, wenn es stürmt: dann bleibt die Drohne am Boden und die Bestellung der Dorfbewohner wird storniert.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 31.05.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Björn Haase-Wendt

13 Kommentare

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  1. 13.

    Ich wohne in der „Natur“. So ein „Dorfkonsum“ war früher mehr als nur ein Laden. Vereinzelt gibts sowas ja noch als Treffpunkt …
    Das können sich Stadtleute wohl nicht vorstellen.

  2. 12.

    Ok und was ist mit dem Drohnen-Lärm?

  3. 11.

    Der Bund (also wir alle) finanziert... und weckt Begehrlichkeiten.
    Wo kann man das Geld abholen?

  4. 10.

    Sie sprechen von ,,Erlebnis Einkauf“?
    Wie traurig ist das denn? Da gibts aber viel schönere Orte, die unsere Natur bereithält, noch!

  5. 9.

    Zuerst dachte ich doch dass ein Hauch von Modernität nach Deutschland zieht und dann kam das Lastenrad, lol

  6. 8.

    Dinge, die sich z.B. Grüne nicht vorstellen können und für viele in solchen Gegenden Alltag sind. Ohne Auto geht es nicht.

  7. 7.

    Ja, haben die. Die dürfen auch durch Ihre Fenster Filmaufnahmen machen und direkt im Internet übertragen. Sie wissen doch: „Die“ wissen alles …. :-) :-) :-)

  8. 6.

    Irgendwie erinnert mich das an Radio Fritzes Maik Lehmann, der früher mal jeden Tag um sieben den "Kotzekocher" gab. Sein letztes Wort war meist: "Fresst Ihr Säue!". Offenbar hat man den Einkauf als Erlebnis mit dem Kunden verbannt. Man schmeisst ihm das Zeug einfach irgendwohin - hoffentlich bezahlt er wenigstens. Nö - Kultur ist irgendwie anders, als mit irgendwelchem Plunder beworfen zu werden. Dann werde ich wohl in der großen Menge der angestrebten Vielfalt zu Minderheit der Drohnenverweigerer.

  9. 5.

    Machen sie sich keine Sorgen. Ich glaube Umwege sind nicht geplant.

  10. 4.

    15 km vis zum nächsten Supermarkt.
    Die habe ich auch.
    Ich werde mir ganz bestimmt nicht von so ner Drohne meinen Einkauf herfliegen.
    Drogeriearrikel kommen mit der Post, wenn es mal ein paar mehr sein sollten.
    Hilfe.
    Haben die eine Überflugsgenehmigung über mein Geundstück?

  11. 3.

    Entspannt bleiben. Berlin hat doch biologische Lieferdrohnen - bis an die Haustür sogar.

  12. 2.

    Bin dafür, wenn auch andere Dinge transportiert werden außer Lebensmittel. Ich bräuchte sn den Wochenenden Bierkästen. Gibt es eine Gewichtsobergrenze? Und dann noch Magazine, Kondome usw. Das würde ich dann auch in Anspruch nehmen.

  13. 1.

    Wenn das klappt wird sich das auch bei der medizinischen Versorgung durchsetzen, garantiert.
    Ich werde wohl im ländlichen bleiben.

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