Bilanz Agroforst-Projekt in Peickwitz - Was bringt es, Bäume auf den Acker zu pflanzen?

Di 18.06.24 | 19:10 Uhr
  17
Symbolbild: Agroforst Hafer in Villmar am 29.06.2022. (Quelle: dpa/Ute Grabowsky)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 18.06.2024 | Josefine Jahn | Bild: dpa/Ute Grabowsky

Seit 2015 testet ein Landwirt aus Peickwitz, wie sich Tierhaltung, Landwirtschaft und Gehölzanbau sinnvoll kombinieren lassen. Er erhofft sich mehr Artenreichtum und besseren Bodenschutz - nun zieht er eine Bilanz.

Vor allem im Sommer ist es keine Seltenheit: häufig rückt die Feuerwehr zu vermeintlichen Waldbränden aus, Meldungen großer Rauchwolken gehen ein. Vor Ort steht die Feuerwehr dann auf einem Feld - und sieht kein Feuer. Der Wind trägt große Mengen Staub und Sand in die Luft.

Der Staub und Sand ist allerdings die Lebensgrundlage der Landwirte. Der Boden wird von Wind und Wasser abgetragen. Der Hauptgrund: es gibt kaum noch Baumreihen auf den Äckern, die den Wind brechen können. Früher waren solche Baumreihen auf Feldern üblich, mittlerweile gibt es sie kaum noch. Unter dem neuen Begriff Agroforstwirtschaft soll die Landwirtschaft in Verbindung mit dem Gehölzanbau wieder verbreitet werden, zumindest wenn es nach dem Willen der Beteiligten in Peickwitz (Oberspreewald-Lausitz) geht.

Hier betreibt ein Landwirt schon seit neun Jahren Agroforstwirtschaft. Am Dienstag hat Thomas Domin, gemeinsam mit den Projektpartnern aus der Wissenschaft, eine Bilanz gezogen.

"Tatsächlich ist das eine uralte Idee, früher war eigentlich überall Agroforstwirtschaft betrieben worden", sagt Christian Böhm. Er ist Forstwissenschaftler an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) und im Fachverband für Agroforstwirtschaft. Im Laufe der Zeit habe es sich aber entwickelt, dass man Landwirtschaft und Forstwirtschaft trennt, so Böhm.

Gründe dafür gibt es mehrere: das Pflanzen der Bäume kostet Geld, bedeutet zusätzliche Arbeit für den Landwirt und behindert die Bewirtschaftung der Felder. Mit großen Traktoren oder Mähdreschern lassen sich die Äcker dann nicht mehr so gut bearbeiten.

Mittlerweile dürfen mehr Baumarten gepflanzt werden

Doch die Vorteile überwiegen, sagt Christian Böhm. Der Wind werde gebremst, der Boden dadurch nicht mehr so stark abgetragen. Das verbessere das Mikroklima und es werde mehr Wasser im Boden gehalten. Zudem, sagt Böhm, gebe es nicht so große Temperaturspitzen in Agroforstkulturen.

Auch Thomas Domin kann diese Vorteile bestätigen. Auf seinem Hof betreibt er seit 2015 Agroforstwirtschaft. Angefangen habe er mit Pappeln, Weiden, Erlen und Robinien, so Domin. Schnell wachsende Gehölze - und die einzigen, die damals auf den Acker durften. Seit 2023 dürfen deutlich mehr Baumarten gepflanzt werden.

Mittlerweile hat Domin auch Obstbäume gepflanzt und auch schon eigenes Obst geerntet. Sein Traum ist, eigenen Apfelsaft oder Obstbrand in seinem Hofladen anbieten zu können. Auch das erste Holz konnte schon geerntet werden. Aus den Pappeln seien Hackschnitzel gemacht worden, mit denen der Hofladen, das Geschäftshaus und die Ställe geheizt werden.

Die restlichen Felderträge seien hingegen stabil geblieben, nicht gesunken.

Forderung an Politik

Domin hat mittlerweile viel Geld in die Agroforstwirtschaft gesteckt. Er zieht dennoch ein positives Fazit. Abgesehen von den für ihn messbaren Vorteilen leistet die Agroforstwirtschaft aber auch auf lange Sicht einen Beitrag zum Klimaschutz. In den Hecken siedeln sich Tiere an, der Boden bleibe fruchtbar, sagt Jenny Ley-Kumar von Regionalwert Research in Leipzig, einem weiteren Partner in dem Projekt.

"Wir sagen das rechnet sich doch sehr wohl, das ist eben ein langfristiges ökonomisches Denken", so Ley-Kumar. Sie hat berechnet, dass Domins Nachhaltigkeitsbeitrag für die Gesellschaft fünfstellig ist - allein im vergangenen Jahr liege er bei 66.000 Euro. Damit Domin nicht allein auf seinen Investitionskosten sitzen bleibt, fordert Ley-Kumar eine Beteiligung von der Politik.

Sollte sich die eigentlich alte Idee von der Agroforstwirtschaft wieder mehr verbreiten, könnte noch mehr Wasser auf den Äckern gehalten werden, noch mehr Boden geschützt und noch mehr neue Lebensräume geschaffen werden. Dann müsste die Feuerwehr an windigen Sommertagen vielleicht nicht mehr so oft grundlos ausrücken.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 18.06.2024, 19:30 Uhr

 

Die Kommentarfunktion wurde am 19.06.2024 um 15:21 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

17 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 17.

    Der Unterschied zwischen dem "das haben wir früher immer so gemacht" und "was ist unter welchen konkreten Bedingungen wie sinnvoll und trägt zu verschiedenen Aspekten wie Erträgen des Landwirtes, Umwelt, Klima (und meinetwegen auch Verkehrssicherheit) bei" entsteht erst, wenn sich jemand systematisch mit Messwerten und über ein paar Jahre damit befasst und es aufschreibt.
    Es ist toll, dass es für neun Jahre so eine wissenschaftliche Begleitforschung gab. Meist sind Projektgelder viel kürzer.
    In dem Forschungsbericht steht bestimmt auch, inwieweit Erfahrungen älterer ortsansassiger Bauern eingeflossen sind. Und ob diese Erfahrungen unter heutigen bereits feänderten klimatischen Bedingungen noch zutreffen.

  2. 16.

    Ihre Gedanken sind gut. Denn im Artikel wird eigentlich eine negative Bilanz gezogen aber positiv „verkauft“: Es rechnet sich nur, wenn die Politik Geld gibt. So steht es da geschrieben. Ob da jemand drauf reinfällt?

  3. 14.

    Grundsätzlich ein sehr wichtiger Punkt! Agroforst darf da aber nicht pauschal überbewertet werden. Wenn da ein paar Pappeln und Robinien stehen (letztere wird in der Schweiz übrigens als invasiver Neophyt gelistet und darf nicht gepflanzt werden!), bringt das der Biodiversität noch nicht wahnsinnig viel. Dazu bräuchte es schon weitergehende Massnahmen, etwa der Einbezug von wertvolleren Gehölzen, Krautsäumen, Strukturelemente wie Asthaufen, Nistgelegengeiten, Blühangebot, passende Vernetzung... aber ja, das Potential ist definitiv da :-)

  4. 13.

    Mir fehlt in diesem Beitrag der Hinweis, dass die Agroforstwirtschaft einen ganz entscheidenden Beitrag zur Artenvielfalt beiträgt. Warum gibt es denn diesen gegenwärtigen Artenschwund? Durch riesige Monokulturen, in denen es zum Beispiel keine Buschreihen mehr gibt, gibt es keine Rückzugs- und Brutmöglichkeiten für Vögel aber auch keine Schutzräume für Säugetiere ( Feldhasen…), weniger Nahrung für Amphibien und Insekten. Dadurch werden viele von der Natur entwickelten Kreisläufe zerstört.

  5. 12.

    Dann will ich auch ne Subventionierung meiner Wohnungsmiete, weil ich erkannt habe, dass ein Dach vor Regen schützt !

    Sorry, aber die Erkenntnis ist selbst bei Grundschülern bereits vorhanden. Der Bauer der nur Monokulturen anbaut tötet alles Leben und seine eigene Einnahmegrundlage.

    Macht mal lieber nen malus draus. Wenn jemand 30 ha hat, dann kann er davon nur 28,29 für die Landwirtschaft verpachten. Mein Vermieter berechnet mir auch nicht zu meiner Wohnungsgröße die anteiligen 13 qm Solarmodule oben aufm dach zu nem Zehner pro qm hinzu !

    Frau Schwesig sind Bienen, Kleinlandwirte und Bäume nicht so wichtig, wird aber eine der ersten sein, die nach hausgemachten Katastrophen wieder Kohle vom Bund will. Söder und Dreyer sind da nicht viel besser.

  6. 11.

    Und wenn man den Großmeliorationären beweisen konnte, dass sich dieser Unfug erst in 85 Jahren amortisieren würde, hieß es, willst du Bockwurst essen oder bist du für denFrieden.
    Es ist altes Kulturwissen, dass man dann Erträge hat, wenn man sich um den Schutz des Bodens bemüht. Dazu gehört auch, dass man sommers die Austrocknung begrenzt und im Winter den nunmehr raren Schnee auf den Flächen hält. Unsere Altvorderen waren eben Pragmatiker. Aber gut, dass man sich älteren kulturellen Wissens erinnert und Spezielles in die Tat umsetzt. Das steht alles in den flächendeckend erarbeiteten Landschaftsrahmen- und Landschaftsplänen drin, für die Erarbeitungswürdigkeit sich die Macher mit diversen Qualifikationen u./o. HS-Examen auszuweisen hatten. Oft bemühten sich die östl. Kollegen sehr um Detailtreue, brachten ihr gebietliches Wissen voll ein. Manche Arbeiten waren Perlen. Dennoch ist das alles über 30 Jahre alt. Trotzdem, anzufangen ist nie zu spät!

  7. 10.

    Danke "Kröte", genauso ist es gewesen. Zumindest hier, etwas nordöstlich.

  8. 9.

    Schöner Beitrag zum Thema agro forst.
    Beschreibt es den Zustand auf der Luv bzw Lee -Seite der Maßnahme, die den Wind bremst. Mit all den Effekten, die eine Maßnahme hat, sowohl in die eine Richtung wie auch die andere. Die höheren Kosten war beschrieben.
    Zu den Effekten des Wachstum der Pflanzen und somit der Erträge würde ich mir ein tieferen Einblick wünschen. Vielleicht kann der der rbb24 eine reportage im Format von 45 Minuten veröffentlichen.

  9. 8.

    Es wird nicht geforscht, sondern wissenschaftlich begleitet. Sinnvoll wenn man so ein Projekt als Referenz für diejenigen die Zweifeln setzen will. Welche Effekte bringt es für welches Teilsystem und wo kann man nachbessern.
    Auch wenn früher so einiges schon gut war, kann man es heute vielleicht noch besser machen.

  10. 7.

    Das kannte ich auch so. Die Feldarbeiter machten Pause im Schatten der Bäume am Feldrand und dann kam Melioration, Großflächenwirtschaft, der K700 und der Ist-Zustand. Windschutzstreifen kamen erst als mehr Ackerboden durch die Luft flog als auf dem Acker lag.

  11. 6.

    Diese Bepflanzung sollten eigentlich verpflichtend sein. Wie oft gab es schon Unfälle auf Autobahnen, weil bei einem Sturm die Sicht plötzlich auf Nahe Null fällt, da man in einer Staubwolke des Ackers verschwand...

  12. 5.

    Genau - Hauptsache der Diesel bleibt subventioniert, was Anderes interessiert kaum Jemanden. Aber in ein paar Jahren werden die Rufe lauter nach neuen Geldern, um die Böden wieder erneuern zu können, wenn diese ausgelaugt und tot sind..... Kapitalismus stinkt zum Himmel und noch viel weiter.
    Darum finde ich es gut, dass hier im Bericht auch mal alternativen aufgezeigt werden. Bitte mehr davon !

  13. 4.

    Komm vom Lande und früher gab es diese Anbaugebiete schon. Bin damit als Kind groß geworden. Heute wird dazu geforscht? Geht in die Dörfer und fragt die ältere Generation und dann fangt an.Die Forschungsgelder können woanders eingesetzt werden.

  14. 3.

    Suuuper, weiter so! Hut ab. Finde ich prima. Weiter gute Erträge und Unterstützung!

  15. 2.

    Endlich mal jemand, der das, was der gesunde Menschenverstand gebietet, ausprobiert und umsetzt!

  16. 1.

    Das ist die Zukunft der Landwirtschaft und das gab es früher überall. InFrankreich wird Agroforst schon lange erfolgreich betrieben. Ein schönes Beispiel ist Z.z. in der ARD-Mediathek zu sehen! ,,Auf seinem Versuchsfeld in Südfrankreich werden inzwischen bessere Ernten eingefahren als auf Vergleichsfeldern ohne Bäume.''
    Aber hier sehen das die Landwirte anders, zuviel Aufwand und bringt nichts, bla, bla bla!!! Wird Zeit, daß die endlich aufwachen/mitmachen!

Nächster Artikel