Interview | "Nacht der Solidarität" in Berlin - "Mancher Obdachloser wird sich sicher verstecken"

Dass Berlin seine Obdachlosen im Rahmen einer "Nacht der Solidarität" zählt, hält Klaus Seilwinder für eine gute Sache. Doch der ehemalige Obdachlose geht davon aus, dass das nicht alle so sehen, die auf der Straße leben. Manchen mache das sicher Angst.
rbb|24: Herr Seilwinder, denken Sie, dass die meisten Obdachlosen in Berlin wissen, dass sie in der Nacht vom 29. auf den 30. Januar gezählt werden?
Klaus Seilwinder: Ja. Das geht ja schon eine Weile durch die Presse und es wird auch an den Essensausgaben darauf hingewiesen. Die Kommunikation untereinander ist so, dass man fragt, ob der andere schon von sowas gehört hat. Ich nehme also an, das wird sich bereits rumgesprochen haben – zumindest unter den deutschsprachigen Obdachlosen. Wie das mit den Vielen aus den osteuropäischen Ländern ist, weiß ich nicht.
Durch die Obdachlosenzählung sollen die Hilfen verbessert werden, sagt der Senat. Werden die meisten Obdachlosen von einem guten Zweck der Zählung ausgehen?
Da bin ich mir nicht ganz sicher. Als ich auf der Straße gelebt habe, wollte ich auf keinen Fall irgendwem auffallen und eher eine graue Maus sein. Es gibt außerdem einige Obdachlose, die mit der Justiz im Clinch sind. Wo beispielsweise Haftbefehle existieren. Meistens ja nicht wegen großer Verbrechen, sondern eher wegen Ladendiebstahl, Schwarzfahren und ähnlichen Vergehen. Manche dieser Obdachlosen werden sicher Angst bekommen und versuchen, sich so einer Aktion zu entziehen, auch wenn anonym gezählt wird. Sie werden sich bestimmt woandershin aufmachen oder verstecken. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass ein Großteil es gut findet, dass endlich mal was getan wird.
Ist so eine Zählung denn sinnvoll? Kann dadurch irgendetwas verbessert werden und wenn ja, was?
Indem die Stadt diese Zählung durchführt, erkennt ja der Senat schon mal an, dass es ein Problem gibt. Mein Gefühl ist: Solange es keine statistische Zahl gibt, ist auch kein Problem da. Und wenn es ein Problem gibt, müsste man es lösen. Solange es kein Problem gibt, braucht man sich ja auch nicht zu kümmern. Dann schwirrt es nur irgendwo im Hintergrund. Deshalb finde ich es auch gut, dass diese Zählung gemacht wird. Es ist deutschlandweit das erste Mal. Wie es ausgehen wird, wissen wir alle nicht.
Aus der Zählung könnte sich schon mehr entwickeln. Ich hoffe, dass sich dann gerade im Winter bei den Notübernachtungen was tut. Dass man besser weiß, für wie viele Leute man Platz haben muss. Ich hoffe schon, dass sich danach was tut. Ich bin ziemlich optimistisch bei unserem jetzigen Senat. Ich finde es toll, dass der erste Schritt gemacht wird. Es ist ein erster Versuch. Wenn irgendwas nicht klappt, hat man Ansatzpunkte, wie man es besser machen kann.
Könnte aus Ihrer Sicht auch Schindluder mit den erhobenen Daten getrieben werden?
Naja, was mit Daten, die erhoben werden, passiert, weiß man ja nie. Ich persönlich denke, bei denen, die da jetzt beteiligt sind, will keiner Schindluder treiben. Die, die da mitarbeiten, sind sehr engagiert. Sie werden auch, wenn die Zahlen da sind, diese in einen vernünftigen Zusammenhang setzen. Was andere daraus machen, wissen wir nicht. Es gibt immer Idioten, die jede Zahl verdrehen.
Abgefragt werden bei der Zählung Alter, Geschlecht, Nationalität, Zeitraum der Wohnungslosigkeit und die Art des Zusammenlebens – fehlt da was? Der Gesundheitszustand vielleicht?
Der Gesundheitszustand wäre tatsächlich noch mit angebracht. Denn ein Großteil der Obdachlosen auf der Straße ist aus dem System raus. Sie kriegen also weder Grundsicherung, Rente oder ähnliches – und sind also auch nicht krankenversichert. Da sieht es mit der Krankenversorgung schlecht aus. Es wäre sicher wichtig, das später auch mit aufzunehmen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Sabine Prieß, rbb|24
Sendung: Inforadio, 29.01.2020, 07:25 Uhr
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