Noch kein neues Angebot - Zukunft des Semestertickets für viele Studierende offen
Für Zehntausende Studierende in Berlin ist weiterhin unklar, ob und zu welchem Preis sie ab Oktober ein Semesterticket haben werden. Der Berliner Senat und die CDU-geführte Verkehrsverwaltung haben bislang keine weiteren Zuschüsse angeboten.
Für acht von insgesamt 39 Berliner Hochschulen laufen zum Ende des Sommersemesters (Ende September) die Verträge mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) aus. Das teilte die Verkehrsverwaltung am Mittwoch mit.
Bislang haben sich erst zwei dieser Hochschulen entschlossen, das Semesterticket für den Winter zu erneuern: die Berliner Hochschule für Technik und die Evangelische Hochschule Berlin.
Die Konditionen des VBB sehen für das Wintersemester vor, dass Studierende weiterhin monatlich rund 32 Euro für den Tarifbereich ABC inklusive Fahrradmitnahme zahlen. Der Allgemeine Studierendenausschuss der Hochschule für Technik und Wirtschaft entschied sich genau deshalb gegen einen neuen Vertrag: Das Angebot von 32 Euro sei nicht mehr verhältnismäßig, teilten die Studierenden mit.
Es geht um die Zuschüsse
Noch ist unklar, ob das Land Berlin die Studierenden auch im Wintersemester bezuschussen will. Im aktuellen Sommersemester zahlen die Studierenden statt der 32 Euro nur etwa zwanzig Euro für ihr Semesterticket, weil das Land sie einmalig mit 75 Euro unterstützt hat. Ohne eine solche Unterstützung stiege der Preis also wieder an.
Miguel Góngora, Vorsitzender des Allgemeinen Studierendenausschusses der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) kritisiert, dass dann der Preisunterschied zum Deutschlandticket für 49 Euro zu gering sei. Eine echte Begünstigung für die Gruppe der Studierenden im Vergleich zu den Angeboten des 49-Euro-Tickets, des 29-Euro-Tickets und des 9-Euro-Sozialtickets liege nicht mehr vor.
Das Solidarmodell des Semestertickets basiert jedoch genau darauf, dass die Studenten Zugang zu einem besonders günstigen Ticket haben, weil alle einzahlen, egal, ob sie Bus und Bahn wirklich nutzen.
Fristen für Studierende rücken näher
Da aus Sicht von Góndora also eine verhältnismäßige Preissteigerung beim Semesterticket vorliegt, müsste die Studierendenschaft diese laut Hochschulgesetz zunächst durch eine Urabstimmung billigen. Doch diese Urabstimmung haben laut Góndora nicht alle Hochschulen durchgeführt, obwohl sie Verträge mit dem VBB für das Wintersemester verlängert haben. Deshalb seien unter Umständen auch die bereits bestehenden Verträge juristisch angreifbar.
Hinzu kommt das Problem, dass die Fristen für An- und Rückmeldungen immer näher rücken. Weil das Semesterticket normalerweise gemeinsam mit den entsprechenden Gebühren verrechnet wird, müssten die Hochschulen so bald wie möglich wissen, ob und wie genau der Senat plant, das Winter-Semesterticket zu bezuschussen.
Kritik an Verkehrssenatorin der CDU
Tobias Schulze, wissenschaftspolitischer Sprecher der Linken, warf der Verkehrsverwaltung vor, bereits eine erneute Auflage des 29-Euro-Tickets zu planen, ohne Lösungen für die Studierenden vorgelegt zu haben. "Dass Hunderte Millionen ins 29-Euro-Ticket gepumpt werden sollen, während für das Semesterticket weder Geld noch Konzept da ist, ist ein Armutszeugnis. Offenbar haben die 200.000 Studierenden keine Priorität", sagte Schulze dem rbb.
Auch Góngora warf Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU), vor, verantwortungslos zu handeln: "Gerade mal einen Monat im Amt und gleich ihr erster Erfolg ist die Abschaffung des Semestertickets für knapp 100.000 Studierende."
Die Asten sprechen sich für einen erneuten Zuschuss für jeden Studierenden aus. Die Asta der HWR schlägt außerdem eine langfristige Lösung vor, in der das Semesterticket nicht mehr als neun Euro kosten soll. Die Verkehrsverwaltung war am Mittwoch nicht für ein Statement zu erreichen.
Eine bundesweite Alternative wird noch Zeit brauchen
Studierende, die also im Wintersemester kein Semesterticket haben, kämen möglicherweise für das Azubi-Ticket oder das Neun-Euro-Sozialticket in Frage. Doch beide Optionen sind noch nicht ausgehandelt und wären für die Verwaltungen der Hochschulen aufwändig. Als nächst-günstige Version stünde den Betroffenen das 49 Euro-Ticket zur Verfügung.
Der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Johannes Kraft, sprach sich derweil für ein bundesweit einheitliches, günstiges Studierendenticket aus. "Wir brauchen keine ineffizienten Doppelstrukturen", so Kraft. Tatsächlich soll ein solches bundesweites Ticket laut Medienberichten geplant sein, jedoch erst ab Sommer 2024.
Sendung: rbb24 Inforadio, 01.06.2023, 6 Uhr