Noch kein neues Angebot - Zukunft des Semestertickets für viele Studierende offen

Mi 31.05.23 | 22:55 Uhr
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Symbolbild: Zuschauer verfolgen eine Podiumsdiskussion in der TU Berlin. (Quelle: dpa/F. Sommer)
Audio: rbb24 Inforadio | 01.06.2023 | Leonie Schwarzer | Bild: dpa/F. Sommer

Für Zehntausende Studierende in Berlin ist weiterhin unklar, ob und zu welchem Preis sie ab Oktober ein Semesterticket haben werden. Der Berliner Senat und die CDU-geführte Verkehrsverwaltung haben bislang keine weiteren Zuschüsse angeboten.

Für acht von insgesamt 39 Berliner Hochschulen laufen zum Ende des Sommersemesters (Ende September) die Verträge mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) aus. Das teilte die Verkehrsverwaltung am Mittwoch mit.

Bislang haben sich erst zwei dieser Hochschulen entschlossen, das Semesterticket für den Winter zu erneuern: die Berliner Hochschule für Technik und die Evangelische Hochschule Berlin.

Die Konditionen des VBB sehen für das Wintersemester vor, dass Studierende weiterhin monatlich rund 32 Euro für den Tarifbereich ABC inklusive Fahrradmitnahme zahlen. Der Allgemeine Studierendenausschuss der Hochschule für Technik und Wirtschaft entschied sich genau deshalb gegen einen neuen Vertrag: Das Angebot von 32 Euro sei nicht mehr verhältnismäßig, teilten die Studierenden mit.

Es geht um die Zuschüsse

Noch ist unklar, ob das Land Berlin die Studierenden auch im Wintersemester bezuschussen will. Im aktuellen Sommersemester zahlen die Studierenden statt der 32 Euro nur etwa zwanzig Euro für ihr Semesterticket, weil das Land sie einmalig mit 75 Euro unterstützt hat. Ohne eine solche Unterstützung stiege der Preis also wieder an.

Miguel Góngora, Vorsitzender des Allgemeinen Studierendenausschusses der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) kritisiert, dass dann der Preisunterschied zum Deutschlandticket für 49 Euro zu gering sei. Eine echte Begünstigung für die Gruppe der Studierenden im Vergleich zu den Angeboten des 49-Euro-Tickets, des 29-Euro-Tickets und des 9-Euro-Sozialtickets liege nicht mehr vor.

Das Solidarmodell des Semestertickets basiert jedoch genau darauf, dass die Studenten Zugang zu einem besonders günstigen Ticket haben, weil alle einzahlen, egal, ob sie Bus und Bahn wirklich nutzen.

Fristen für Studierende rücken näher

Da aus Sicht von Góndora also eine verhältnismäßige Preissteigerung beim Semesterticket vorliegt, müsste die Studierendenschaft diese laut Hochschulgesetz zunächst durch eine Urabstimmung billigen. Doch diese Urabstimmung haben laut Góndora nicht alle Hochschulen durchgeführt, obwohl sie Verträge mit dem VBB für das Wintersemester verlängert haben. Deshalb seien unter Umständen auch die bereits bestehenden Verträge juristisch angreifbar.

Hinzu kommt das Problem, dass die Fristen für An- und Rückmeldungen immer näher rücken. Weil das Semesterticket normalerweise gemeinsam mit den entsprechenden Gebühren verrechnet wird, müssten die Hochschulen so bald wie möglich wissen, ob und wie genau der Senat plant, das Winter-Semesterticket zu bezuschussen.

Kritik an Verkehrssenatorin der CDU

Tobias Schulze, wissenschaftspolitischer Sprecher der Linken, warf der Verkehrsverwaltung vor, bereits eine erneute Auflage des 29-Euro-Tickets zu planen, ohne Lösungen für die Studierenden vorgelegt zu haben. "Dass Hunderte Millionen ins 29-Euro-Ticket gepumpt werden sollen, während für das Semesterticket weder Geld noch Konzept da ist, ist ein Armutszeugnis. Offenbar haben die 200.000 Studierenden keine Priorität", sagte Schulze dem rbb.

Auch Góngora warf Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU), vor, verantwortungslos zu handeln: "Gerade mal einen Monat im Amt und gleich ihr erster Erfolg ist die Abschaffung des Semestertickets für knapp 100.000 Studierende."

Die Asten sprechen sich für einen erneuten Zuschuss für jeden Studierenden aus. Die Asta der HWR schlägt außerdem eine langfristige Lösung vor, in der das Semesterticket nicht mehr als neun Euro kosten soll. Die Verkehrsverwaltung war am Mittwoch nicht für ein Statement zu erreichen.

Eine bundesweite Alternative wird noch Zeit brauchen

Studierende, die also im Wintersemester kein Semesterticket haben, kämen möglicherweise für das Azubi-Ticket oder das Neun-Euro-Sozialticket in Frage. Doch beide Optionen sind noch nicht ausgehandelt und wären für die Verwaltungen der Hochschulen aufwändig. Als nächst-günstige Version stünde den Betroffenen das 49 Euro-Ticket zur Verfügung.

Der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Johannes Kraft, sprach sich derweil für ein bundesweit einheitliches, günstiges Studierendenticket aus. "Wir brauchen keine ineffizienten Doppelstrukturen", so Kraft. Tatsächlich soll ein solches bundesweites Ticket laut Medienberichten geplant sein, jedoch erst ab Sommer 2024.

Sendung: rbb24 Inforadio, 01.06.2023, 6 Uhr

9 Kommentare

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  1. 9.

    nochmal der andere Max:
    "Antwort auf [nochmal max] vom 01.06.2023 um 11:46
    Zu den langen Studienzeiten:
    Nach meiner Erfahrung (welche mir durch viele ehemalige Kommilitonen bestätigt wird), gibt es vor allem einen Unterschied zwischen den Studenten, bezogen auf die Studiendauer.
    Jene, ...
    Die andere Gruppe ...."

    Mh, für Sie gibt es offensichtlich nur Varianten. Aber die anderen Varianten dazwischen ignorieren Sie. So ein Schwarz-Weiß-Denken ist nicht die Lösung für ein Problem, sondern selber ein Problem.

  2. 8.

    Das ist gelebte Politik! Entscheidungen zu suchen und zu finden, die ganze Gruppen ausschließen.
    Das liegt daran, dass viele Politiker den Kopf nur zu Haare schneiden haben.
    Das sieht man am Bundeskanzler, schon alles abgeschnippelt!
    Aber was soll man von Politikern erwarten, die mehr an Gedächtnisschwund leiden.

  3. 7.

    Zu den langen Studienzeiten:
    Nach meiner Erfahrung (welche mir durch viele ehemalige Kommilitonen bestätigt wird), gibt es vor allem einen Unterschied zwischen den Studenten, bezogen auf die Studiendauer.
    Jene, die das Studium als Zeit des Erwerbs einer Qualifikation begreifen, dafür zeitweise Einschränkungen in Kauf nehmen, um danach den entsprechenden Mehrverdienst und hoffentlich auch Erkenntnisgewinn zu haben. Diese Gruppe zieht das Studium meist in der Regelstudienzeit oder mit minimaler Verlängerung durch.
    Die andere Gruppe begreift die Zeit des Studiums eher als Zeit des (nicht nur) intellektuellen Austobens. Bei diesen tritt die Zeit des Studierens oft genug in Konkurrenz zur Zeit die für Aktivitäten abseits des Hörsaals und der Uni-Bibliothek (Aktivismus, Studenten-Politik, generell der Lifestyle den man früher als Bohème bezeichnet hätte). Diese Gruppe streckt das Studium gerne (und nicht unbedingt aus Not) gerne auch in die Länge.

  4. 6.

    Ich halte fest: Auch Sie stimmen zu, dass das Semesterticket den mit Abstand größten Anteil den Semestergebühren hat. Sie haben aber Recht: der AStA-Zuschuss macht den geringsten Teil aus.

    Ich habe nicht behauptet oder impliziert, dass der Staat die Studenten nicht unterstützen soll. Ich stelle lediglich heraus, dass es dreißt ist, sich über nicht genügende Privilegierung zu beschweren.

    Dass die Großstädte und vor allem auch Berlin ein grundsätzliches Problem mit (zu) hohen Mieten haben, ist kein neues Phänomen. Insofern ist die Entscheidung für den Studienstandort Berlin eine, bei der man dies einkalkulieren kann und sollte. Den Verweis auf das Bafög (über dessen Höhe und Gerechtigkeit man sicher streiten kann) als Mittel der Unterstützung, spare ich mir.

    Und dass die teilweise überlangen Studienzeiten an der Notwendigkeit der Teilzeitarbeit zum Überleben liegen sollen, wage ich doch in der Mehrheit zu bezweifeln. (Teil 2 folgt)

  5. 5.

    Politische Stimmungsmache betreiben wohl eher Sie wenn Sie beim Auflisten der Semesterbeiträge das Ticket und den AStA herausstellen. Von den 312,89€ Semestergebühren an meiner Uni gehen 198,80€ in das Ticket, 50€ an die Uni, 54,09€ an das Studierendenwerk und 10€ an den AStA - der also den deutlich kleinsten Betrag erhebt (1,66€ im Monat).

    Und ja dem Staat sollte etwas daran liegen Studierende im Studium zu unterstützen. Die Gruppe der Studierenden gehört mit zu den am stärksten von Armut betroffenen und gefährdeten Gruppen. Insbesondere in Großstädten in denen Studierende mehr als 50% ihres Einkommens für die Miete aufwenden müssten.

    Das Studium ist als Vollzeittätigkeit ausgelegt, wenn es sich jedoch kaum ein Studierender leisten kann Vollzeit zu studieren sondern zusätzlich noch 20h/Woche arbeiten muss, dann verlängert sich das Studium. Somit ist es keine Seltenheit wenn Studierende teilweise doppelt solange benötgen. Das wiederum ist vor allem für den Staat teuer.

  6. 4.

    Es gibt zahlreiche Studierende, die gar kein Semesterticket wollen. Also sollte man den Studierenden auch die Wahl lassen. Und als Uni den Studierenden einen Zuschuss von z.B. 10 Euro/Monat rückwirkend geben, wenn diese am Semesterende ihr Deutschland-Ticket als Nachweis vorlegen. Wäre gerecht und ließe Wahlfreiheit auch für mit dem Rad fahrende Studierende.

  7. 3.

    Das Deutschlandticket ist eine Farce. Mal wieder werden Azubis, Schüler, Studenten, Rentner und Sozialhilfeempfänger ausgeschlossen. Danke soziales Deutschland.

  8. 2.

    Sehe ich es richtig, dass sich die Studentenschaft jetzt darüber beschwert, dass Sie IM VERGLEICH zu der Normalbevoölkerung nicht mehr ganz so begünstigt werden? Und das, obwohl die ohnehin schon geringen Studiengebühren (ja ich weiß, es sind keine richtigen Studiengebühren), eigentlich nur in das Ticket und den Asta fließen?

    Ich war selber ein "armer Student", aber wenn man sich über nicht "genügende" Besserstellung aufregt, wittere ich eher politische Stimmungsmache, als ein echtes Anliegen.

  9. 1.

    Die Klientel der CDU an meiner Uni fährt halt mit dem Auto zur Uni, die können und wollen sich das leisten - egal wie dekadent das ist. Da ist es natürlich nur konsequent das eine CDU Verkehrssenatorin Politik nur für das Auto betreibt und eigentlich etwas gegen das Semesterticket hat. Alle anderen Studierenden die nicht so viel Geld haben oder bewusst auf das Auto verzichten müssen dann schauen wo sie bleiben und für die Öffis mehr zahlen als andere sich in Ausbildung befindende.

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